Wehrbeauftragte: Warum die Bundeswehr nur langsam vorankommt
Bericht der Wehrbeauftragten:Warum die Bundeswehr nur langsam vorankommt
von Stefanie Reulmann
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Personalmangel, fehlendes Material, marode Infrastruktur: Die großen Baustellen der Bundeswehr bleiben, aber es gebe "endlich Bewegung", so die Wehrbeauftragte Eva Högl.
Angesichts der Bedrohung durch Russland und der Probleme mit den USA gewinnt der Jahresbericht zum Zustand der Bundeswehr an Relevanz. Wie kann Deutschland darauf reagieren?11.03.2025 | 2:32 min
Eine gute Nachricht zuerst: Die Kampfschwimmer in Eckernförde konnten im letzten Jahr endlich ihre Taucherübungshalle in Betrieb nehmen - nach 13 Jahren Bauzeit.
"Die Bundeswehr ist ein Tanker, kein Schnellboot. Und es braucht Zeit, bis ein Tanker vollständig saniert ist und den Kurs gewechselt hat." So steht es im fünften Wehrbericht von Eva Högl, die am 25. Mai als Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages aus dem Amt scheidet.
Bündnisverteidigung als Kernauftrag der Bundeswehr
Weltweite Krisen, der Krieg in der Ukraine, der Krieg in Gaza, aber auch die Auswirkungen der Trump-Politik in den USA haben die Sicherheitslage verändert. "Die Lage ist ernst", sagt Högl bei der Vorstellung des Wehrberichts 2024 in Berlin. Deutschland brauche wieder eine schlagkräftige Bundeswehr mit dem Kernauftrag der Bündnisverteidigung. Verteidigungsminister Boris Pistorius nannte das "kriegstüchtig werden".
Dazu gehört auch die enge Zusammenarbeit mit den NATO-Partnern. "Die NATO ist und bleibt das Fundament unserer Sicherheit", heißt es im Bericht. Als Zeichen der Solidarität gilt die Aufstellung der Brigade Litauen mit 5.000 Mann, die die Ostflanke der Nato sichern soll. Bis 2027 soll sie vollständig einsatzbereit sein. Noch ist sie weit davon entfernt.
Nicht erst der Eklat in Washington macht deutlich: Die künftige Bundesregierung steht vor neuen verteidigungspolitischen Herausforderungen. 05.03.2025 | 10:49 min
Högl: Ergebnisse "noch nicht überall sichtbar"
Noch immer habe die Bundeswehr von allem zu wenig, doch es gebe Fortschritte. "Diese Anstrengungen waren enorm, die Ergebnisse jedoch (noch) nicht überall sichtbar, spürbar oder messbar", heißt es im Wehrbericht.
Die persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten sei gut, Schutzwesten, Helme sowie Kälte- und Nässeschutz seien ausreichend vorhanden. Das wirke sich auch auf die Stimmung aus, die bei den Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich gut sei. Sie sähen, dass etwas vorangehe, trotzdem seien sie auch "ungeduldig", sagt Högl.
Die Truppe ist gefordert, aber sie ist auch sehr belastet. Und ich gehe so weit zu sagen, sie ist auch an der Belastungsgrenze.
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Eva Högl, Wehrbeauftragte
Wüstner: Sind "blanker als blank"
Voraussetzung dafür, dass Aufträge gut erfüllt werden können, ist eine gute Ausstattung. Der Truppe fehle es aber an "funktionstüchtigem Großgerät und Ersatzteilen", was auch an der "so wichtigen Abgabe von Material an die Ukraine" liege.
"Aktuell sind wir blanker als blank", sagt André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes. Die Logistik sei die "Achillesferse". Deutschland müsse dringend seine "Kapazitäten in der Rüstung aufbauen", sagt er im ZDF:
Wir müssen unsere Armeen stärken, um tatsächlich verteidigungsfähig zu werden. Grundsatz bleibt: Wer verteidigungsfähig ist, schreckt ab, wer das nicht ist, lädt ein.
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André Wüstner, Vorsitzender Bundeswehrverband
Die Bundeswehr müsse hunderttausende Soldaten gewinnen und binden, so Bundeswehrverbandchef André Wüstner. Man sei sich einig, dass es dafür die Wehrpflicht brauche.11.03.2025 | 0:44 min
Högl: Mehr Investitionen in Zukunftstechnologie
Aber marktverfügbare Schutzwesten seien leichter zu beschaffen als Panzer, Schiffe oder Flugzeuge. Auch die Modernisierung von Kasernen brauche Zeit und Geld. Und wie sieht es mit einem Satellitensystem für Aufklärung und Kommunikation aus, einem nuklearen Rettungsschirm oder Drohnen für die Luftverteidigung?
Mir ist sehr wichtig, hier auch heute sehr deutlich zu sagen, dass dieses Geld dann investiert werden muss in Zukunftstechnologie, in Drohnen, in Satelliten, in Künstliche Intelligenz, mehr Flugabwehr und Digitalisierung.
