Nach Todesfahrt von Mannheim:Polizei zum Umgang mit psychisch kranken Tätern
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Der mutmaßliche Täter von Mannheim litt vermutlich an einer psychischen Krankheit, so die Staatsanwaltschaft. Die Polizei sieht auch Gesundheitsbehörden in der Pflicht.
Am Montag ist ein Mann mit einem Kleinwagen durch eine Fußgängerzone in Mannheim gerast und hat dabei zwei Menschen getötet. ZDF-Reporter Jany berichtet.04.03.2025 | 0:49 min
Alexander S. fuhr am Montag mit einem Auto durch die Fußgängerzone von Mannheim und tötete dabei zwei Menschen. Er handelte vermutlich nicht aus einem politischen Motiv, sondern könnte psychisch krank sein. Dafür sieht die Staatsanwaltschaft Mannheim konkrete Anhaltspunkte.
Er wäre nicht das erste Mal, dass ein mutmaßlicher Täter aufgrund einer psychischen Erkrankung Menschen angreift und auch tötet. Immer involviert dabei: die Polizei. Jochen Kopelke ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei und berichtet vom Alltag seiner Kolleginnen und Kollegen.
ZDF Frontal: Wie wird die Polizei im Umgang mit psychisch Erkrankten geschult?
Jochen Kopelke: Es gibt spezielle Konzepte und Ausbildungen in der Polizei. Da kommt es auf Kommunikation an, da kommt es auf Empathie an und auch ein bisschen Raffinesse im Dienst, dass man eine gefährliche Situation sofort löst und Gefahr verhindert. Aber so einem mutmaßlichen Täter wie gestern, jemand, der mit einem Auto fährt, begegnet man anders. Da geht es darum, so schnell wie möglich zu intervenieren.
Ein Mann steuerte seinen Wagen wohl bewusst in eine Menschengruppe in Mannheim. Was über den Tatverdächtigen, die Opfer und den genauen Ablauf der Tat bislang bekannt ist.
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ZDF Frontal: Was erleben Sie abseits solcher schrecklichen Taten?
Kopelke: Es gibt viele und komplizierte Einsätze, bei denen die Polizei sehr lange gebunden ist, ohne dass sie wirklich erforderlich ist. Das Problem ist dann oft: Das Hilfesystem im Gesundheitswesen fängt diese Menschen nicht auf und die Polizei muss es dann ausbaden.
ZDF Frontal: Es braucht also mehr Menschen im Gesundheitsdienst?
Kopelke: Gegenfrage: Gibt es genug Ärzte, die in einer Samstagnacht helfen können? Die gibt es meist nicht. Die Gesundheitsdienste sind überhaupt nicht dafür ausgelegt, auch nachts sofort zu intervenieren und zu helfen. Deswegen kommt da die Polizei ins Spiel. Und das ist das große Manko.
Kranke Menschen gehören in ärztliche Obhut und nicht in polizeiliche.
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Jochen Kopelke, GdP-Vorsitzender
ZDF Frontal: Können Sie ein Beispiel nennen?
Kopelke: Manchmal fahren wir einfach nur mit dem Krankenwagen von A nach B, weil niemand anders diese Menschen transportiert.
Wir sitzen stundenlang und bewachen jemanden, damit ein Arzt endlich aus dem Bett kommt und sich um diese Menschen kümmert. Das bindet Polizeiressourcen an anderen Stellen.
Die Tat von Mannheim hat die Laune bei vielen Rosenmontags-Fans gedämpft. Vollständige Sicherheit gibt es nicht. Kann und will man trotzdem weiterfeiern? Nachfrage in Düsseldorf.
Jenifer Girke, Düsseldorf
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ZDF Frontal: Die Frage nach dem Umgang mit Menschen mit psychischer Erkrankung nach schlimmen Gewalttaten ist nicht neu. In Aschaffenburg griff ein Mann eine Kindergartengruppe an und tötete dabei einen Zweijährigen und einen 41 Jahre alten Mann. Ein Gutachten zeigt: Der mutmaßliche Täter ist aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung wahrscheinlich nicht schuldfähig. Was ist seitdem passiert?
Kopelke: Nach Aschaffenburg gab es eine Sondersitzung der Innenministerkonferenz und es kam die Frage auf: Wie kann man dem begegnen? Wir erkennen Gefährder, wir erkennen Terroristen, wir erkennen Hooligans, aber wir erkennen bestimmte Menschen in Ausnahmesituationen nicht.
Ein Ergebnis: Die Innenministerkonferenz möchte, dass sich Gesundheitsministerien und Gesundheitsbehörden beteiligen. Das braucht es, weil psychisch kranke Menschen viel schneller in der Familie oder beim Arzt auffällig werden, bis die Polizei sie jemals zu sehen bekommt. Darin liegt die eigentliche Aufgabe einer solchen Arbeitsgruppe: Wie kann man früher Gefahren von psychischen Erkrankungen erkennen, damit es eben nicht zu einem Anschlag oder einer Amoktat kommt?
ZDF Frontal: Dann sollte das persönliche Umfeld - insofern es vorhanden ist - genauer hinschauen?
Kopelke: In der Familie werden psychische Erkrankungen oft viel eher erkannt als beim Arzt oder der Polizei. Die Familien müssen ihren Angehörigen helfen, sie gegebenenfalls in ärztliche Obhut bringen. Es ist also auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe im Umgang mit psychischen Erkrankungen.
Das Interview führte Julia Klaus, Redakteurin bei ZDF Frontal
Quelle: dpa
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