CDU-Parteitag: War was? Merz setzt jetzt auf Wirtschaft
Analyse
Nach Migrations-Debatte:War was? Merz setzt jetzt auf Wirtschaft
von Kristina Hofmann
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Anträge mit AfD-Stimmen, Demos überall: All das kratzt nicht am Selbstbewusstsein der CDU. Kanzlerkandidat Merz und die Partei sind mit sich zufrieden. Jedenfalls öffentlich.
Nach der massiven Kritik an ihrem Kanzlerkandidaten in den vergangenen Tagen gab es auf dem CDU-Parteitag Rückendeckung für Friedrich Merz - auch von CSU-Chef Söder.04.02.2025 | 2:34 min
War was? Geht es nach der CDU, dann eigentlich nichts Besonderes. Jedenfalls soll der Parteitag an diesem Montag, 20 Tage vor der Bundestagswahl, das ausstrahlen. Die Partei gibt sich geeint, zuversichtlich. Alles, was in der vorigen Woche war, soll offensichtlich nicht mehr so wichtig sein: Das gemeinsame Abstimmen der Union mit der AfD im Bundestag und die Demonstrationen in vielen Städten seitdem.
Merz: "Heute legen wir den Grundstein"
Die Choreografie funktioniert. Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender Friedrich Merz kann sich schon seit dem Beginn des Parteitages über lauten Applaus, Schilder mit "KANNzler", Jubel und freundliche Worte überall freuen. Knapp drei Wochen vor der Wahl war mit großer Selbstkritik allerdings auch kaum zu rechnen.
Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl hat die CDU ein „Sofortprogramm“ für den Fall einer Regierungsübernahme beschlossen - auf einem Parteitag, der von Protesten begleitet war.03.02.2025 | 2:30 min
Ohnehin trägt die CDU innerparteilichen Ärger ungern auf der großen, öffentlichen Bühne aus. Zumal die Erfahrung vor vier Jahren noch in den Kleidern steckt: der Streit mit CSU-Ministerpräsident Markus Söder, das Lachen des Kanzlerkandidaten Armin Laschet an der falschen Stelle. Schnell kann ein sicher geglaubter Vorsprung dahinschmelzen.
Das weiß auch Merz und sagt: "Heute legen wir den Grundstein für unseren Wahlsieg." Selbst wenn es seit voriger Woche vielleicht hier und da in der Partei grummeln mag, der Aufstand fiel aus. "Danke für die Standhaftigkeit in den letzten Tagen", sagt Merz in einer Rede, die kein Öl ins Feuer der Kritiker mehr gießt. Und als er sein Mantra wiederholt, dass es mit der AfD keine Zusammenarbeit geben werde, gibt es Applaus im Stehen, Klatschmarsch, alle Jubelschilder werden hochgehalten, damit es keiner Kamera verborgen bleibt. Merz sagt:
Wir werden mit der AfD nicht zusammenarbeiten, vorher nicht, nachher nicht, niemals.
Durch die jubelnden 956 Delegierten kann Merz vermutlich nur schlecht oder nicht sehen, dass sich in der letzten Reihe ein paar Demonstranten trotz der vielen Sicherheitsvorkehrungen reingemogelt haben und einen Schriftzug "Brandmauer" in die Höhe halten. Doch nach wenigen Minuten ist dieser Protest wieder vorbei.
Die CDU zeigt sich auf ihrem Parteitag demonstrativ geschlossen – stärkt ihrem Kanzlerkandidaten Merz den Rücken. Wulf Schmiese zu den Hintergründen.03.02.2025 | 1:03 min
Seine Kritik an den Tausenden Demonstranten haben sie vielleicht nicht mehr gehört.
Wo sei denn "der Aufstand der Anständigen" gewesen, sagt er, als in den vergangenen Wochen Palästinenser-Flaggen geschwenkt und Israel-Flaggen gebrannt hätten?
Ihr habt euch im Thema geirrt.
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Friedrich Merz, Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef
Es gelte nun, Kurs zu halten. Die Mehrheit, glaubt Merz, stütze die Union in der Migrationspolitik. Mit welcher Partei er diesen nach der Wahl durchsetzen will, beantwortet er nicht. Nur so viel: "Das wird nicht einfach." Das Wichtigste sei, "Abstand zu allen anderen Parteien" zu erreichen.
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Söder gibt den Angreifer
Am Ende ist der Applaus für die Rede von Merz, die sich lange in der Geschichte der CDU aufhielt, enthusiastischer als seine Ausführungen selbst. Für die Witze, für die Motivation, für den demonstrativen Zusammenhalt war CSU-Chef Markus Söder nach Berlin gekommen. Und auch für das scharfe Abgrenzen gegen die Grünen. Robert Habeck, sagt Söder, könne keine Wirtschaft.
Ich will ihn nicht am Küchentisch, ich will ihn nicht auf der Regierungsbank, ich will ihn auf der Oppositionsbank sehen.
