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FAQ
Forderung von Merz:Kann an der Grenze abgewiesen werden?
von V. M. Rolke und A. Tadey
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CDU-Chef Merz hat in seinem Ultimatum an die Ampel eine klare Forderung gestellt: Bestimmte Asylbewerber sollen an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Geht das überhaupt?
Sind dauerhafte Kontrollen an Deutschlands Grenzen möglich?
Nein, dauerhafte Grenzkontrollen sind innerhalb der EU nicht möglich. Denn: Es gilt das Schengener Abkommen und dieses ermöglicht den Menschen im Schengen-Raum, frei zwischen den Staaten zu reisen - ohne Grenzkontrollen. Allerdings gibt es Ausnahmefälle, die Kontrollen an den Binnengrenzen zulassen. Immer möglich sind Kontrollen, wenn sie stichprobenartig durchgeführt werden oder zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität
Welche Ausnahmen gibt es außerdem?
Auch bei außergewöhnlichen Umständen, wie zum Beispiel der diesjährigen EM in Deutschland oder den Olympischen Spielen in Paris sind verstärkte Kontrollen möglich. Dafür ist jedoch die Zustimmung des Europäischen Rates erforderlich.
Aktuell führt Deutschland an der grenze zu Frankreich Kontrollen durch, und zwar noch bis zum 30. September 2024. An den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz finden noch bis zum 15. Dezember Kontrollen statt. An der Grenze zu Österreich wird noch bis zum 11. November 2024 kontrolliert.
Darüber hinaus sind verstärkte Grenzkontrollen auch dann möglich, wenn eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit besteht. Dann müssen die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten informiert werden, und zwar spätestens vier Wochen vor dem Beginn der Grenzkontrollen.
Die Grenzkontrollen dürfen allerdings nur vorübergehend eingeführt werden. In der Regel dürfen sie nur 30 Tage lang durchgeführt werden. Eine Verlängerung ist zwar möglich, aber maximal auf sechs Monate. Längerfristige Grenzkontrollen sind nur in Absprach mit der EU-Kommission möglich.
Kann man Geflüchtete an der Grenze abweisen?
Die Dublin-III-Verordnung sieht vor, dass grundsätzlich der EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist, in dem der Schutzsuchende zuerst die Europäische Union betreten hat. Da Deutschland keine EU-Außengrenzen hat, ist das - abgesehen von der Einreise mit dem Flugzeug - meistens ein anderes EU-Land.
Asylbewerber an der deutschen Grenze zurückzuweisen geht so einfach nicht. Denn in der sogenannten Dublin-III-Verordnung ist in einem komplexen Verfahren geregelt, wer eigentlich zuständig ist und dieses Verfahren muss Deutschland zwingend durchführen, sobald jemand "an der Grenze" nach Asyl sucht.
Das Dublin-Verfahren regelt, dass jeder Asylbewerber nur in dem EU-Land einen Asylantrag stellen darf, das er als erstes betreten hat. So soll sichergestellt werden, dass jeder Asylantrag nur von einem EU-Mitgliedstaat geprüft wird. Die Dublin-III-Verordnung gilt seit 2014 in den EU-Mitgliedstaaten sowie in Norwegen, Island, der Schweiz und Liechtenstein.
Hält ein Mitgliedstaat einen anderen für zuständig, kann er ein Übernahme- beziehungsweise Wiederaufnahmeersuchen stellen. Stimmt dieser Staat zu, erhält der Antragsteller einen entsprechenden Bescheid. Er kann einen Eilantrag dagegen stellen, andernfalls vereinbaren die Mitgliedstaaten die Überstellung.
Wird die nicht binnen sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit an jenen Mitgliedstaat über, der um Übernahme ersucht hat. Taucht der Antragsteller unter oder befindet er sich in Strafhaft, kann sich diese Frist verlängern. In bestimmten Fällen sieht Dublin III eine Abschiebehaft vor, etwa bei ungeklärter Identität, verspäteter Antragstellung oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit.
