In die politische Debatte über die Aufarbeitung der Corona-Pandemie scheint Bewegung zu kommen. Ein möglicher Grund: das katastrophale Abschneiden der Ampel bei der Europawahl.
Schulschließungen oder Ausgangssperren - war das verhältnismäßig? Die Regierung diskutiert, wann und wie die Corona-Zeit aufgearbeitet wird.07.04.2024 | 4:08 min
Als die Fraktionschefin der Grünen Britta Haßelmann die massiven Verluste nach der Europawahl zu erklären versucht, da bleiben besonders ihre Sätze zur Pandemie hängen. Ist die damalige Politik auch ein Grund für das grüne Debakel?
In den vergangenen Jahren, sagt Haßelmann, habe sich die Partei wahrscheinlich zu wenig mit den Folgen der Pandemie gerade für die junge Generation beschäftigt. Haßelmann wirkt ratlos:
Corona spaltet - bis heute. Die Pandemie hat schmerzhaft aufgedeckt, dass viele nicht vertrauen, weder der Politik noch den Experten.11.05.2024 | 9:08 min
Lange hielten sich die Grünen bei der Frage nach einer Corona-Aufarbeitung bedeckt, den prüfenden Blick zurück bewerten einige bis heute als "großen Quatsch".
Dahinter könnte sich die Sorge verbergen, auf Fehler zu stoßen, in der Pandemie-Zeit überzogen zu haben. Schließlich gehörten die Grünen zu den striktesten Maßnahmenbefürwortern.
Die Parteien der Ampelregierung SPD, Grüne und FDP verloren bei der EU-Wahl teils kräftig. Was das für die Bundesregierung bedeutet, erklärt ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann.10.06.2024 | 1:03 min
Bürgerrat, Enquete-Kommission - oder beides?
Die Ampel-Parteien scheinen sich jetzt gemeinsam zu bewegen. Eine Enquete-Kommission aus Abgeordneten und Sachverständigen zur Aufarbeitung der Pandemie wird immer wahrscheinlicher. Sie wird seit längerem von AfD, CDU und FDP gefordert.
Schon vor der parlamentarischen Sommerpause könnte sich die Koalition dazu entscheiden, wie ZDFheute aus Koalitionskreisen erfuhr. Auch ein Bürgerrat ist im konkreten Gespräch, ein aus der Bevölkerung gelostes Gremium, das Vorschläge für ein besseres Management bei einer neuen Pandemie erarbeiten könnte.
Masken, Tests, Impfempfehlungen: Wie gut waren die Pandemie-Regelungen? Rund ein Jahr nach dem Ende der letzten Maßnahmen fordert die FDP eine Kommission zur Aufarbeitung24.03.2024 | 3:17 min
FDP fordert Aufarbeitung
Die FDP befürwortet beide Aufarbeitungs-Varianten. Andrew Ullmann von den Liberalen sagt:
Und weiter: "Gegen einen Bürgerrat habe ich nichts, aber entscheidend ist eine Enquete-Kommission, damit die Politik Verantwortung übernimmt."
Mehr als vier Jahre ist es her, als die damalige Kanzlerin Angela Merkel die Corona-Krise in ihrer Fernsehansprache als eine der größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete. Das Virus traf auf eine unvorbereitete Regierung und Gesellschaft.
Wir müssen reden! Müssen wir reden?
"Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge", fügte Merkel damals hinzu. Auch nach dem Ende der Pandemie ist für Teile der Bevölkerung dieser Abstand geblieben mit vielen Fragen. War es richtig, das Impfen als moralische und solidarische Pflicht zu proklamieren, was bei Nichtbefolgung zur Ausgrenzung führte?
War es zu verantworten, Impfstoffhersteller bei Impfschäden aus der Haftung zu nehmen? Waren die Grundrechtseinschränkungen verhältnismäßig? Welche Lehren kann man ziehen?
Erst im April kritisierte der Bundesrechnungshof die damalige Maskenbeschaffung scharf. Diese müsse aufgearbeitet, Vorsorge für künftige Krisen getroffen werden. Doch die Suche nach politischen Antworten schien lange auf Eis gelegt.
"Die FDP-Bundestagsfraktion fordert eine Enquete-Kommission", so FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann. 25.03.2024 | 5:15 min
Die Pandemie - eine Zeit der "Entfremdung"
"Ich glaube, es geht da um Entfremdung", sagt Kanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Rede anlässlich des Jubiläums zum 75-jährigen Bestehen der Deutschen Journalistenschule in München - knapp eine Woche vor der Europawahl. "Ein Gefühl der Entfremdung gegenüber vermeintlichen und tatsächlichen Eliten, zu denen Politik und Journalismus gleichermaßen gezählt werden. Für die Politik kann ich sagen: Sie ist daran nicht immer ganz unschuldig."
Bei seinen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern stünden zwei Themen immer wieder im Fokus: der Ukraine-Krieg und Corona. "Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin überzeugt, die Corona-Einschränkungen waren nötig." Gleichzeitig gibt er zu bedenken: "Aber ich stelle auch fest, dass mir bei Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern im ganzen Land oft völlig andere Fragen gestellt werden als in Interviews."
Inzwischen wurde in Europa gewählt mit den bekannten Ergebnissen für die Ampel. Die Entfremdung ist in Wahlergebnissen belegt. SPD und Grüne beklagen, den Anschluss an Teile der Gesellschaft verloren zu haben. Die jetzige Bewegung in der Frage der Aufarbeitung könnte der späte Versuch sein, wieder in Kontakt zu treten.