BSW will Neuauszählung der Wahl: Wie aussichtsreich ist das?

    Analyse

    BSW will Neuauszählung der Wahl:Wie aussichtsreich ist die Klage des BSW?

    von Oliver Klein, Christoph Schneider
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    Das Bündnis Sahra Wagenknecht geht juristisch gegen die Bundestagswahl vor. Die Partei verlangt eine Neuauszählung, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Kann das klappen?

    Sahra Wagenknecht
    Sahra Wagenknecht will juristisch gegen die Bundestagswahl vorgehen.
    Quelle: dpa

    Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat den Einzug in den Bundestag nur knapp verpasst - gut 13.400 Stimmen fehlten bei der Wahl im Februar, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Nun sucht das BSW nach möglichen Unregelmäßigkeiten, die das Wahlergebnis zu seinen Ungunsten beeinflusst haben könnten - und klagt sogar vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Ziel: Eine Neuauszählung der Wahl.
    Zuerst hieß es: Viele Auslandsdeutschen hätten nicht an der Abstimmung teilnehmen können. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass unter ihnen überproportional viele Anhänger des BSW seien - und so die fehlenden 13.400 Stimmen schon zusammenkommen könnten, hieß es.
    Sahra Wagenknecht bei der Bundespressenkonferenz in Berlin, aufgenommen am 24.02.2025
    Nach dem vorläufigen Endergebnis scheiterte das Bündnis Sahra Wagenknecht mit 4,97 Prozent denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Rund 13.400 Stimmen fehlten. 24.02.2025 | 1:40 min

    BSW suchte systematisch nach Unregelmäßigkeiten

    Es stimmt zwar: Viele Auslandsdeutsche hatten Probleme, ihre Stimme rechtzeitig per Briefwahl abzugeben. Aber obwohl dem BSW auf Bundesebene "nur" 13.400 Stimmen zur Fünf-Prozent-Hürde fehlen, müsste sie bei den Auslandsdeutschen prozentual viel höher abschneiden als im bundesweiten Schnitt - weil sich durch die Einbeziehung der zusätzlichen Stimmen auch die Gesamtsumme aller abgegebenen Stimmen erhöht. Eine Anfechtung der Wahl allein wegen dieser Unregelmäßigkeiten erscheint juristisch heikel.
    Daher zielt die jetzt eingereichte BSW-Klage nun auf Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen: Eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe der Partei fahndete systematisch nach möglichen Fehler in den Wahlbezirken, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Wochenende.
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    Fehlende Stimmen in etlichen Wahlkreisen

    Dabei seien bereits Fälle entdeckt worden, in denen dem BSW irrtümlich null Stimmen angerechnet wurden oder Stimmen mit denen von Bündnis Deutschland vertauscht wurden. Erste Nachzählungen in einigen Wahlkreisen ergaben dem Bericht zufolge zusätzliche Stimmen für das BSW. Beispiele: Im Wahlkreis Heilbronn seien demnach 50 Stimmen zu wenig gezählt worden, in Stuttgart I fehlten 35 Stimmen, in Kleve 34, in Duisburg II 44. Schon jetzt hätten "relativ viele Fehler" aufgrund von Hinweisen der Partei korrigiert werden müssen, sagte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht
    Ob so die notwendigen 13.400 Stimmen zusammenkommen, erscheint derzeit fraglich. In einzelnen Bezirken gab es zwar Korrekturen, doch die Hochrechnungen zeigen, dass die bislang gefundenen Stimmen nicht ausreichen werden. In jedem Wahlkreis Deutschlands müssten durchschnittlich etwa 45 zusätzliche Stimmen gefunden werden - erst dann wäre das BSW im Bundestag.

    BSW will Überprüfung vor Festellung des Endergebnisses

    Das amtliche Endergebnis soll bereits am kommenden Freitag vom Bundeswahlausschuss festgestellt werden. Danach könnte dagegen Einspruch erhoben und nötigenfalls geklagt werden. Der Staatsrechtler Christoph Degenhart, einer der Rechtsvertreter des BSW, erklärte jedoch: "Der äußerst knappe Wahlausgang zu Lasten des BSW macht eine umfassende Überprüfung des Wahlvorgangs noch vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses erforderlich."
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    ZDF-Rechtsexperte: Schneller Gang nach Karlsruhe "ungewöhnlich"

    Nun ist also Karlsruhe gefragt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte den Eingang eines Verfahrens des BSW, das demnach von einzelnen Mitgliedern und Wahlberechtigten eingereicht wurde.
    "Grundsätzlich kann jeder Wahlberechtigte Einspruch gegen eine Wahl einlegen und Fehler überprüfen lassen", ordnet ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich das Verfahren ein. "Allerdings ist es ungewöhnlich hierfür unmittelbar vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen", so Henrich. Das Gesetz sehe normalerweise vor, dass Einsprüche zunächst beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags abgegeben werden. Das wäre in diesem Fall noch bis zum 23. April möglich. "Erst wenn diese Beschwerde erfolglos bleibt, ist der Weg zum Bundesverfassungsgericht frei - gut möglich also, dass der nun eingereichte Antrag des BSW vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt wird."

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    Quelle: dpa

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    Quelle: mit Material von dpa, AFP

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