Die Verordnung der EU in voller Länge finden Sie hier.
Quelle: KNA
Hält ein Mitgliedstaat einen anderen für zuständig, kann er ein Übernahme- beziehungsweise Wiederaufnahmeersuchen stellen. Stimmt dieser Staat zu, erhält der Antragsteller einen entsprechenden Bescheid. Er kann einen Eilantrag dagegen stellen, andernfalls vereinbaren die Mitgliedstaaten die Überstellung.
Wird die nicht binnen sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit an jenen Mitgliedstaat über, der um Übernahme ersucht hat. Taucht der Antragsteller unter oder befindet er sich in Strafhaft, kann sich diese Frist verlängern. In bestimmten Fällen sieht Dublin III eine Abschiebehaft vor, etwa bei ungeklärter Identität, verspäteter Antragstellung oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit.
Die Verordnung der EU in voller Länge finden Sie hier.
Quelle: KNA
Kann man das EU-Recht ändern oder brechen?
Wenn man das EU-Recht ändern will, muss die EU-Kommission dem EU-Parlament einen Gesetzentwurf vorlegen, da dieses für die Gesetzgebung in der EU verantwortlich ist. Da die Kommission aus je einem Mitglied der 27 Mitgliedstaaten besteht, wäre ein Alleingang eines Mitgliedstaats nicht möglich.
Erlässt die EU zum Beispiel eine Richtlinie, so müssen die nationalen Parlamente diese durch ein eigenes innerstaatliches Gesetz umsetzen. Erlässt es eine Verordnung, so gilt diese unmittelbar und verbindlich in der EU und damit auch in Deutschland, wie bei der Dublin-III-Verordnung.
Wenn sich ein Mitgliedstaat nicht an das EU-Recht - wie die Dublin-III-Verordnung - hält, dann kann die Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat vorgehen.
Das Vertragsverletzungsverfahren ist ein dreistufiges Verfahren. Die Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat leitet das Verfahren ein, wenn ein EU-Rechtsverstoß vermutet wird.
Die Kommission fordert den betroffenen Mitgliedstaat zur Stellungnahme innerhalb einer festgelegten Frist auf. Auf dieser Stufe kann der Mitgliedstaat versuchen, die Kommission zu überzeugen, dass kein Verstoß vorliegt.
Überzeugt der Mitgliedstaat nicht, so gibt die Kommission eine offizielle Stellungnahme ab, wieso sie der Ansicht ist, dass der Mitgliedstaat gegen EU-Recht verstößt. Damit verschafft sie dem Mitgliedstaat innerhalb einer weiteren Frist die Möglichkeit den Verstoß rückgängig zu machen.
Die Kommission kann nach erfolglosem Ablauf der Frist aus Stufe 2 den Mitgliedstaat vor dem EuGH verklagen.
Führt das Verfahren nicht zum gewünschten Erfolg, steht der Weg zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) offen. Ist die Klage der Kommission erfolgreich, kann der Mitgliedstaat verpflichtet werden, den Verstoß gegen das EU-Recht rückgängig zu machen. Tut er dies weiterhin nicht, kann die Kommission in einer weiteren Klage finanzielle Sanktionen gegen den Mitgliedstaat erwirken.
Kann man Ausnahmen vom EU-Recht machen?
Ausnahmsweise kann EU-Recht aber auch nicht angewendet werden. Auch hierauf beruft sich die Union. Eine Ausnahme vom EU-Recht ist aber nur zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung den Schutz der inneren Sicherheit" möglich. Diese Klausel soll aber wirklich nur in ganz bestimmten außergewöhnlichen Fällen und auch nur für eine kurze Zeit greifen.
Bislang hat der EuGH allen Mitgliedstaaten, die sich darauf berufen wollten, eine Abfuhr erteilt. Bekanntlich dauert es aber, bis der EuGH ein Urteil spricht und solange könnte Deutschland sich zumindest darauf berufen - und bis dahin möglicherweise rechtswidrig handeln.
Quelle: dpa
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