Kritik am FDP-Chef: Lindner - nicht mehr unumstritten
Analyse
Interne Kritik am FDP-Chef:Lindner - nicht mehr unumstritten
von Dominik Rzepka
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FDP-Chef Lindner hat beim Thema Migration die Zustimmung der AfD in Kauf genommen. Ein Viertel der eigenen Leute wollte dem nicht folgen - eine schwere Hypothek für den Parteichef.
FDP-Chef Christian Lindner steht intern in der Kritik, weil er bei der Migrationspolitik die Zustimmung der AfD in Kauf genommen hat.
Quelle: dpa / Thomas Banneyer
Für Christian Lindner ist es ein Heimspiel. Am Sonntag, zwei Tage nach einer turbulenten Bundestagssitzung, bekommt der FDP-Chef in seiner Heimat in Bergisch Gladbach den Orden des örtlichen Karnevalsprinzen. Der Applaus ist freundlich. "Wohooo", rufen sie im Publikum.
In seiner Rede arbeitet sich Lindner an drei Jahren Ampel ab. Nennt die Arbeit von Wirtschaftsminister und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck ein "Zerstörungswerk". Und schließt Schwarz-Grün aus. Er werde, so Lindner, dem FDP-Parteitag am Wochenende vorschlagen, eine neuerliche Koalition mit den Grünen auszuschließen.
Mit denen nicht.
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Christian Lindner über die Grünen
Applaus im Saal. "Jawoll", sagt einer im Publikum.
Der Unions-Entwurf zum Zustrombegrenzungsgesetz wurde abgelehnt - Merz fehlten auch Stimmen aus den eigenen Reihen.31.01.2025 | 3:36 min
Die internen Kritiker des Christian Lindner
So viel Zustimmung erfährt Lindner in Berlin inzwischen nicht immer. Als schweren Fehler sehen es die Kritiker in der Fraktion an, dass ihr Parteichef beim Thema Migration die Zustimmung der AfD in Kauf genommen hat. Im Deutschlandfunk hatte Lindner den Merz gemacht:
Das ist mir sogar egal, ob die AfD dort mitstimmt. Hier geht es um ein politisches Signal des Deutschen Bundestages.
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Christian Lindner am 27. Januar
Öffentlich kritisieren will das niemand. Bloß nicht den Parteichef anzählen, drei Wochen vor der Wahl. Doch der Widerstand gegen Lindners AfD-Kurs zeigt sich am Freitag im Bundestag.
Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz bekommt nur 67 von 90 Ja-Stimmen aus der FDP. 23 Liberale verweigern Lindner, der die Zustimmung seiner Partei angekündigt hatte, die Gefolgschaft. Es wirkt, als habe der Parteichef zu wenig um die eigenen Leute geworben.
Mit seinen Anträgen zur Migrationspolitik hat CDU-Chef Merz in dieser Woche Unruhe ins Parlament gebracht. Zum ersten Mal stimmte die Union mit der AfD - ein Tabubruch.02.02.2025 | 4:40 min
FDP-Mann: Kritik am "Zauberlehrling Merz"
Ulrich Lechte ist einer von zwei FDP-Abgeordneten, die am Freitag Nein gesagt haben. Denn ihm ist die Zustimmung der AfD - anders als Lindner - nicht egal, sagt er im ZDF.
Es bleibt dabei, dass das ein Sündenfall ist. (...) Wenn die AfD feiert, ist das nie gut für die deutsche Demokratie. Ich stehe ein für Freiheit und Demokratie.
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Ulrich Lechte, FDP
Das Gesetz selbst unterstützt er zu 100 Prozent, sagt er. Aber er kritisiert eine Taktik, die von ihm und der FDP eine Art Schwur eingefordert hat - also die Kopplung der Sachfrage mit einer Frage im Umgang zur AfD. Für diese Taktik macht er zuerst den CDU-Chef verantwortlich:
Ich lehne es bloß ab, dass man in die Position hineinmanövriert wurde durch den Zauberlehrling Merz, der etwas getan hat, was im November noch anders verabredet war.
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Ulrich Lechte, FDP
Doch hatte sich Lindner nicht genau an diese Taktik gekettet?
"SPD und Grüne wollten keine Ordnung und keine Kontrolle in die Migrationspolitik bringen", sagte FDP-Fraktionsvorsitzender Dürr. Er habe um eine Mehrheit der Mitte geworben.01.02.2025 | 4:35 min
FDP fordert "Migrationspakt der Mitte"
Lindner wirbt in diesen Tagen um eine Koalition mit der Union. Bei jeder Gelegenheit sendet er schwarz-gelbe Signale. Und wenn es dafür nicht reicht, dann in Dreiteufelsnamen muss halt noch die SPD dazukommen. Schwarz-rot-gelb, die sogenannte Deutschlandkoalition, als Machtoption für die FDP - wenn sie denn überhaupt in den Bundestag kommt.
Noch vor der Wahl fordert die FDP nun einen "Migrationspakt der Mitte". Fraktionschef Christian Dürr schlägt Union, SPD und Grünen eine Einigung bis zum 11. Februar vor. Das Zustrombegrenzungsgesetz solle mit einer Forderung von SPD und Grünen kombiniert werden: der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS. Dürr sagt:
Die Freien Demokraten verstehen sich als Brückenbauer, damit in der Migrationspolitik endlich etwas gelingt.
Konstantin Kuhle mag es nicht, wenn man ihn als Linken in der FDP bezeichnet. Aber man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man sagt, er finde eine sklavische Bindung seiner Partei an die CDU taktisch unklug. Vor drei Jahren macht er sich für die Ampel stark. Manchmal erinnert er an die sozial-liberale Tradition seiner Partei.
Am Freitag bleibt er der Abstimmung fern. Das ist ein Statement. Einem Gesetz zu einer Mehrheit verhelfen, dem auch die AfD zustimmt - das passt nicht zu ihm. Auch Johannes Vogel nimmt nicht an der Abstimmung teil.
Beide, Kuhle und Vogel, werden als mögliche Nachfolger gehandelt für die Zeit nach Lindner. Als Alternative zu Lindner. Ganz so unumstritten wie einst ist der Parteichef nicht mehr.
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sagte, die Bundesregierung missachte die Sicherheit im Land. Die Begrenzung der Migration sei richtig und wichtig, so Kubicki.31.01.2025 | 5:54 min
Kubicki hat wirklich schon sein Büro aufgeräumt
Intern sorgen Kuhle und Vogel für heftige Kritik. FDP-Grande Wolfgang Kubicki donnert in internen Chats, Leute wie Kuhle oder Vogel würden einen "gewaltigen Move" verspielen, sie sollten doch einfach selbst die Wahlkampfführung übernehmen. "Ich räume schon mal mein Büro auf."
Kubicki dementiert die Echtheit dieser Nachricht nicht. Es stimme tatsächlich, dass er nach der langen Sitzungswoche sein Büro aufgeräumt habe, sagt er ZDFheute.
Weil ich erstens vor der Wahl dazu keine Zeit mehr habe und zweitens, um nach den Siegesfeiern am 23. Februar die neue Legislaturperiode mit einem aufgeräumten Büro starten zu können.
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Wolfgang Kubicki, FDP
Wenn es mit dem Brückenbauen nicht klappt, hilft vielleicht nur noch Humor.
Welche Partei führt in den Umfragen zur Bundestagswahl? Wen hätten die Deutschen am liebsten als Kanzler? Welche Koalitionen wären möglich? Die wichtigsten Zahlen im Überblick.