Rente: Wirtschaftsweiser für höheres Eintrittsalter

    Interview

    Kritik an Koalitionsvertrag:Rente: Wirtschaftsweiser für späteren Eintritt

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    Drückt sich die künftige Regierung vor einer Rentenreform? Und was wäre für mehr Gerechtigkeit nötig? Der Wirtschaftsweise Martin Werding ist für langsame, aber mutigere Schritte.

    Prof. Martin Werding | Mitglied Sachverständigenrat Wirtschaft
    "Das Rentensystem fortsetzen", aber Beiträge müssen langsam umgeschichtet werden, sagt Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft.16.04.2025 | 10:16 min
    Der Wirtschaftsweise Martin Werding hat sich beim Thema Rente für eine langsame Heraufsetzung der Regelaltersgrenze ausgesprochen. "Ich betone: langsam", sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Dabei gehe es in Vorausberechnungen etwa um ein halbes Jahr pro Jahrzehnt. "Also wenn wir 2031 das Alter 67 erreicht haben, dann sind wir Anfang der 40er Jahre bei 67,5, Anfang der 50er bei 68."
    Insgesamt sei die Rente ein unangenehmes Thema für die Politik, sagte Werding.

    Es ist für die Politik heikel mit den vielen älteren Wählerinnen und Wählern an das Thema ranzugehen.

    Martin Werding, Wirtschaftswissenschaftler

    Bundestag
    Auch die künftige Regierung hat, wie ihre Vorgänger, keinen Plan zur Rentenreform vorgelegt. Dabei sind die Finanzierungsprobleme dringend. Und es fehlt an Konzepten für die nächste Generation.16.04.2025 | 2:43 min

    Werding: Kann so nicht weitergehen

    Zudem sei es in den vergangenen zehn bis 15 Jahren "zu gut" in Deutschland gelaufen, betonte der Experte.

    Die Demografie hat eine Atempause gemacht, die Arbeitsmärkte haben geboomt. Das hat den Druck aus dem System genommen.

    Martin Werding, Wirtschaftswissenschaftler

    Die Beitragssätze seien konstant geblieben, sodass auch jetzt viele glaubten, es könne so weitergehen. "Und das stimmt nicht."
    Es sei zu hoffen, dass die Älteren zu Kompromissen bei der Lastenteilung zwischen Alt und Jung bereit seien, betonte der Wirtschaftswissenschaftler. Gleichzeitig würden viele Jüngere denken, dass ihnen steigende Renten nützen würden - das sei nicht richtig. Sie zahlten lange für die Umlagerente, sodass ihnen Mittel für ergänzende Vorsorge fehlten.

    Diese Umschichtung, die müssen wir im demografischen Alterungsprozess einfach hinbekommen.

    Martin Werding, Wirtschaftswissenschaftler

    Ulrike-Malmendier
    "Für mich fehlt da etwas der Mut zur großen Reform", sagt auch Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Ulrike Malmendier über die Rentenpläne von Schwarz-Rot.10.04.2025 | 5:54 min

    Koalitionsvertrag fixiert Sicherungsniveau bis 2031

    Der Wirtschaftsweise sprach sich generell für eine Fortsetzung des Rentensystems aus. "Ich würde da auch gar nicht von einem Kollaps reden wollen. Aber vorsichtig mit Klugheit fortzusetzen, sodass es bezahlbar bleibt und die Jungen eben Mittel übrig haben."
    Der Koalitionsvertrag enthalte auch "kleine gute Nachrichten": Etwa die Fixierung des Sicherungsniveaus bis 2031. Union und SPD haben im Entwurf des Koalitionsvertrages vereinbart, dass bis 2031 ein Rentenniveau in Höhe von mindestens 48 Prozent eines Durchschnittslohns sichergestellt wird. Dies hatte die SPD gefordert, gilt aber auch in Ostdeutschland als wichtig, weil dort Rentnerinnen und Rentner fast ausschließlich von ihren Bezügen aus der gesetzlichen Rentenversicherung leben müssen.
    So viele Beitrags­zahlende kommen auf 100 Rentner*innen

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    Mit der Fixierung bis 2031 habe Schwarz-Rot aber auch die Verantwortung bei der übernächsten Regierung abgeladen, betonte Werding. "Nach 2031 wird die Relation neu justiert", hatte der designierte Kanzler Friedrich Merz kürzlich betont und hinzugefügt: "Wir stellen das System um". Er verwies auf eine Reform der Riester-Rente, den Aufbau einer kapitalgedeckten Rentensäule sowie die sogenannte Frühstartrente ab dem 1. Januar 2026.
    Frust mit Koalition
    Aufschwung der Wirtschaft, Bürokratieabbau und Wende in der Migration, all das hatte Friedrich Merz vor der Wahl versprochen. Jetzt steht der 144-seitige Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Wie kommt er bei den Wählern an?12.04.2025 | 6:53 min

    "Frühstart-Rente" und "Aktivrente"

    Im Koalitionsvertrag ist zum Thema Rente außerdem festgelegt, dass Beschäftigte nach 45 Berufsjahren wie bisher vorzeitig in Rente gehen können und das Rentenalter von 67 Jahren nicht weiter erhöht wird. Neu dazu kommen soll eine "Frühstart-Rente": Für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, sollen pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot fließen.
    Auch eine "Aktivrente" und bessere Mütterrenten für Frauen mit Geburten vor 1992 sind geplant. Die Mütterrente soll mit drei Rentenpunkten für alle gelten, unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder. Auch das soll aus der Steuerkasse gezahlt werden. Hinter dem Begriff "Aktivrente" steckt, dass Ältere, die jenseits des Rentenalters noch weiterarbeiten, ihr Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei erhalten sollen.
    Das Interview führte Eva-Maria Lemke, ausgewertet wurde es von Katia Rathsfeld.
    Quelle: ZDF, dpa, AFP

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