AfD-Erfolg: SPD-Abgeordneter Wollmann denkt ans Wegziehen
Nach AfD-Erfolg in Sachsen-Anhalt:SPD-Abgeordneter Wollmann denkt ans Wegziehen
von Lina Schmidt
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Kann man hier überhaupt noch leben? Diese Frage stellt sich der SPD-Abgeordnete Herbert Wollmann. Er hat seinen Wahlkreis in Sachsen-Anhalt an die AfD verloren.
Ein historisch schlechtes Wahlergebnis für die SPD. Herbert Wollmann muss nun wie viele andere SPD-Abgeordnete sein Büro in Sachsen-Anhalt räumen.27.02.2025 | 2:36 min
Herbert Wollmann entsorgt seine drei Jahre Bundestag und sagt, es tut weh. Dass es schwer wird für seine SPD war dem Vertreter des Wahlkreises Altmark im Norden Sachsen-Anhalts bereits vor der Bundestagswahl klar. Doch dass seine Partei so schlecht abschneidet, sei ein Schock gewesen. "Seit Monaten stagnieren wir bei 16 Prozent. Ich hab gewusst, dass wir in Sachsen-Anhalt überhaupt kein Direktmandat für die SPD mehr erreichen", sagt Wollmann.
Aber dass der Abstand zur AfD so gewaltig ist, habe ich nicht vermutet.
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Herbert Wollmann, SPD-Bundestagsabgeordneter
Beim letzten Mal, 2021, war der Arzt aus Stendal per Direktmandat in den Bundestag eingezogen - mit 27,5 Prozent. Bei dieser Wahl erreichte der SPD-Abgeordnete nur noch 16 Prozent. Das Direktmandat ging an AfD-Kandidat Thomas Korell - mit 39,2 Prozent der Stimmen.
Erststimmen: Ergebnis in Sachsen-Anhalt
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Nun ist es für Wollmann und viele andere SPD-Abgeordnete "ein Abschied auf Raten". Vier Tage nach der Wahl hat er mit dem Packen angefangen. Der 74-Jährige leert Aktenordner, stapelt Büromaterial, nimmt Bilder von der Wand. Etwas weniger als einen Monat ist noch Zeit, dann muss sein Büro leer sein.
"Wenn ich das als persönliche Niederlage nehme, dann komme ich ja nie mehr aus der Depression raus", meint er. Der Wahlkreis Altmark sei besonders vom politischen Bundestrend abhängig. "Das habe ich gewusst, als ich das Direktmandat gewonnen habe und das weiß ich auch jetzt, wo ich es verloren habe."
Deutschland hat gewählt und die Ergebnisse zeigen deutlich, wie unbeliebt die noch regierende SPD mittlerweile ist.24.02.2025 | 1:38 min
Gehen oder bleiben?
Doch dass sich die AfD auf Bundesebene verdoppelt, in seinem Wahlkreis sogar verdreifacht hat, hat den Sozialdemokraten nicht nur nachdenklich, sondern auch misstrauisch gemacht.
Wenn er jetzt in seinem Wahlkreis unterwegs sei, stelle er sich vor, "dass jeder dritte, der mir begegnet, mich abgewählt hat oder der AfD hinterherläuft". Viele sähen nicht, was sie da eigentlich gewählt hätten, sagt Wollmann und verweist auf Extremisten wie den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke und alle, die dahinter kämen.
Da überlegt man manchmal: Willst Du hier überhaupt noch leben? Das muss ich ganz ehrlich sagen.
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Herbert Wollmann, SPD-Bundestagsabgeordneter
Wollmann arbeitete lange als Arzt in einem Krankenhaus. Auch viele ausländische Kollegen dort würden sich jetzt fragen, ob sie noch willkommen seien.
In Wollmanns Büro stapeln sich erste Umzugskisten. In den nächsten Tagen werden sie Zimmer für Zimmer entleeren, dann die Schlüssel abgeben. Das Erste-Hilfe-Set lässt Wollmann erstmal stehen. "Das brauchen wir vielleicht noch." Mit seiner Mitarbeiterin geht er laufende Kosten durch, kündigt Abos und Verträge.
Wer zieht nicht in den Bundestag ein?
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Doch woran lag es nun, dass Wollmann und seine SPD besonders im Osten so dramatisch abgestraft wurden? "Ob wir den richtigen Kanzlerkandidaten hatten, darüber wird trefflich gestritten", sagt er. "Mit Pistorius hätten wir vielleicht fünf Prozent mehr gehabt, aber wir hätten im Osten die AfD auch nicht geschlagen."
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Die Konsequenz? "Wir müssen an bestimmte Personen schon ran. Es kann nicht jeder behaupten, er kann da bleiben, wo er ist, nach diesem Ergebnis und nach diesen drei Jahren Politik", fordert der SPD-Abgeordnete. "Da müssen nicht nur die ausscheiden, die so wie wir, die Rechnung dafür bekommen haben, ohne dass wir dafür richtig was können, sondern auch andere." Mit seiner ruhigen Art sei Lars Klingbeil ein Hoffnungsträger.
Andere Personen müssen sich schon hinterfragen, ob sie noch Sympathieträger sind.
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Herbert Wollmann, SPD-Bundestagsabgeordneter
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Regierungsbeteiligung unbeliebt
Dennoch: Dem Wahlsieger Union bleibt nur die SPD als möglicher Koalitionspartner. Partei- und Fraktionschef Klingbeil hat bereits angekündigt, mit Friedrich Merz (CDU) über eine Regierungsbildung zu beraten. "Jetzt kommt wieder die Keule mit der staatspolitischen Verantwortung", sagt Wollmann. "Sorry, aber wir haben 16 Prozent bekommen. Also so viel Verantwortung traut uns das Volk offensichtlich nicht mehr zu." Die Basis der SPD werde ein großes Wort mitzureden haben. Und da herrsche "unglaublich viel Frust".
Dass bei der Mitgliederbefragung eine Mehrheit für eine Koalition mit Merz herauskommt, "könnte schwierig werden".
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Zwar denkt Herbert Wollmann manchmal übers Wegziehen nach, aber er liebt seine Heimat und will seine politische Tätigkeit auf Kommunalebene fortsetzen. Dort sitzt er bereits im Stendaler Stadtrat und Kreistag. Außerdem möchte er ein Buch schreiben. Über seine Zeit als Notarzt in Berlin-Kreuzberg. "Das will ich endlich mal fertig machen."