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Markus Söder (CSU)
Da klatschen die Delegierten wieder begeistert. Die Strategien, den Fall der Brandmauer vergessen zu machen, scheinen aufzugehen.
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Drei Strategien für das Vergessen
Strategie eins: Demonstrationen ja, aber Verurteilen der Gewalt gegen CDU-Geschäftsstellen, sogar eine Morddrohung gegen eine Mitarbeiterin soll es gegeben haben. "Demonstrationen sind wichtig", findet Generalsekretär Carsten Linnemann. Aber bei Gewalt "hört es auf". Das werden so oder so ähnlich einige Delegierte im Laufe des Parteitages sagen. Und jedes Mal, wenn das Wort "Geschäftsstelle" fällt, wird wieder laut geklatscht.
Strategie zwei: Merz danken, dass er es versucht hat, Änderungen in der Migrationspolitik durchzusetzen. Selbst wenn der Fünf-Punkte-Plan nur eine Empfehlung ohne Wirkung war und das Gesetz zur Begrenzung des Familienzuzuges durchfiel, weil Stimmen aus 16 Union und 23 FDP fehlten und eine Neuverhandlung mit SPD und Grünen scheiterte. "Danke, dass Du gestanden hast", sagt Linneman.
Eine Woche vor der Bundestagswahl grenzten sich Merz, Scholz und Habeck in einer TV-Runde klar von der AfD ab. Alle News zur Bundestagswahl im Liveblog.
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Und Linnemann ist nicht der einzige, der sich mit den Worten vom Stehen bedankt, auch dieser Satz fällt öfter. Schatzmeisterin Julia Klöckner meint: "Lautstärke ist nicht immer die Mehrheit." Söder setzt noch einen drauf: Der Freitag sei "ein steiler Move" von Merz gewesen. So viel Strategie habe er "dem Friedrich" nicht zugetraut.
Strategie drei: Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema lenken. Auffällig, wie viele heute lieber über die Wirtschaft reden, über die steigende Zahl der Arbeitslosen, die hohen Energiepreise. Fraktionsvize Jens Spahn wirft Rot-Grün - die FDP spart er aus - vor, die deutsche Wirtschaft in drei Jahren von der Champions League in die Kreisliga geführt zu haben. Im heute beschlossenen Sofortprogramm kommt das Thema Migration erst im hinteren Teil.
Gegenstimmen? Kritik? Fehlanzeige
Vielleicht charakterisiert den Parteitag auch das: Als das Sofortprogramm beschlossen wird, ist ein großer Teil der Delegierten auf der Toilette, am Kaffeestand, unterhält sich vor der Halle, in der Halle. Die hochgehaltenen Stimmkarten bei der Abstimmung zählt niemand so genau, die Mehrheit war ohnehin sicher.
Nach der turbulenten Woche im Bundestag wird der Beginn des CDU-Parteitags von Demonstranten begleitet. Rückendeckung für Merz gibt es von Parteifreunden und der CSU.03.02.2025 | 1:27 min
Ein Mini-Schimmer von Kritik kommt von Karl-Josef Laumann, Sozialminister in Nordrhein-Westfalen: In den kommenden 20 Tagen müsse die CDU "die Menschen in den Blick nehmen, die in der Produktion tätig sind". Vor allem die, die in den energieintensiven Branchen arbeiten und sich um ihre Arbeitsplätze sorgten. Und die, die keine üppigen Löhne und Gehälter beziehen. Die CDU sei "Freund der fleißigen Menschen", sagt Laumann. Die Vehemenz, mit der er diesen Satz vorträgt, zeigt, dass er da eine Lücke sieht.
So offen sind nicht alle, andere gehen eher auf Tauchstation. Daniel Günther aus Schleswig-Hostein hätte eigentlich neben Hendrik Wüst und Boris Rhein in die erste Reihe der Ministerpräsidenten gehört. Doch Günther sitzt weiter hinten, geht nicht ans Mikrofon, nicht am Ende mit auf die Bühne.
Kein Wort zu "Brandmauer"-Appell
Auch zu etwas anderem kein Wort: Am Morgen hatten 145 Organisationen an die Delegierten appelliert, sich zur "menschenrechtlichen Brandmauer" zu bekennen. Darunter Organisationen, die zur Kernklientel der CDU gehören: Caritas, Brot für die Welt, die AWO, die Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Jugendsozialarbeit, die Evangelische Landeskirche im Rheinland, eine der größten in Deutschland.
"War gut heute", sagt am Ende des Parteitages ein zufriedener Generalsekretär Linnemann. Ob er recht hat, wird sich zeigen. Bundestagswahl ist in drei Wochen.
Welche Partei führt in den Umfragen zur Bundestagswahl? Wen hätten die Deutschen am liebsten als Kanzler? Welche Koalitionen wären möglich? Die wichtigsten Zahlen im Überblick.
von Robert Meyer
Quelle: dpa
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