Kommentar zur Haushaltskrise: Unschöne Bescherung

    Kommentar

    Haushaltskrise:Unschöne Bescherung

    Daniel Pontzen
    von Daniel Pontzen
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    Das Karlsruher Urteil hätte eine Chance sein können für die Ampel - dazu, sich tatsächlich als Fortschrittskoalition zu beweisen. Es sieht nicht so aus, als ob sie sie nutzt.

    Berlin: Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner
    Robert Habeck, Christian Lindner und Olaf Scholz (v.l.n.r.) hätten die Haushaltskrise als Chance nutzen können.
    Quelle: dpa

    Wer ganz sichergehen will, dass Weihnachten zum Desaster wird, muss nur eines tun: Den Kindern schöne Geschenke versprechen, dann ausführlich mit ihnen und allen anderen über die Notwendigkeit eben dieser Geschenke sprechen - um dann, kurz vor Weihnachten festzustellen: Ups, Konto ist ja leer. Und den Kindern dann sagen: Naja, die meisten Geschenke werden wir wohl noch besorgen können. Aber alle? Schwierig. Sind ja in Wahrheit auch nicht alle nötig.
    Es wird Schnuten geben, ganz genau. Und: Verzweiflung, sehr laute.

    Ampel stellte vollmundig Gelder in Aussicht

    Grob vereinfacht stellt sich so derzeit die Lage vieler Verantwortlichen in der deutschen Industrie und Wirtschaft dar: Vollmundig hatte die Ampel Gelder in Aussicht gestellt, von denen viele Fachleute frühzeitig und am 15. November das Bundesverfassungsgericht feststellte, dass es sie gar nicht gibt. Gelder, die für die klimafreundliche Transformation gedacht waren, ein Kernprojekt der selbst ernannten "Fortschrittskoalition".
    Seitdem Karlsruhe nun darauf hingewiesen hat, dass sich - um es wieder alltagstauglich zu formulieren - verordnete Sparsamkeit schlecht verträgt mit dem mehr oder weniger heimlichen Aufnehmen mehrerer Dispokredite, stellen sich die Ampelaner die Frage, wie sie die selbst geschaffene Erwartungshaltung in der deutschen Wirtschaft befriedigen können. Denn - im Gegensatz zu enttäuschten Kindern am Gabentisch - haben viele Unternehmen im Vertrauen auf die Zusagen der Politik bereits Fakten geschaffen und Prozesse angestoßen.
    Berlin-Korrespondentin Shakuntala Banerjee im Gespräch mit Moderatorin Jana Pareigis.
    Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner beraten erneut über einen Ausweg aus der Haushaltskrise. Wo nähern sie sich an? Shakuntala Banerjee in Berlin.12.12.2023 | 1:23 min
    Die nun erzwungene Sparsamkeit könnte man nutzen. Wobei man das Wort Sparsamkeit präzisionshalber zunächst ersetzen müsste durch das Wort Verschwendungsvermeidung. Denn angesichts von prognostizierten Steuereinnahmen fürs nächste Jahr in Höhe von 964 Milliarden Euro (381 Mrd. für den Bund) dürfte niemand ernsthaft behaupten wollen, dass der Staat wenig Geld zur Verfügung habe. Er muss es halt vernünftig ausgeben - eben: haushalten.

    Richterspruch als Chance zur Radikalkur

    Insofern ließe sich der Richterspruch als Chance begreifen - als Chance zur Radikalkur, bei der jeder Ampelpartner echten Verzicht erbringt, um die Weichen tatsächlich und wirksam neu zu stellen in einer Phase, die nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich ganz gut mit dem Begriff "Zeitenwende" beschrieben ist.
    Buchholz: "Da wird runtergespart"
    "Es soll dieses Jahr noch eine politische Einigung geben", das parlamentarische Verfahren käme wohl aber erst im kommenden Jahr, so ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Britta Buchholz zur Haushaltskrise der Ampel-Regierung.12.12.2023 | 3:01 min
    Denn vieles von dem, was über Jahrzehnte den deutschen Wohlstand ausgemacht hat (z.B. der Verbrennungsmotor und all die Zulieferungen, die ihn umgeben), droht gerade wegzubröckeln, hinzukommt eine Alterung der Gesellschaft, die die Last des Sozialstaats von Jahr zu Jahr wachsen lässt - ebenso wie die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden. Und hinzukommen perspektivisch massiv steigende Ausgaben für die militärische Sicherheit.
    Man könnte das Karlsruher Urteil also zum Anlass nehmen für einen tiefgreifenden Umbau, der eben manchen schmerzlichen Verzicht bedeutet, aber dafür die Zukunftsfähigkeit des großen Ganzen stärkt - die, das soll an dieser Stelle ausdrücklich Erwähnung finden, von der Vorgängerregierung in vergleichsweise goldenen Zeiten in erschreckender Weise vernachlässigt wurde.

    Grüne und SPD müssten ihre Haltung zum Sozialstaat hinterfragen

    Grüne und SPD müssten dafür nun den Gedanken zulassen, dass ein funktionierender Sozialstaat vor allem jenen helfen soll, die tatsächlich hilfsbedürftig sind. Und nicht darüber hinaus vielen arbeitsfähigen Menschen als alternatives Lebensmodell zum eigenen Broterwerb dient.
    Dies könnte zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen - und zwar im Wortsinn: denn wer hält diese Gesellschaft zusammen, wenn nicht Polizistinnen und Krankenpfleger, Müllwerker und Straßenbauer, die ebenfalls unter den stark gestiegenen Preisen leiden?

    FDP sollte Vorteile höherer Besteuerung Reicher sehen

    Im Gegenzug sollte die FDP verinnerlichen, dass eine (höhere) Besteuerung großer und sehr großer Vermögen - anstatt sie eifrig zu schonen - einen ganz ähnlichen Effekt haben könnte auf das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gesellschaft. Denn nur wenn alle das Gefühl haben, dass auch allen anderen etwas abverlangt wird, wächst die Bereitschaft zum Mittun.
    Zwei Männer gehen auf einen Privatjet zu
    237 Milliardäre zählt Deutschland – Tendenz steigend. Ihre Welt gilt als verschlossen, diskret. Doch auch dank zahlreicher Steuertricks werden Superreiche immer reicher.12.12.2023 | 2:33 min
    All das wäre, na klar, eine größere Operation - nichts, was sich zwischen erster und dritter Adventskerze mal eben so realisieren ließe. Es bräuchte große Sprünge über den eigenen Schatten - sehr große. Und bislang scheinen sie sich nicht abzuzeichnen bei dem wenigen, was von den Beratungen im Kanzleramt nach außen dringt.
    Aber man wird sich ja mal was wünschen dürfen. Wann, wenn nicht jetzt.