Nach Sturz des Assad-Regimes:Droht Geflüchteten aus Syrien Abschiebung?
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Rund eine Million Geflüchtete aus Syrien leben in Deutschland. Wie wirkt sich der Umsturz in ihrem Heimatland auf ihren Schutzstatus aus? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
Rund eine Million Menschen sind seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 nach Deutschland geflohen. Direkt nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes fordern manche Politiker nun eine Rückkehr der Geflüchteten in ihre Heimat. AfD-Bundesvorstand und EU-Parlamentsmitglied Alex Jungbluth fragte bereits die EU-Kommission, wann jetzt eine "Remigration aller syrischen Flüchtlinge in der EU in ihr Heimatland" forciert werde.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stoppte vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge von Syrern, auch Österreich setzte sämtliche Asylverfahren aus dem arabischen Land aus. "In diesem Zusammenhang habe ich das Ministerium beauftragt, ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien vorzubereiten", sagte Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).
Wie ist die Rechtslage in Deutschland? Was bedeutet der Sturz des Assad-Regimes für den Schutzstatus syrischer Flüchtlinge? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
Welchen Schutzstatus haben Geflüchtete aus Syrien in Deutschland?
In der Mehrzahl der Fälle wurde Geflüchteten aus Syrien kein Asyl gewährt, sondern ein sogenannter subsidärer Schutzstatus. Das geschieht, wenn Personen nicht als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden, aber dennoch ernsthaft bedroht sind und Schutz benötigen.
Gründe für einen solchen Schutz sind etwa ein drohendes Todesurteil, Folter, unmenschliche Behandlung oder eine sonstige ernsthafte Bedrohung von Leib und Leben durch willkürliche Gewalt wegen eines Konflikts.
Was bedeutet die Entscheidung des Bamf?
Aktuell legte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge von Menschen aus Syrien auf Eis. Das Bundesamt habe die Möglichkeit, bei einer unklaren Lage Asylentscheidungen zurückzustellen, hieß es vom Bundesinnenministerium. Und dass die Lage derzeit in Syrien unklar ist, sei ja offensichtlich. Praktisch bedeutet das, die Anträge von Syrerinnen und Syrern "werden im Stapel nach unten sortiert und andere Asylentscheidungen vorgezogen".
Das Zurückstellen solcher Anträge sei "ein relativ gängiges Mittel, wenn sich die Situation in einem Herkunftsland gravierend verändert", erklärt der Migrationsexperte Constantin Hruschka, Professor für Sozialrecht an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Es sei aber unklar, was daraus für die Asylpraxis folgt.
Ich halte das für eine sinnvolle Maßnahme, da es dadurch Zeit gibt, die Situation zu analysieren und eine neue Entscheidungspraxis zu definieren.
Constantin Hruschka, Evangelische Hochschule Freiburg
Derzeit seien rund 50.000 Asylanträge von Syrern anhängig, heißt es aus dem Bamf. Deren Bearbeitung wird sich nun voraussichtlich verzögern.
Wie ist die Sicherheitslage in Syrien?
"Die allgemeine Sicherheitslage ist im ganzen Land weiterhin äußerst volatil", schreibt das Auswärtige Amt auf seiner Webseite. Weiterhin kämpften verschiedene militärische Gruppierungen gegeneinander, täglich würden Verletzte und Tote gemeldet.
"Die unmittelbare Verfolgung der Geflüchteten durch das Assad-Regime fällt zwar jetzt weg - aber die meisten haben subsidiären Schutz in Deutschland ja bekommen, weil eine Rückkehr nicht sicher und deshalb nicht zumutbar ist", so Hruschka.
An der unsicheren Lage in Syrien war ja nicht nur das Assad-Regime schuld. Diesen Schutz kann man nur beenden, wenn die Lage in Syrien dauerhaft sicher wäre. Und das ist im Moment nicht absehbar.
Constantin Hruschka, Evangelische Hochschule Freiburg
Was heißt das für den Schutzstatus von Geflüchteten aus Syrien?
Zum jetzigen Zeitpunkt sei es eine "ziemliche hypothetische Frage", ob die syrischen Geflüchteten zurückkehren müssten, erklärt die stellvertretende Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Sonja Kock. Ob der Schutzstatus widerrufen oder nicht verlängert werde, hänge wesentlich davon ab, ob sich die Lage in Syrien dauerhaft verändert habe.
"Diejenigen, die einen Schutzstatus haben, behalten diesen auch erst einmal", erklärt auch Migrationsrechtler Daniel Thym im Gespräch mit ZDFheute live. Erst wenn sich ein stabiles Regime etabliert hätte, könnten die Meschen zurückkehren. Man könne derzeit aber nicht einschätzen, "wie die Lage morgen oder übermorgen ist".
Auch ein Sprecher der EU-Kommission warnte am Montag in Brüssel: Die Bedingungen für eine sichere und würdevolle Rückkehr nach Syrien seien nach derzeitiger Einschätzung nicht gegeben. Die aktuelle Lage sei von großer Hoffnung, aber auch von großer Unsicherheit geprägt. Aus Sicht der Kommission solle es bis auf Weiteres keine Abschiebungen geben.
Eine ähnliche Situation wie jetzt in Syrien habe es auch schon im Irak gegeben, erklärt Hruschka: Nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 und der Bildung einer neuen Regierung seien in Deutschland rasch Widerrufsverfahren für Asylbewerber eingeleitet worden, da die Verfolgungssituation angeblich nicht mehr bestanden habe. "Es hat sich dann aber gezeigt, dass das einfach verfrüht war: Weil man nicht einschätzen konnte, wie sich die Situation weiterentwickelt. Alle Bescheide wurden wieder einkassiert", so Hruschka.
Quelle: Mit Material von AFP, Reuters, dpa, epd
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