Habeck im ZDF: Kritik an Migrations-Vorschlägen von Merz
Grünen-Kanzlerkandidat:Habeck: "Gibt nicht die eine Mitte"
von Stefanie Reulmann
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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck beschreibt sich im ZDF als Stabilisator der Mitte. Beim Thema Migration will er einen anderen Kurs als sein Kontrahent Friedrich Merz fahren.
Habecks Interview in der ZDF-Sendung "Was nun?" in voller Länge10.02.2025 | 23:37 min
Laut der aktuellsten Umfrage des ZDF-Politbarometers liegen die Grünen in der Sonntagsfrage bei 15 Prozent und teilen sich damit gemeinsam mit der SPD den dritten Platz. Die Union führt mit 30 Prozent vor der AfD mit 20 Prozent.
Reelle Chancen auf das Kanzleramt haben die Grünen wohl nicht mehr. Spielt der Kanzlerkandidat Robert Habeck trotzdem immer noch auf Sieg?
"Immer", sagt er in der ZDF-Sendung "Was nun?". "Und ich würde das Deutschland auch empfehlen, dass wir nicht nur versuchen, nicht zu verlieren", so Habeck. "Das hat uns in schwierige Lagen gebracht. Wir müssen auch gewinnen wollen, das gilt auch für mich." Auf die Frage, ob er nach wie vor die Kanzlerschaft anstrebe, sagt Habeck im ZDF: "So ist das."
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Grünen-Kanzlerkandidat kritisiert Abstimmung mit der AfD
Das Vorgehen von CDU/CSU im Bundestag, Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen, kritisierte er. "Ich wäre froh gewesen, wir hätten die Abstimmung, also das gemeinsame Abstimmen von Union, FDP und AfD nicht gehabt."
Kurz nach dem Fünf-Punkte-Plan von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zur Migration hat Habeck einen eigenen 10-Punkte-Plan vorgelegt. Dieser sei aber nicht die Antwort auf Merz, sagt der Grünen-Kanzlerkandidat, "sondern die Antwort auf die Sicherheitsproblematik, die ja jedem erkennbar war nach den Morden von Aschaffenburg und den Morden davor".
Die Forderungen von Merz zu Zurückweisungen an den Grenzen und dauerhaften Grenzkontrollen wäre ein Konzept nach dem Motto "Germany first". "Das wird ein Europa, das auseinanderfallen würde", warnt Habeck. Statt sich über das Recht hinwegzusetzen, müsse man "Recht einhalten, Recht durchsetzen", und das gemeinsame europäische Asylsystem sei ein solches Recht, was im Einklang mit Europarecht stehe.
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Habeck will auf Integration setzen
Statt auf Zurückweisungen und Grenzschließungen setze Habeck vermehrt auf Integration. Die Integrationsfrage sei "nicht genug und nicht hart genug" gestellt worden, sagt er. Zu viele Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss, es werde zu wenig dafür getan, die Menschen in Arbeit zu bringen. Das sei "in der Vorgängerregierung der Großen Koalition konsequent verhindert" worden.
Er fordert deshalb, man müsse die Menschen, die über die geregelte Migration herkommen, "in den Arbeitsmarkt bringen", auch die Geflüchteten, statt sie im Asylsystem zu belassen. Habeck nennt es eine "Lebenslüge der Großen Koalition", dass davon ausgegangen wurde, dass die "vielen Millionen Flüchtlinge", die hier sind, alle schnell wieder weggehen würden.
In dem Zusammenhang verteidigt Habeck auch den vielfach kritisierten Familiennachzug. Das sei "ein ganz kleines Kontingent in Deutschland für die subsidiär Geflüchteten". Es sei ein Integrationsinstrument für Menschen, die hier länger leben und sich gut integriert hätten. Sie kriegen "manchmal auch die Erlaubnis, ihre Familien, ihre Frauen, ihre Kinder nachzuholen", sagt er.
Das Wirtschaftskonzept der Grünen weise in die richtige Richtung, sagt Ökonom Prof. Clemens Fuest. Das Ganze sei aber zu planwirtschaftlich orientiert.10.02.2025 | 6:29 min
Kritik am Wirtschaftsminister
Kritik gibt es auch an seiner Arbeit als Wirtschaftsminister, auch weil Deutschland jetzt vor einem dritten Jahr der Rezession steht. Habeck sagt: "Deutschland ist in einer strukturellen Wirtschaftskrise. Das muss man so hart sagen." Der Ausstieg aus russischem Gas habe das Land zwar weniger getroffen als erwartet, dafür sei vieles "nicht stark genug, nicht radikal genug und nicht entschieden genug" angegangen.
