Bundeswehr: Wie abwehrbereit Deutschland wirklich ist
Bundeswehr und Zivilschutz:Wie abwehrbereit ist Deutschland wirklich?
von Tobias Bluhm
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Mit 100 Milliarden Euro sollte die Bundeswehr gestärkt werden. Was ist aus dem Sondervermögen geworden? Und wie steht es um den zivilen Bevölkerungsschutz?
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist die Diskussion um Sicherheit, Zivilschutz und Frieden dringlicher geworden. Eva Schulz greift die Sorge vieler vor einer Eskalation des Konflikts auf.05.02.2025 | 30:27 min
Der Lärm ist ohrenbetäubend. Wenn das taktische Luftwaffengeschwader 31 auf dem Nörvenicher Flugplatz sein Training beginnt, weicht die Ruhe der Zülpicher Börde dem Dröhnen von Tornado-Kampffliegern und Eurofightern.
Deutschland müsse wieder "kriegstüchtig werden", hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor knapp eineinhalb Jahren gesagt. Kanzler Scholz sprach nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs von einer "Zeitenwende" und stellte ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zur Verfügung. Für die Soldaten und Soldatinnen in Nörvenich hat sich dadurch der Alltag stark verändert.
Pistorius fordert mehr Geld für die Bundeswehr. Deutschland gebe zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung aus, aber das reiche nicht, so der Verteidigungsminister.14.12.2024 | 0:20 min
Großbestellung für die Luftwaffe
"In der jetzigen Zeit ist es so: Ich stehe zuhause auf, fliege einen Schutzflug an der Nato-Grenze im Osten und komme dann ins Tagesgeschäft nach Hause zurück", erzählt Staffelkapitän "Leri" der Journalistin und Moderatorin Eva Schulz in der neuen ZDF-Dokumentation "Deutschland, warum bist du so?"
Für mich persönlich fühlt es sich so an, als sei der Krieg näher gekommen.
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"Leri", Staffelkapitän im Luftwaffengeschwader 31 "Boelcke"
Leri und seine Staffel sollen besonders vom Sondervermögen profitieren. Insgesamt wurden für die Luftwaffe rund 33 Milliarden Euro verplant, unter anderem für Transporthubschrauber, Raketenabfangsysteme und 35 neue F35-Kampfjets. Sie gelten als die fortschrittlichsten Kampfflugzeuge der Welt und sollen ab 2026 die veralteten Tornados ersetzen. Auch in Nörvenich.
Drei Erfolgsmeldungen von Verteidigungsminister Pistorius: Neue Hubschrauber für die Bundeswehr, KI-Drohen für die Ukraine und Spatenstich für die Produktion von Patriot-Raketen.18.11.2024 | 2:41 min
Bundeswehr beklagt: Zu wenig Finanzen, zu wenig Personal
Kritiker bemängeln jedoch, dass die Bundeswehr weitaus mehr Ressourcen bräuchte. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), hatte in ihrem Jahresbericht 2022 statt 100 Milliarden Euro sogar insgesamt 300 Milliarden gefordert. Zumal nicht allein bei der Ausrüstung, sondern auch beim Personal Aufholbedarf besteht.
Seitdem 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, treten immer weniger Leute den Wehrdienst an. Inzwischen bilden nur noch 182.000 aktive Soldaten und Soldatinnen die Truppe. Pläne des Bundesverteidigungsministeriums sehen vor, dass diese Zahl binnen sechs Jahren auf 203.000 anwachsen soll.
"Das ist aber nicht ausgelegt gewesen für eine Landes- und Bündnisverteidigung, wo wir sehr viel mehr brauchen", so Holger Draber, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr über dieses Personalziel.
100 Milliarden reichen nicht aus, um alle diese Probleme zu lösen. Weder im Ausrüstungsbereich noch in den ganzen anderen Bereichen, die damit zusammenhängen.
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Holger Draber, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr
Laut Bundestagswehrbeauftragten Högl fehlen der Bundeswehr 20.000 Einsatzkräfte. Die Personallage in diesem Zusammenhang, sei das wichtigste Thema in 2025.29.12.2024 | 0:21 min
In dem ZDF-Politikformat "Deutschland, warum bist du so?" blickt die Moderatorin und Journalistin Eva Schulz vor der Bundestagswahl auf diese Themen:
Katastrophenschutz: Aktuell 579 Bunker in Deutschland
Im Verteidigungsfall wäre neben dem Militär aber auch der zivile Katastrophenschutz für Deutschlands Sicherheit entscheidend. Immer wieder stehen dabei Bunkeranlagen im öffentlichen Fokus. 579 Bunker sind derzeit im Besitz des Bundes - die allermeisten in einem nicht funktionsfähigen Zustand. Und selbst wenn, würde noch nicht einmal eine halbe Million Menschen dort Schutz finden.
