Milliardenpläne von Union und SPD: Was sagt das Grundgesetz?

    Einigung bei Sondierungen:Milliardenpaket: Was sagt das Grundgesetz?

    von Daniel Heymann und Jan Henrich
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    "Whatever it takes": Vor allem für Verteidigung und Infrastruktur will eine mögliche schwarz-rote Koalition enorme Summen aufbringen. Sind die Pläne rechtlich umsetzbar?

    Markus Söder, Friedrich Merz und Lars Klingbeil laufen durch den Bundestag.
    Union und SPD kündigten nach ersten Sondierungen an, einen 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf für die Modernisierung der Infrastruktur einzurichten.05.03.2025 | 1:17 min
    500 Milliarden Sondervermögen für die Infrastruktur, theoretisch unbegrenzte Kreditaufnahmen für die Verteidigung - es sind gigantische Beträge, die CDU/CSU und SPD in den nächsten Jahren auffahren wollen. Sogar eine allgemeine Reform der Schuldenbremse, von der Union lange strikt abgelehnt, soll bis Ende 2025 kommen.
    Wir klären die wichtigsten Fragen - unter anderem, ob der alte Bundestag noch über die Vorschläge beschließen darf.

    Was ist ein Sondervermögen?

    Zur Erfüllung einzelner Aufgaben kann der Staat Sondervermögen einrichten. Der Mechanismus ist im Grundgesetz explizit erwähnt. Sondervermögen stellen als Nebenhaushalte eine Ausnahme zum sogenannten Jährigkeitsprinzip der Bundesfinanzen dar.
    Das heißt, es können über einzelne Haushaltsjahre hinweg langfristige Aufgaben finanziert werden. Dabei muss es nicht unbedingt zu einer Schuldenaufnahme kommen. Wenn doch, dann greifen allerdings im Normalfall die Regeln der Schuldenbremse.
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    Union und SPD wollen so viele Schulden aufnehmen wie nie: 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren – etwa für Digitalisierung, Bildung, Infrastruktur und Verteidigung. 05.03.2025 | 1:07 min
    Derzeit laufen mehrere Sondervermögen des Bundes, zuletzt kamen unter anderem das Sondervermögen Bundeswehr und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds dazu, letzteres war dazu gedacht, die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern.

    Welche Ausnahmen sieht die Schuldenbremse vor?

    Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz festgelegt und sieht vor, dass staatliche Haushalte ausgeglichen sein sollen und grundsätzlich ohne Kredite auskommen müssen. Der Bund darf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an neuen Schulden aufnehmen.
    Britta Haßelmann spricht neben Katharina Dröge, beide Bündnis 90/Die Grünen, bei einem Statement nach dem Treffen mit dem Unions Kanzlerkandidaten Merz im Bundestag.
    Für das angekündigte Finanzpaket von Union und SPD muss die Politik besonders hohe Hürden überwinden. Allen vorweg Änderungen im Grundgesetz.05.03.2025 | 1:53 min
    Allerdings sieht das Grundgesetz auch Ausnahmen vor. Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen kann die Kreditobergrenze überschritten werden. Die Voraussetzungen sind hierfür jedoch streng, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum "Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021" deutlich gemacht hat.
    Demnach muss ein klarer Zusammenhang zwischen Notsituation und finanzierten Maßnahmen bestehen. Die Kreditermächtigungen müssen auch zeitlich an die Feststellung der Notlage gekoppelt sein. Für weitergehende Ausnahmen bräuchte es eine Änderung des Grundgesetzes.

    Die Schuldenbremse wurde 2009 mit Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat beschlossen und im Grundgesetz verankert. Sie gilt seit 2011, allerdings mit Übergangsfristen.

    Seit 2020 dürfen die Länder demnach keine weiteren Schulden aufnehmen, der Bund muss sich seit 2016 an die strengen Vorgaben halten. Ziel war die langfristige Stabilisierung der Finanzen von Bund und Ländern.

    Was planen Union und SPD konkret?

    Das Paket enthält zunächst drei Maßnahmen, die Schwarz-Rot unmittelbar umsetzen möchte:
    1. Für Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP soll die Schuldenbremse nicht mehr gelten. Theoretisch sind damit unbegrenzte Kreditaufnahmen für die Verteidigung möglich - oder wie CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz es formulierte: "Whatever it takes."
    2. Mit einem Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro über zehn Jahre wollen Union und SPD die deutsche Infrastruktur sanieren. Davon erhoffen sich die Parteien auch Wachstumsimpulse für die Wirtschaft.
    3. Die Länder sollen mehr Spielräume bei der Kreditaufnahme bekommen. Für sie soll fortan die gleiche Neuverschuldungsregel wie für den Bund gelten. Zuvor mussten sie ihren Haushalt im Grundsatz gänzlich ohne Krediteinnahmen ausgleichen.
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    Schließlich haben die Parteien verabredet, die Schuldenbremse bis zum Ende des Jahres grundsätzlich zu reformieren - "damit wir in Zukunft verhindern, dass die Schuldenbremse zu einer Investitionsbremse wird", betonte SPD-Chef Lars Klingbeil.

    Muss das Grundgesetz dafür angepasst werden?

    Ja, das haben Merz und Klingbeil in ihrer Pressekonferenz auch angekündigt. Über die drei Sofortmaßnahmen soll der Bundestag schon in der nächsten Woche abstimmen - in seiner bisherigen Zusammensetzung. Ein politisch ungewöhnlicher Vorgang, der aber von der Verfassung gedeckt ist.
    Denn der neue Bundestag tritt gemäß Art. 39 Grundgesetz spätestens dreißig Tage nach der Wahl zusammen. Bis dahin, also bis zum 25. März, läuft die Wahlperiode des alten Bundestages, eine parlamentslose Zeit gibt es in Deutschland nicht.
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    Für die Änderung des Grundgesetzes braucht es Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Da die Stimmen von Union und SPD im Parlament dafür nicht ausreichen, sind sie auf andere Parteien angewiesen, am wahrscheinlichsten ist eine Zusammenarbeit mit den Grünen.
    Im neuen Bundestag würde diese Konstellation nicht mehr für eine Zweidrittelmehrheit genügen. Um die Schuldenbremse grundlegend zu reformieren, bräuchte eine mögliche schwarz-rote Koalition also neben den Stimmen der Grünen noch einen weiteren Partner - entweder die Linke oder die AfD.
    Daniel Heymann und Jan Henrich arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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