Koalitionsvorhaben: Wie weit gehen die Migrationspläne?
Was ändert sich?:Koalition: Wie weit gehen die Migrationspläne?
von Ziyad Farman, Svenja Kantelhardt
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Schwarz-Rot hat sich im Koalitionsvertrag auch auf Eckpunkte einer neuen Migrationspolitik verständigt. Experte Knaus sieht immerhin eine "Möglichkeit zu wirklicher Veränderung".
Die Spitzen von Union und SPD sind sich einig, der Koalitionsvertrag steht. Bei welchen Themen haben sich CDU und CSU durchgesetzt? Und wo kann die SPD punkten? Ein Überblick.10.04.2025 | 2:00 min
In seinem Fünf-Punkte-Plan hatte Friedrich Merz noch angekündigt, alle Versuche irregulärer Einreise konsequent zurückzuweisen. Im Koalitionsvertrag heißt es nun: "In Abstimmung mit europäischen Nachbarn (sollen) Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen" vorgenommen werden.
Migrationsforscher Gerald Knaus ist skeptisch, ob das klappen wird: "Abstimmung heißt nicht, dass die Länder das akzeptieren", sagt er ZDFheute. Er befürchtet, dass es darüber zu europäischen Verwerfungen kommen könnte.
Die Binnengrenzkontrollen zu allen Nachbarländern sollen bestehen bleiben, bis ein funktionierender EU-Außengrenzschutz steht. In ihrem Fünf-Punkte-Plan sprach die Union von "dauerhaften Grenzkontrollen". Auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex wollen Union und SPD beim Grenzschutz und bei Rückführungen stärken.
Am Tag nach Vorstellung des neuen Koalitionsvertrags fallen die Reaktionen sehr unterschiedlich aus. Wirtschaftsexperten kritisieren: viele gute Ansätze, aber oft vage formuliert.10.04.2025 | 3:05 min
Kommt EU-Drittstaatenregelung auf den Weg?
Die Union hatte sich in ihrem Parteiprogramm klar dafür ausgesprochen, Asylverfahren in sicheren Drittstaaten zu ermöglichen - ein Vorhaben, das sie in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD nicht durchsetzen konnte.
Der Koalitionsvertrag sei mit Blick auf die Wirtschaft ein "Gemischtwarenladen", so Ökonom Prof. Schularick: Er enthalte gute Impulse, aber auch Vorschläge, die schaden könnten.10.04.2025 | 8:18 min
Allerdings wird Deutschland sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, das sogenannte Verbindungselement, das es EU-Mitgliedsstaaten verbietet, Geflüchtete in Länder abzuschieben, zu denen sie keine Verbindung haben, aufzuheben. Das könnte einer europäischen Drittstaatenregelung den Weg ebnen.
Grundrecht auf Asyl bleibt erhalten
Für die Koalitionspartner bleibt das Grundrecht auf Asyl ausdrücklich unangetastet. Eine Grundgesetzänderung wäre ohnehin nur symbolisch gewesen. Lediglich 0,7 Prozent der Antragstellenden erhielten im vergangenen Jahr ihre Flüchtlingseigenschaft auf Grundlage des Grundgesetzartikels. Auch hätte eine Änderung des Grundgesetzes nichts an der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands aus der Genfer Flüchtlingskonvention geändert.
Die Koalition plant, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme - wie etwa das für Afghanistan - weitgehend zu beenden und künftig keine neuen aufzulegen.
Die Spitzen von Union und SPD sind sich einig, der Koalitionsvertrag steht. Bei welchen Themen haben sich CDU und CSU durchgesetzt? Und wo kann die SPD punkten? Ein Überblick. 10.04.2025 | 108:27 min
Staatsangehörigkeitsrecht bleibt
Die Koalition hält an der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts der Ampel vom Juni 2024 fest. Nur die sogenannte "Turboeinbürgerung" nach drei Jahren wird gestrichen.
An der deutlich relevanteren Reduzierung der Wartefrist für normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre ändert sich nichts.
Ausreisepflichtige konsequenter abschieben
Ein weiteres zentrales Anliegen, bei dem sich die Union durchgesetzt konnte, ist die nun geplante "Rückführungsoffensive". Abgelehnte Asylbewerber sollen schneller das Land verlassen.
"alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Kapazitäten für die Abschiebehaft deutlich zu erhöhen",
den Rechtsbeistand vor der Durchsetzung der Abschiebung abschaffen und
die Kooperationen mit Herkunftsländern stärken.
Wirtschaftswissenschaftlerin Ulrike Malmendier zum Koalitionsvertrag: "Für mich fehlt da etwas der Mut zur großen Reform."10.04.2025 | 5:54 min
Bundespolizei kann künftig Haft beantragen
Die Bundespolizei soll künftig selbst Haft oder Ausreisegewahrsam beantragen dürfen.
Wer wegen schwerer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, soll künftig das Land verlassen, sagt der Koalitionsvertrag und fordert eine Regelausweisung.
Unter der aktuellen Rechtslage ist eine solche Verurteilung bereits ein schwerwiegender Ausweisungsgrund, sodass sich abgesehen von einem verschärften Ton keine Änderung abzeichnet.
Die SPD setzte sich dafür ein, das "Chancen-Aufenthaltsrecht" für Geduldete mit Arbeit oder Ausbildung zu verlängern. Die Union dagegen wollte die Regelung auslaufen lassen - konnte sich damit aber nicht durchsetzen.
In den Koalitionsverhandlungen konnten sie einen Kompromiss finden: Geduldete Ausländer, die gut integriert sind, seit mindestens vier Jahren in Deutschland leben, arbeiten, Deutsch sprechen, nicht straffällig sind und deren Identität geklärt ist, sollen einen befristeten Aufenthaltstitel erhalten.
Migrationsforscher Gerald Knaus urteilt:
Der Koalitionsvertrag eröffnet die Möglichkeit zu einer wirklichen Veränderung, aber es liegt jetzt ganz daran, was der künftige Innenminister in Sachen Migrationsdiplomatie erreicht.
Millionen Menschen flüchten; Tausende sterben. Kriege, Klimawandel und Armut sind Ursachen. Der Krieg in der Ukraine zwingt viele Menschen zur Flucht. News und Hintergründe.