Besser sei es daher, mehr Schutzräume über die Städte zu verteilen, so Norbert Gebekken vom Forschungszentrum RISK: "Unsere Erfahrungen in der Ukraine zeigen, dass wir uns vor 80 Prozent der Bedrohungen schützen können, wenn wir schützende Räume aufsuchen, auch wenn sie gar keine Schutzräume sind." Das sind etwa "innenliegende Räume, die keine Fenster haben, wie Treppenhäuser".
Und wenn wir im öffentlichen Raum sind, dann haben wir die Möglichkeiten, auch in Tiefgaragen, Keller oder U-Bahn-Stationen zu gehen.
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Norbert Gebekken, Forschungszentrum RISK
Wie werden Bunker in Deutschland genutzt und sind sie einsatzbereit?02.11.2024 | 36:54 min
Das fordern die Parteien beim Thema Verteidigung
Die SPD will mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr ausgeben, um eine "nachhaltige Modernisierung" der Truppe zu bewirken. Sie fordert einen flexiblen Wehrdienst, der auf Freiwilligkeit basiert, und den "Aufbau einer durchhaltefähigen Reserve."
CDU/CSU fordern eine "voll verteidigungsfähige" Bundeswehr mit "adäquater Infrastruktur". Es soll eine Einsatzreserve geschaffen und eine aufwachsende Wehrpflicht eingeführt werden, so dass Deutschland künftig mehr Verantwortung in der Nato übernehmen könne.
Die Grünen wollen die Landes- und Bündnisverteidigung verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit nehmen. Um "unsere Verteidigungsfähigkeit sicherzustellen" seien ein freiwilliger Wehrdienst, Kooperationen innerhalb der EU und Nato und eine leistungsfähige europäische Rüstungsindustrie nötig.
Die Bundeswehr soll laut FDP zur "stärksten konventionellen Streitkraft in Europa" werden, die "in der Lage und willens ist, uns militärisch erfolgreich verteidigen zu können". Hierzu fordern die Liberalen eine bessere Finanzierung und Ausstattung, eine Wehrerfassung sowie die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrats.
Neben besserer finanzieller, materieller und personeller Ausstattung will die AfD die Wehrpflicht und den Ersatzdienst wieder einsetzen. Sie fordert zudem, dass nur noch deutsche Staatsbürger Soldaten werden dürfen. Die Bundeswehr solle zudem "ideell revitalisiert" werden: "Die Bundeswehr muss die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte leben."
Die Bundeswehr soll aus allen Auslandseinsätzen abgezogen werden, fordert die Linke, die das Zwei-Prozent-Ziel der Nato und eine Wehrpflicht ablehnt. Stattdessen soll die Truppe mit geringeren Militärausgaben abgerüstet und zu einer strukturell nicht angriffsfähigen Verteidigungsarmee umgebaut werden.
Das BSW lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr ab, sie soll allein zur Verteidigung im Inland genutzt werden. Höhere Militärausgaben, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato, weitere Aufrüstung sowie die Wiedereinführung der Wehrpflicht lehnt das BSW ab.
Frieden und Sicherheit könnten wahlentscheidend sein
Auch wenn in die Verteidigung seit ein paar Jahren deutlich mehr Geld fließt, reicht das offenbar längst nicht aus. Viele treibt daher um: Wie sicher fühlen wir uns? Was würde uns mehr Sicherheit geben? Aufrüsten oder Verhandeln?
Längst sind diese Fragen zum Wahlkampfthema geworden: Laut ZDF-Politbarometer sind die Themen Frieden und Sicherheit derzeit für die meisten Befragten das entscheidende Thema für die Wahlentscheidung.
Noch vor der Vertrauensfrage im Bundestag haben bereits alle auf Wahlkampfmodus umgeschaltet. Scholz und Merz wollen vor allem mit einem Thema punkten: ihrer Haltung zur Ukraine.15.12.2024 | 4:01 min
Quelle: dpa
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