Expertenrat: Wie Deutschland beim Klimaschutz voran kommt
Expertenrat der Bundesregierung:Gutachten: Klimafortschritte reichen nicht
von Tim Weber
|
Der Expertenrat der Bundesregierung hat sein Zweijahresgutachten vorgestellt. Klimaschutz müsse "breiter gedacht" werden - ansonsten könnten die Klimaziele verfehlt werden.
Der Expertenrat für Klimafragen sieht ohne zusätzliche Maßnahmen die Klimaziele bis 2030 als schwer erreichbar, erkennt aber auch Fortschritte.05.02.2025 | 1:40 min
Bis 2030 sollen 65 Prozent der deutschen Treibhausgase im Vergleich zu 1990 eingespart werden. So sieht es das Bundesklimaschutzgesetz vor. Der Expertenrat für Klimafragen sieht dieses Ziel gefährdet, wenn sich der Klimakurs nicht ändere. Es besteht Aufholbedarf - auch wenn es in einigen Bereichen vorangeht.
Der Expertenrat ist ein unabhängiges fünfköpfiges Wissenschaftler-Gremium, das die Wirksamkeit der deutschen Klimaschutzpolitik überprüft und der Politik Anregungen gibt. In regelmäßigen Abständen präsentiert der Rat zum Beispiel Zahlen zum deutschen Ausstoß an Treibhausgasen.
Das aktuelle "Zweijahresgutachten" stellt eine besonders umfassende Auswertung der Klimaschutzpolitik dar, die seit 2022 alle zwei Jahre präsentiert wird - nun also zum zweiten Mal.
Quelle: dpa
Sorgenkind Landnutzung
Problematisch ist laut Expertenrat die jüngste Entwicklung des Sektors Forst- und Landwirtschaft. Wälder und Moore sollen als natürlicher Kohlenstoffspeicher einen zentralen Baustein der Klimastrategie darstellen. Doch durch Dürren, Entwaldung oder Überbeanspruchung der Böden passiert jetzt das Gegenteil.
In vielen Regionen Deutschlands haben Dürre und Schädlinge den Wäldern schwere Schäden zugefügt. Wie muss der Wald der Zukunft aussehen, damit er dem Klimawandel trotzen kann? 02.06.2021 | 1:55 min
Der Expertenrat stellt fest: 2018 bis 2022 wurden rund 34-mal mehr Treibhausgase abgegeben als zuvor angenommen. Fast 70 Millionen Tonnen CO2. Das sind ungefähr zehn Prozent der jährlichen deutschen Treibhausgase insgesamt. Besonders besorgniserregend: Durch Wälder und Moore sollen bis 2030 jährlich 25 Millionen Tonnen CO2 aufgenommen werden und so die Klimabilanz verbessern. Das sei in weiter Ferne. Um das Klimaziel zu erreichen, müsse in anderen Sektoren - etwa Industrie und Energie - mehr eingespart werden.
Deutschland müsse "gleichzeitig als Industrie wettbewerbsfähig und leistungsfähig bleiben", so Siegfried Russwurm, Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie, vor dem Klimakongress.15.10.2024 | 5:57 min
Experten: Fortschritte sind zu langsam
Dabei gehen die Emissionen im Energiesektor schon zurück. Den Hauptgrund dafür sieht das Expertenkomitee in den höheren Energiepreisen und der deshalb schwächelnden Konjunktur. Doch auch die Maßnahmen der Bundesregierung helfen.
Diese fokussieren sich auf die nachhaltige Umgestaltung der Industrie - den Ausbau und Umstellung auf erneuerbare Energieträger. Darüber hinaus soll mit Maßnahmen wie dem Deutschland-Ticket oder dem Gebäudeenergiegesetz die Energiewende an Tempo gewinnen. Denn der Wandel ginge nicht schnell genug, so der Bericht.
Insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäude dominieren nach wie vor Verbrenner-Pkw und fossile Heizungssysteme, auch in den Absatzzahlen.
„
Gutachten des Expertenrats für Klimafragen
Dabei wird anerkannt: Die Politik sei zunehmend Zielkonflikten ausgesetzt. Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft und veränderte Geopolitik verschiebt Prioritäten. Zugleich werden die Folgen des Klimawandels immer spürbarer.
Die Temperaturen steigen weltweit, im Norden deutlich stärker als im Süden. Erfahren Sie am interaktiven Globus, wie die Erderwärmung die Kontinente trifft.
Eine klimapolitische Gesamtstrategie ist laut Experten nötig
Der Wunsch an die Politik ist klar: Es brauche einen schlüssigen Plan. Alle Politikfelder sollen gemeinsam gedacht werden.
Die umfassende Einbettung klimapolitischer Maßnahmen in eine politische Gesamtstrategie ist jetzt wichtiger denn je.
„
Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen
Vor allem die Felder Verkehr und Gebäude müssen gezielt angegangen werden, halten die Experten fest.
Dazu wird vorgeschlagen eine zentrale Koordinierungsstelle einzurichten - zum Beispiel in Form eines "Klimakabinetts", wie es 2019 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel der Fall war. Außerdem: Die Politik müsse notwendige Investitionen langfristig planen, beziffern und finanzieren.
Die Transformationsinvestitionen liegen im Bereich von 135 bis 255 Milliarden Euro pro Jahr - 3,2 bis 6 Prozent des deutschen BIP im Jahr 2023.
„
Gutachten des Expertenrats für Klimafragen
Der Rat ist sich einig: Investitionen müssen priorisiert werden. Die daraus entstehende Finanzierungslücke wird auf einen mittleren bis hohen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr beziffert.
ZDFheute-Klimaradar Dashboard
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Klimageld und Förderprogramme können soziale Ungleichheit vermeiden
Klimamaßnahmen - insbesondere im Verkehrs- und Gebäudesektor - betreffen private Haushalte stark. Daher betont der Expertenrat die Notwendigkeit von Förderprogrammen und Kompensationen. Bisherige Initiativen wie die Förderung von Elektroautos begünstigten einkommensstarke Haushalte, so das Gutachten.
An der Stelle müsse die zukünftige Politik umdenken. Mögliche Abhilfen wären lang debattierte Ausgleichs- und Unterstützungsmechanismen, wie Klimageld und Förderprogramme für benachteiligte Haushalte. Dann könnte die Transformation gelingen, für alle Bevölkerungsgruppen.
Tim Weber ist in der ZDF-Hauptredaktion WIRSSUM/Umwelt u. Wirtschaft.
Der Klimawandel schreitet voran - abgeschwächt wird er, wenn wir weniger CO2 und andere Treibhausgase ausstoßen. Wichtige Daten zum Klimawandel im Überblick: