Rente mit 57? Fake News zu Geflüchteten aus der Ukraine

Faktencheck

Fake News auf Social Media:Nein, es gibt keine Frührente für Ukrainer

Oliver Klein
von Oliver Klein
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Im Internet heißt es, ukrainische Geflüchtete könnten in Deutschland schon mit 57 in Rente. Das ist falsch. Tatsächlich plant die Regierung sogar deutliche soziale Einschränkungen.

Flüchtlinge, darunter der größte Teil aus der Ukraine, und eine Helferin (r) stehen vor einer Außenstelle des Sachgebiets Flüchtlinge der Ausländerbehörden und der Abteilung Flüchtlinge des Sozialamts in der Innenstadt in einer Schlange
Ukrainische Geflüchtete in Stuttgart - den angeblichen Sonderstatus bei der Rente gibt es nicht (Archivfoto).
Quelle: dpa

Das Gerücht existiert seit Jahren, aber in den vergangenen Wochen wird es offenbar wieder vermehrt in Sozialen Medien verbreitet: Geflüchtete aus der Ukraine hätten im deutschen Rentensystem einen Sonderstatus, dürfen angeblich deutlich früher in Rente gehen als Einheimische. Das ist jedoch frei erfunden - in Wirklichkeit plant die neue Bundesregierung mit ihrer neuen Migrationspolitik sogar, Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine einzuschränken. Wie ist die Situation tatsächlich? Woher kommt die Falschinformation - und was will die neue Koalition verändern? ZDFheute mit einem Überblick.

Was genau wird auf Social Media behauptet?

Unter anderem bei Facebook kursiert beispielsweise die Meldung: "Ab Juni zahlt Deutschland die Rente ab 57 für Ukrainer". Ukrainische Geflüchtete dürften dann in Deutschland Rente beantragen, heißt es, Frauen ab 57,5 Jahren und Männer ab 60 Jahren. Die Posts vermitteln den falschen Eindruck, Ukrainer in Deutschland dürften zehn Jahre früher in den Ruhestand gehen als Deutsche, ohne jemals in die deutsche Rentenkasse eingezahlt zu haben.
Grafik: Rente für Ukrainer
"Rente ab 57 für Ukrainer" - Screenshot eines Facebook-Postings mit der Falschbehauptung.
Quelle: ZDF/Facebook

Unter den Postings finden sich empörte Kommentare, etliche User schimpfen bei TikTok auf die sogenannten "Altparteien". "Habe immer gewarnt, Merz verpasst uns den letzten Tritt", schreibt eine Nutzerin, "in anderen Ländern geht man auf die Straße und in Deutschland schweigt man", postet ein anderer.

Wie ist die Situation tatsächlich?

Die genannten Aussagen sind falsch, es gibt kein spezielles Rentenrecht für Ukrainer. Wer nie oder nur kurz in Deutschland gearbeitet hat, kann hier keine eigene Altersrente erwarten. Das gesetzliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 67 Jahren. "Beim Bezug einer deutschen Rente gilt für Ausländer dasselbe Eintrittsalter wie für deutsche Staatsbürger", stellte die Deutsche Rentenversicherung aufgrund der Gerüchte bereits im Jahr 2022 in einer Mitteilung klar.

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Woher kommt das Gerücht?

Das Gerücht existiert bereits seit etwa drei Jahren. In etlichen Beiträgen in Sozialen Medien wird als Quelle der Mitteldeutsche Rundfunk genannt. Denn die Redaktion von "MDR Investigativ" hatte im Mai 2022 in einem Kommentar auf ihrer Facebook-Seite fälschlicherweise geschrieben, ukrainische Geflüchtete dürften mit 57,5 (Frauen) bzw. mit 60 (Männer) Rente in Deutschland beantragen. Der Kommentar wurde jedoch kurz darauf wieder gelöscht. "Tatsächlich ist uns da ein Fehler unterlaufen", schrieb die Redaktion daraufhin bei Facebook.
Doch da war es bereits zu spät: Der Text oder auch Screenshots des Kommentars werden seit Jahren unter anderem bei Facebook, X, TikTok und Telegram massenhaft weiterverbreitet und hunderttausendfach angezeigt.
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Was plant die neue Bundesregierung?

Anders als Asylbewerber müssen ukrainische Kriegsflüchtlinge bisher kein Asylverfahren durchlaufen: "Menschen, die aus der Ukraine zu uns fliehen, gelten sofort als schutzberechtigt. Deshalb erhalten sie von Anfang an Bürgergeld oder Sozialhilfe und nicht die geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz" - so lautet die bisherige Regelung, die noch von der Regierung unter Kanzler Scholz verabschiedet wurde.
Ziel der Regelung war es, die Geflüchteten möglichst schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren - denn mit dem sofort gewährten Aufenthaltstitel ist eine Arbeitserlaubnis verbunden. Und Bezieher von Bürgergeld können unter anderem Sprachkurse oder Qualifikationsangebote der Jobcenter in Anspruch nehmen, "um auf dem Arbeitsmarkt möglichst rasch Fuß zu fassen", wie es von der Ampelkoalition hieß.
Die neue Bundesregierung will Sozialleistungen für bestimmte Geflüchtete nun einschränken: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die nach dem 1. April 2025 eingereist sind, sollen statt Bürgergeld nur noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, heißt es im neuen Koalitionsvertrag. So sollen offenbar finanzielle Anreize für eine Flucht nach Deutschland verringert werden.
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Quelle: dpa

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