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Eva Högl, Wehrbeauftragte
Neue Milliardenausgaben zur Aufrüstung sind geplant, um Deutschlands Verteidigung zu sichern und unabhängiger zu machen. Doch wo mangelt es derzeit und was benötigt die Bundeswehr?05.03.2025 | 2:53 min
Großteil des Sondervermögens ist verplant
Der Verteidigungshaushalt umfasste im Jahr 2024 rund 52 Milliarden Euro, die Ausgaben beliefen sich auf 50,3 Milliarden. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO wurde erreicht.
2024 wurden insgesamt 97 Großvorhaben beschlossen, 2023 waren es noch 55. Aus dem Sondervermögen wurden knapp 20 Milliarden bereitgestellt. Unter anderem wurden zwei Fregatten, vier U-Boote und 105 Kampfpanzer Leopard 2 für die Brigade Litauen geordert.
Das 2022 eingerichtete Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro ist mittlerweile zu einem überwiegenden Teil investiert worden.
Im Bundestagswahlkampf sind sich fast alle Spitzenkandidaten einig, dass für die derzeit kaum einsatzbereite Bundeswehr mehr Geld ausgegeben werden muss.11.02.2025 | 8:38 min
Personalmangel und hohe Abbrecherquote
Neben fehlendem Material hat die Bundeswehr aber auch einen eklatanten Personalmangel. Bis zum Jahr 2031 soll eine Personalstärke von 203.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten erreicht werden, Ende 2024 waren es erst 181.174. Dabei sind Frauen immer noch stark unterrepräsentiert, mit knapp 14 Prozent. Das muss sich laut Högl dringend ändern.
Die Truppe altert, die Arbeitsbedingungen könnten besser sein. Die Beförderungssituation sei "inakzeptabel", heißt es im Wehrbericht, zahlreiche Dienstposten bleiben unbesetzt, und es gibt eine hohe Abbrecherquote. Jeder Vierte verlässt die Bundeswehr innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten.
Es gebe keine Erkenntnisse, dass das wegen rechtsextremer Übergriffe, Diskriminierungen, ungewöhnlichem Vorgesetzenverhalten, überzogener Härte in der Ausbildung, Mobbing oder ähnlichem sei. Stattdessen sieht die Wehrbeauftragte einen anderen Grund: "Das größte Problem ist Langeweile."
Wenn die jungen Leute dann keine Beschäftigung haben, wenn es nicht genügend Gerät gibt, genügend Ausbilder, wenn die Stuben nicht einigermaßen sauber und ordentlich sind, das schreckt ab. Und das macht die Bundeswehr dann auch unattraktiv.
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Eva Högl, Wehrbeauftragte
Wehrpflicht statt Freiwilligkeit?
Mehr Personal könnte die Bundeswehr rekrutieren, indem sie die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder einführt. Verteidigungsminister Boris Pistorius will ein Wehrdienstmodell, das auf Freiwilligkeit beruht und bei dem volljährige Männer per Fragebogen über ihre Dienstbereitschaft Auskunft geben müssen.
Die Wehrbeauftragte betont, sie sehe nicht, dass das Personalproblem der Bundeswehr mit einem "Wehrdienstmodell" gelöst werden könne. Dazu gehöre ein Bündel von Maßnahmen.
Högl präferiert ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für Männer und Frauen, das im Umweltschutz, bei der Bundeswehr oder im sozialen Bereich abgeleistet werden kann.
Mit 100 Milliarden Euro sollte die Bundeswehr gestärkt werden. Was ist aus dem Sondervermögen geworden? Und wie steht es um den zivilen Bevölkerungsschutz?05.02.2025 | 30:27 min
Sanierungsstau bei der Infrastruktur
Ein weiteres Mammut-Projekt ist die Modernisierung der Infrastruktur. Kasernen und Liegenschaften sind in desaströsem Zustand, wie Högl sagt:
Es ist so, dass wir Kasernen haben, in denen man den Eindruck hat, es hat sich seit Jahrzehnten nichts getan. Das drückt auch auf die Laune.
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Eva Högl, Wehrbeauftragte
2024 wurden Investitionen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro getätigt, der Gesamtinvestitionsbedarf beläuft sich aber auf 67 Milliarden Euro. Um den Sanierungsstau zu beheben, habe das Verteidigungsministerium nun einen Aktionsplan zur Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben entwickelt.
Zu viel Bürokratie, zu wenig Digitalisierung
Dabei geht es auch um den Abbau von Bürokratie, denn die Truppe leidet unter "überbordender Bürokratie" und mangelnder Digitalisierung. "Das schlägt auch manchmal auf die Laune", sagt Högl.
Alles dauere viel zu lange. Das gilt auch für die Neufassung des sogenannten Haar- und Barterlasses, der veraltete, strenge Frisurenregeln etwas lockern soll. Vor sechs Jahren hat das Bundesverwaltungsgericht eine entsprechende Rechtsverordnung vom Verteidigungsministerium gefordert. Doch passiert ist bisher - nichts.