Künftiges Kabinett: Heidi Reichinnek übt scharfe Kritik bei "Lanz"

Reichinnek über Merz' Kabinett:"Abgehalfterte Manager und Lobbyistinnen"

von Bernd Bachran
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Linken-Politikerin Heidi Reichinnek wirft Friedrich Merz den Irrglauben vor, "dass jemand, der ein Unternehmen führen kann, auch Ahnung von Volkswirtschaft hat." BWL sei nicht VWL.

Heidi Reichinnek zu Gast bei "Markus Lanz".
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 29. April 2025 in voller Länge.29.04.2025 | 75:42 min
Die CDU/CSU hat mit der Vorstellung ihres Kabinetts unter Friedrich Merz teils für Überraschungen und Diskussionen gesorgt. Besonders die Nominierungen von Katherina Reiche als Wirtschaftsministerin, Wolfram Weimer als Kulturstaatsminister und Karsten Wildberger als Digitalminister stehen im Fokus.
Am kommenden Montag will die SPD ihre sieben Ministerinnen und Minister für die künftige Bundesregierung bekanntgeben. Vorausgesetzt, die SPD-Mitglieder haben sich für den ausgehandelten Koalitionsvertrag ausgesprochen - die Verkündung der Abstimmung wird für heute erwartet.
Schaltgespräch Pira & Gökdemir
Schauspieler Paul-Maximilian Pira hält Wolfram Weimer für ungeeignet als Kulturstaatsminister und hat eine Petition gestartet - über 18.000 Menschen haben bereits unterzeichnet.30.04.2025 | 4:45 min

Reichinnek: Koalitionsvertrag der sozialen Kälte

"Für mich ist das ein Koalitionsvertrag der sozialen Kälte", so die Co-Fraktionsvorsitzende von Die Linke im Bundestag, Heidi Reichinnek, bei "Markus Lanz". Sie sah zwar viele Forderungen und Versprechungen, aber keine konkreten Zusagen, wie das alles finanziert und umgesetzt werden soll.

Was bedeutet das jetzt? Wie viel wird zum Beispiel investiert und was genau wird gemacht, damit dieser Wohlstand, den wir alle erreichen wollen, auch wirklich fair auf die Gesellschaft verteilt wird? Dazu findet sich wieder nichts.

Heidi Reichinnek, Die Linke

Unionsminister
Die Union hatte am Montag ihre Minister für eine zukünftige Regierung vorgestellt.29.04.2025 | 2:38 min
Auch die gerade von der Union vorgestellten Bundesminister und Bundesministerinnen sieht Reichinnek äußerst kritisch.
Die Linken-Chefin, Ines Schwerdtner, sprach in Berlin von einem "Sammelbecken von Wald- und Wiesenpolitikern und von abgehalfterten Managern und Lobbyistinnen". Reichinnek verteidigte bei "Lanz" diese Einschätzung. "Ja, natürlich. Meine Parteivorsitzende. Sehr kluge Frau."
Martin Florack | Politikwissenschaftler
"Regierungserfahrung ist bei der Minister-Besetzung Mangelware. Das muss aber nicht zum Erfolg führen, wie die Ampel gezeigt hat", sagt Politikwissenschaftler Prof. Martin Florack.29.04.2025 | 4:59 min

Reichinnek: BWL und VWL sind unterschiedliche Disziplinen

"Wenn man sich das Kabinett anschaut, (…) da hat Herr Merz sich diverse Manager und Managerinnen reingeholt, in dem Irrglauben, dass jemand, der ein Unternehmen führen kann, auch Ahnung von Volkswirtschaft hat. Aber BWL und VWL sind zu Recht unterschiedliche Disziplinen."
Beispielhaft für eine Lobbyistin im Kabinett Merz ist für die Linken-Politikerin Katherina Reiche (CDU). Diese war unter anderem von 1998 bis 2015 Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach dieser Zeit arbeitete Reiche als Lobbyistin im Energiesektor. Nun kehrt sie als Bundeswirtschaftsministerin in die Politik zurück.

Katherina Reiche ist auf jeden Fall eine Lobbyistin.

Heidi Reichinnek, Die Linke

Reichinnek unterstellte der CDU-Politikerin beziehungsweise Energiekonzernen: "Großkonzerne, die gerade auch vom Thema Gas profitieren, die werden sich die Hände reiben." Weil sich, so Reichinnek, Reiche unter anderem für alle "Farben von Wasserstoff" ausspricht - also auch dem klimaschädlichen blauen.

Eigentlich ist Wasserstoff immer Wasserstoff. Allerdings unterscheiden sich die Herstellungsverfahren, bei denen etwa Wasserdampf oder Strom die Energie liefern. Um am Namen die Art der Herstellung ablesen zu können, hat man Farben gewählt - wohlgemerkt nur für die Bezeichnung. Eingefärbt wird nichts.
  • Man spricht von "grauem" Wasserstoff, wenn bei der Herstellung das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) entweicht.
  • Wird das Kohlendioxid gespeichert, bezeichnet man ihn als "blau".
  • Wird dabei fester Kohlenstoff gewonnen, wird der Wasserstoff "türkis" genannt.
  • "Grüner" Wasserstoff wird klimaneutral mit Hilfe von Ökostrom produziert. Bei dieser sogenannten Elektrolyse wird unter Einsatz von grünem Strom das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten.

Herbert Diess: "Die Wirtschaftsministerin finde ich stark"

Der Ex-Vorstandsvorsitzende der VW AG, Herbert Diess, hingegen verteidigte die Nominierung von Diplom-Chemikerin Katherina Reiche.

Die Wirtschaftsministerin finde ich stark, weil wir da mal eine Naturwissenschaftlerin haben.

Herbert Diess, Ex-Vorstand von VW

Friedrich Merz, künftiger Bundeskanzler und Vorsitzender der Christlich Demokratischen Union (CDU/CSU-Fraktion), spricht während der Bundestagssitzung der CDU im ESTRELL Hotel am 28. April 2025 in Berlin.
Die geplante Besetzung der Posten im Merz-Kabinett sorgt für Diskussionen: Mangelnde Diversität, wirtschaftsnahe Besetzungen - welche Personalien besonders überraschen.29.04.2025 | 2:23 min
Für die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin, Melanie Amann, war nicht nur die Nominierung von Reiche, sondern auch die von Karsten Wildberger zum Digitalminister "eine ungewöhnliche Wahl".
Wildberger war bisher Vorstandschef des Ceconomy-Konzerns und Vorsitzender der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding, der Betreiberfirma der Elektrowarenhäuser Mediamarkt und Saturn.
SGS Wolf - Barrett
Die Manager-Minister Reiche und Wildberger stoßen an der Börse auf vorsichtigen Optimismus: Fachlich stark, politisch teils unerfahren – die Erwartungen an das Merz-Team sind hoch.28.04.2025 | 1:40 min
Amann sieht eine Gefahr darin, dass beide Personen lange Zeit "nicht in der Politik waren".

Selbst, wenn du als Manager Erfahrung mit Umstrukturierungen hast und weißt, wie große Einheiten geführt werden müssen. [...] Es ist etwas Anderes, ob du es mit einem Bundesministerium machst.

Melanie Amann, stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin

Amann bilanziert: "Da müssen Leute dabei sein, die wissen, wie Staat und Regierung funktioniert, weil sonst verwalten die sich da erst mal zwei Jahre zu Tode, bevor irgendwas mit Digitalisierung passiert."

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Quelle: dpa

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