In den Bereichen Bürokratieabbau, Arbeitsmarkt und auch bei den Investitionsmöglichkeiten in Deutschland, wo die Steuerlast höher als im europäischen Vergleich ist, müsse man aufholen.
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Sorgen machen dem Wirtschaftsminister auch die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle. Diese würden zu einer Verteuerung der Produkte führen, sagt Habeck. "Wenn die Produkte teurer werden, werden weniger verkauft, und eine Exportnation wie Deutschland leidet darunter in einem besonderen Maße."
Zölle sind in der Regel Abgaben, die beim Import, also bei der Einfuhr, von Waren erhoben werden. Landläufig ist auch von Schutzzöllen oder Strafzöllen die Rede - das liegt immer im Auge des Betrachters:
Wer die Zölle verhängt, spricht eher von Schutzzöllen, die die eigene Wirtschaft oder Sicherheit schützen.
Der Geschädigte hingegen spricht eher von Strafzöllen, weil er sich als Konkurrent bestraft fühlt.
Zölle können aber auch beim Export aus einem Staat oder Wirtschaftsraum heraus anfallen, dann spricht man von Ausfuhrzöllen.
Einfuhr- oder auch Importzölle sollen heimische Industrien vor fremder Konkurrenz schützen, indem sie deren Güter verteuern. Das schadet der Wettbewerbsfähigkeit ausländischer Waren auf dem heimischen Markt. Konsumenten greifen dann eher zu Produkten aus dem Inland.
Ein Beispiel: Die EU erhebt seit Ende Oktober 2024 Extrazölle auf Elektroautos aus China. Die Europäische Kommission will damit die Zukunft der Autoindustrie in der EU sichern. Sie kam bei einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass chinesische Hersteller von unfairen Subventionen profitieren, die ihnen einen erheblichen Vorteil auf dem europäischen Markt verschaffen.
Ausfuhrzölle können als Einnahmequelle für einen Staat dienen oder etwa, um den Export begehrter Güter ins Ausland zu begrenzen. Mittel, um Zölle und andere Handelsbarrieren abzubauen, sind Freihandelsabkommen, etwa beim geplanten Abkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur.
Einfuhrzölle halten Importe von Waren anderer Länder vom eigenen, damit geschützten Markt fern. Das kann die Absatzchancen von Gütern aus Drittländern schmälern und dort den Aufbau von Industrien behindern. Zudem verteuern Zölle Importe.
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel etwa warnte vor den Zollplänen von US-Präsident Donald Trump und bezeichnete sie als möglichen "Wendepunkt für die internationale Handelsordnung". Betroffene Länder könnten zu Vergeltungsmaßnahmen greifen. Zollerhöhungen würden den Konsum teurer machen und die Inflation anfachen. "Das macht uns alle ärmer."
Simone Menne, Präsidentin der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany), verweist darauf, dass hohe Einfuhrzölle Trump und der US-Wirtschaft selbst schaden: "Dann würden die Preise in den USA steigen, die Inflation zunehmen und der Dollar stärker bewertet werden, was die US-Exporte verteuert."
Habeck will "Bündniskanzler" sein
Habeck sieht sich als "Bündniskanzler", hat sich so auch mehrfach so plakatiert. Der Begriff stehe in Anlehnung an die Bundesrepublik Deutschland und meine, die politische Mitte "anders zu stabilisieren" als in der Vergangenheit, nicht als "geometrischen Ort", sondern unter Berücksichtigung von Flexibilitäten und Dynamiken.
Es gibt nicht die eine Mitte, sondern den Zwang zu kooperieren, die Notwendigkeit zu kooperieren. Und das, glaube ich, lebe ich als Person vor.
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Robert Habeck, Grünen-Kanzlerkandidat
Die Fähigkeit zur Kooperation hätten die Grünen bereits in vielen verschiedenen politischen Konstellationen bewiesen, mit der SPD, in der Ampel, aber auch in Landesregierungen mit der Union oder mit der Linken in Thüringen.
"Und das ist der Gedanke, dass wir über den Konflikt zu einem Konsens finden, und damit dieses Land neu von der Mitte aus stabilisieren", erklärt Habeck sein Führungsverständnis.
Welche Partei führt in den Umfragen zur Bundestagswahl? Wen hätten die Deutschen am liebsten als Kanzler? Welche Koalitionen wären möglich? Die wichtigsten Zahlen im Überblick.
von Robert Meyer
Quelle: dpa
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