Pistorius in Umfragen beliebter:K-Frage: Darum steht die SPD (noch) zu Scholz
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Warum klebt die SPD in der K-Frage an Olaf Scholz und stellt nicht den beliebteren Pistorius auf? Weil, so Experte von Lucke, ein Rückzug bei Scholz "völlig ausgeschlossen ist".
Die "Kriegstüchtigkeit" und die klare Ukraine-Unterstützung haben Pistorius zu angreifbar gemacht, um in der SPD als Kanzlerkandidat zu gelten, glaubt Politologe Albrecht von Lucke.14.11.2024 | 5:57 min
Die SPD-Führung stemmt sich trotz wachsender Zweifel in der Partei gegen eine Auswechslung ihres designierten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. SPD-Chefin Saskia Esken sagte auf die Frage, ob die SPD unter gewissen Umständen statt Scholz den in Umfragen beliebteren Verteidigungsminister Boris Pistorius zum Kanzlerkandidaten machen könnte: "Das machen wir mit Sicherheit nicht noch auf der Strecke." Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich hinter Scholz gestellt - trotz eines "Grummelns" in der Partei.
ZDF: Warum schickt denn die SPD wahrscheinlich den Unbeliebteren und nicht den Beliebtesten ins Rennen?
Albrecht von Lucke: Weil, drei Monate vor der Wahl den Kandidaten quasi auszutauschen, den Kanzler, der ja ohnehin nur noch einer Minderheitsregierung vorsteht, zur "Lame Duck" endgültig zu machen, natürlich auch ein ungeheures Wagnis ist. Außerdem, man muss eines sehen, der Kamala-Harris-Moment ist ausgeblieben. Wenn die USA Harris zur Präsidentin gewählt hätten, dann wäre es wohl anders.
Aber der entscheidende Punkt ist ein inhaltlicher.
Der Kanzler fährt eine andere, eine doppelte Strategie. Er will auf der einen Seite Friedrich Merz als den Mann der Eskalation im Ukraine-Krieg anprangern und er will ihn gleichermaßen als den Kanzler - den möglichen Kanzler Friedrich Merz - der sozialen Kälte anprangern. Und diese Strategie, diese Doppelstrategie ist es, mit der Olaf Scholz seine Leute hinter sich versammelt hat. Und es gibt bisher noch keine kritische Masse größerer Anzahl, die sich von ihm absetzt. Deswegen wird er der Kandidat wohl werden.
Quelle: Imago
... ist Jurist und Politikwissenschaftler. Außerdem arbeitet er als Redakteur und Autor für das Monatsmagazin "Blätter für deutsche und internationale Politik". In seinen Publikationen befasst er sich u.a. mit der Ampel-Regierung und der AfD.
ZDF: Was müsste denn passieren, damit der Kanzler freiwillig zurückzieht?
Von Lucke: Das haben Sie gut gefragt. Das ist im Falle eines Olaf Scholz wohl völlig ausgeschlossen. Man hat den Kanzler bisher nie selbstkritisch erlebt. Er ist so überzeugt, dass er der richtige Mann ist. Genau das ist der springende Punkt. Solange er nicht zurückzieht, wird Boris Pistorius loyal bleiben und ein Rückzug von Olaf Scholz ist ausgeschlossen. Er wird den Joe Biden nicht machen.
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ZDF: Ist denn Boris Pistorius nicht vielleicht auch deshalb ein Risiko, vielleicht auch nicht nur intern, sondern außerhalb, wenn man ja seine Haltung zwar zur Rüstung, zur Bundeswehr, zur Ukraine kennt, aber sonst weiß man ja nicht so viel?
Von Lucke: Ja, aber das wäre meines Erachtens ein Punkt, der gerade bei einem kurzen Wahlkampf von drei Monaten nicht unbedingt entscheidend ins Gewicht fällt. Da könnte durchaus die persönliche Ausstrahlung von Pistorius ziehen. Das Problem ist tatsächlich, dass er vielen in der SPD zu klar Unterstützer der Ukraine ist, da zu klar konturiert. Und die SPD will dezidiert einen anderen Wahlkampf führen. Sie will eigentlich eher das Momentum Sicherheit und Attacke gegen Friedrich Merz mit seiner Ukraine-Unterstützungspolitik fahren. Das geht mit Pistorius eher nicht.
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ZDF: Also Kindergeld erhöhen, kalte Progression bekämpfen. das sind ja Dinge, die die CDU auch will. Warum geht sie da jetzt nicht schon mit und zeigt, guckt mal, wir sind pragmatisch, uns geht es um die Sache?
Von Lucke: Ja, das ist eine enorm schwierige Situation für die Union. Einerseits hat sie Punkte, die sie durchaus mit der SPD durchbringen könnte, die ihr auch gut täten. Also, kalte Progression ist lange auch schon ein Punkt der CDU/CSU gewesen. Bei anderen Punkten treibt sie natürlich die Sorge um, dass möglicherweise nur die SPD davon profitiert, gerade bei der Frage des Kindergeldes. Und das ist der Kampf, der gegenwärtig ausgetragen wird.
Der Begriff beschreibt den Effekt, dass jemand durch eine Lohnerhöhung, die höchstens die Inflation ausgleicht, in einen höheren Steuertarif rutscht und somit letztlich bezogen auf die Kaufkraft weniger Geld in der Tasche hat.
ZDF: Aber glauben Sie wirklich, dass, also wenn die Union da jetzt mitstimmen würde, zu Hause jemand sitzen wird und sagt, ah toll, die SPD hat das jetzt doch noch umgesetzt, dann wähle ich die jetzt?
Von Lucke: Ja, das ist eine ganz schwierige Frage. Die SPD versucht natürlich genau diese Gesetze, die eigentlich Kernbestandteile ihres Programms sind, noch durchzubringen. Die CDU hat es da nicht ganz leicht. Es ist ein Abwägungsprojekt und ich bin auch gespannt. Die Union droht natürlich genau, wenn sie es ablehnt, auch zu verlieren. Das ist das Dilemma, in dem die CDU/CSU steckt. Das weiß sie, glaube ich, sehr genau. Und insofern wird sie vielleicht versuchen, einzelne Punkte zu korrigieren, um dann am Ende doch mitzumachen, um sich nicht den schwarzen Peter zuzuziehen.
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ZDF: Führen diese parteipolitischen Spielchen, die die SPD macht, die die CDU gerade auch macht nicht zu einer steigenden Unzufriedenheit mit der Demokratie?
Von Lucke: Grundsätzlich mit Sicherheit! Bloß müssen wir natürlich auch anerkennen, dass wir in einer absoluten Sondersituation sind.
Das, glaube ich, begreift zum Teil auch die Bevölkerung. Die Grundfrage wird eher sein - und das ist die wirkliche Frage, bei der es zum Schwur kommt - wenn denn die Wahl geschlagen sein wird und wenn mit Blick auf die nächste Wahl 2029 erneut die nächste Regierung so unheimlich agiert, dann wäre das verheerend.
Dann würde der Glaube an die wirkliche Tätigkeit, die Handlungsfähigkeit von Regierungen massiv untergraben. Das wäre dramatisch. Gegenwärtig sehe ich das als Geplänkel an, das jeder auch ein Stück weit begreift, denn es ist Wahlkampf.
Das Interview führte ZDF heute journal-Moderatorin Dunja Hayali.