"Glaubhaft abschrecken": Pistorius rechnet mit Putin-Angriff

    Interview

    Verteidigungsminister im ZDF:Pistorius: "Man muss glaubhaft abschrecken"

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    Wie groß ist die Bedrohung Europas durch Putin? Hoch, glaubt Verteidigungsminister Pistorius. Er setzt auf die Formel: "Krieg führen zu können, um keinen Krieg führen zu müssen".

    Pistorius: "Wir geben richtig Gas"
    Verteidigungsminister Pistorius hält einen Angriff Putins auf Nato-Gebiet für möglich. Man müsse die nächsten drei bis fünf Jahre nutzen, um sich zu wappnen.21.01.2024 | 6:59 min
    Akute Kriegsgefahr herrscht für Deutschland im Moment wohl nicht - noch nicht. Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius hat bereits mehrfach gewarnt, dass Russland in einigen Jahren durchaus Nato-Länder angreifen könnte. Damit liegt er auf einer Linie mit dem Militärhistoriker Neitzel, der - ebenfalls im ZDF - forderte: "Wir müssen kriegstüchtig werden". Deutschland sei aktuell "nicht verteidigungsfähig".
    Wie er das ändern will, das erklärt Pistorius im ZDF heute journal-Interview. Und auch die Bedeutung des Wortes "kriegstüchtig", das er gern verwendet.
    Sehen Sie oben das ganze Interview im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Pistorius zu...

    ...der Gefahr eines Krieges gegen Deutschland

    "Es geht", so der Minister, "weniger darum, sich konkret auf einen Angriff vorzubereiten. Aber damit rechnen muss man." Und wenn man sich auf eine Gefahr einstellen müsse, "von der man nicht weiß, ob und wann sie eintritt, dann heißt das, man muss man sich wappnen - und das tun wir gerade gemeinsam mit den Alliierten in der Nato". Und das sei "auch notwendig so".

    ...zur Gefahr eines russischen Angriffs auf ein Nato-Land, beispielsweise auf das Baltikum

    Genau für so einen Fall stelle man ja "die Litauen-Brigade auf" erklärt Pistorius. "Um gleich vor Ort präsent sein mit dieser Einheit. Die wird 2027 einsatzbereit sein". Militär-Experten, so der Minister, gingen von einem "Zeitraum von mehreren Jahren aus, die es braucht, dass Russland wieder zu einem Angriff in der Lage wäre." Das sei zwar nur eine Schätzung. Doch diese Jahre müsse man "intensiv nutzen, um uns zu wappnen".
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    ...zum Mangel an Ausrüstung für Bundeswehr und Verbündete

    "Wir beschaffen grade in großem Stil und mit hoher Geschwindigkeit", betont Pistorius. Man habe "das Tempo der Beschaffung deutlich erhöht". Und gleichzeitig, sagt er weiter, "müssen wir uns eingestehen: Wir können schneller bestellen, aber die Industrie muss schneller produzieren".
    In allen relevaten Bereichen, das gelte für Munition, für gepanzerte Fahrzeuge und vieles andere mehr, seien die "Aufträge raus oder in unmittelbarer Vorbereitung. Wir geben richtig Gas".
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    "Zunächst mal", erklärt der Minister, habe er "Verständnis für jeden, der sich unwohl fühlt, dass mehr Waffen beschafft werden". Das verstehe er "menschlich und emotional sehr wohl". Aber die Erfahrung "aus der Geschichte das Kalten Krieges und die jetzige Situation, mit diesem Putin, ist doch viel unberechenbarer".
    Das lehre eben auch, dass "Abschreckung das einzige wirksame Mittel ist, um sich gegen einen Aggressor von vornherein zu positionieren". Man signalisiere: "Greif uns nicht an, wir werden in der Lage und willens sein, uns zu verteidigen". Pistorius betont aber auch: "Wenn man das will, dann muss man aber die Mittel auch haben und das heißt, man muss glaubhaft abschrecken".
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    "Ich kann es nur wiederholen: Tüchtigkeit bedeutet nicht mehr, als eine besondere Form der Tauglichkeit", erläutert der SPD-Politiker. Deutschland müsse sich in die Lage versetzen können, "einen Krieg zu führen, der uns aufgezwungen wird". Keinen, den Deutschland beginne, das verstehe sich von selbst. "Aber", so der Minister, "wenn wir angegriffen werden, müssen wir Krieg führen können. Das ist das Entscheidende. Darauf müssen wir uns vorbereiten".

    Die Formel lautet: Krieg führen zu können, um keinen Krieg führen zu müssen.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister

    SGS Hayali Pistorius
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    Das Interview führte heute journal-Moderatorin Marietta Slomka.
    Quelle: ZDF

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