Nach Todesfahrt in Mannheim:Innenminister Strobl verteidigt Ermittler
von Sven Class und Luisa Houben
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Während sich Innenminister, Staatsanwalt und LKA-Chef Fragen von Abgeordneten stellen, schweigt der mutmaßliche Täter weiter. Die Trauer in Mannheim ist allgegenwärtig.
"Mannheim hält zusammen" heißt es auf einem Schild, das die Stadtverwaltung aufgestellt hat. Es steht auf dem Paradeplatz, gleich neben der Fußgängerzone, durch die ein 40-jähriger Deutscher am 3. März mit seinem Auto gerast war.
Er tötete zwei Menschen, verletzte 14 weitere. Umrahmt ist dieses Schild von unzähligen Kerzen und Blumen. Immer wieder bleiben Menschen stehen, gedenken der Opfer, trauern.
Seelsorger führen mehr als 700 Gespräche
Martina Lenz spricht von einer tiefen Verletztheit und Betroffenheit, die sie seit "dem schrecklichen Ereignis" in der Stadt spürt. Sie hat in den letzten rund zwei Wochen 60 Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger koordiniert, die an vielen Stellen der Stadt für alle ansprechbar waren: "Diese Gespräche dauerten 15 Minuten, vielleicht auch mal eineinhalb Stunden, wo konkret gefragt wurde: Was kann ich jetzt tun?"
Vielen reicht ein offenes Ohr. Alle anderen vermittelt das Team in weitergehende Hilfsangebote.
Die Ermittlungen gehen währenddessen weiter. Bis zu 100 Beamte seien an der lückenlosen Aufklärung der Ereignisse beteiligt, sagt der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) heute vor dem Innenausschuss des Landtages. Mehr als 300 Vernehmungen habe es bereits gegeben. Der mutmaßliche Täter allerdings schweigt weiter. Es gibt nach wie vor keine Erkenntnisse zu seinem Tatmotiv.
Kritik an Kommunikation der Ermittler
Schon kurz nach der Tat gingen die Ermittler davon aus, dass eine psychische Erkrankung des Mannes Auslöser für die Todesfahrt war. Daran wurde schnell Kritik laut: Die Ermittler hätten in der Öffentlichkeit zu schnell geäußert, dass es keine Anhaltspunkte für eine politische oder extremistische Motive gäbe - und das, obwohl ihnen früh Kontakte des mutmaßlichen Täters in rechtsextreme Kreise bekannt waren.
Strobl widerspricht vehement: "Weder die mit den Ermittlungen beauftragten Sicherheitsbehörden noch die Staatsanwaltschaft und schon gar nicht der Innenminister haben irgendjemanden oder irgendetwas abgestempelt oder sich für irgendetwas zu wenig interessiert. Das ist schlicht eine Unterstellung, die jeglicher Substanz entbehrt", sagt er.
Vorwürfe, die Polizei sei auf dem rechten Auge blind, sind haltlos.
Thomas Stobl (CDU), Innenminister Baden-Württemberg
Die antifaschistische Rechercheplattform "Exif" hatte mögliche Verbindungen des mutmaßlichen Täters ins rechtsextreme Milieu öffentlich gemacht.
Teile dieser Recherchen seien den Ermittlern zuvor schon bekannt gewesen, sagt LKA-Präsident Andreas Stenger, anderen Ergebnissen ginge man nach und sei dazu mit Behörden aus anderen Bundesländern im Austausch.
Ermittlungen laufen weiter in alle Richtungen
90 Minuten dauert die Befragung von Innenminister, LKA und Staatsanwaltschaft. "Erhellend", fand sie der SPD-Abgeordnete Sascha Binder, Innenpolitischer Sprecher der SPD, der größten Oppositions-Fraktion des Landtags. Er sieht derzeit keinen Anhaltspunkt, dass ein mögliches politisches Motiv und Kontakte in die rechtsextreme Szene nicht ausreichend durchleuchtet werden:
Da der Staatsschutz nach wie vor in die Ermittlungen involviert ist, habe ich bisher keine Zweifel daran, dass dieser Aspekt außenvorgelassen wird.
Sascha Binder, Innenpolitischer Sprecher SPD-Fraktion Baden-Württemberg
Und doch bleibt er kritisch: Es wäre sinnvoller gewesen, nach der Tat "einfach zu sagen, dass in alle Richtungen ermittelt wird", sagte er dem ZDF. "Man kann nicht sechs Stunden nach der Tat irgendetwas ausschließen."
Die Ermittler sind unterdessen weiter dabei, den Tathergang minutiös aufzubereiten - erstellen dazu auch mit Hilfe von Videos von Passanten und Überwachungskameras einen Film, der die komplette Fahrt durch die Fußgängerzone zeigen soll. Außerdem sei ein Sachverständiger beauftragt, die Schuldfähigkeit des mutmaßlichen Täters zu beurteilen.
Die Ermittler hoffen nun, dass der Beschuldigte sich ihm gegenüber äußert, um der Frage nach dem Tatmotiv näher zu kommen. Sie treibt auch in Mannheim nach wie vor viele Menschen um.
Quelle: dpa
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