Hoffnung auf Verhandlungen:NRW liegt lahm: Wie weit geht der Streik noch?
von Jenifer Girke, Düsseldorf
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Verdi erhöht den Druck in den Tarifverhandlungen: In NRW ist der Nahverkehr nahezu lahmgelegt, Kitas bleiben geschlossen. Viele Betroffene nehmen es gelassen.
In vielen Städten in NRW steht der öffentliche Nahverkehr heute still, Kitas bleiben geschlossen. Viele Eltern müssen sich deshalb etwas einfallen lassen. 12.03.2025 | 1:29 min
Vor zwei Tagen wollte niemand Fluggast sein. Und heute will niemand Pendler sein, erst recht nicht in Nordrhein-Westfalen. Denn der öffentliche Nahverkehr steht still. Nicht nur das: Mülltonnen quellen über, Kitas haben höchstens Notbetrieb, Verwaltungen sind geschlossen. Kurzum, fast alle städtischen Bereiche des öffentlichen Lebens scheinen lahmgelegt.
Das nervt einige, aber viele Menschen haben auch Verständnis. "Das sind natürlich Situationen, die jetzt sehr schwierig für uns sind, aber trotzdem, ich verstehe schon, dass die Leute mehr Geld fordern", sagt etwa Mutter Tina Kaub.
Auch Tino Gefke hat gerade sein Kind zur Schule gebracht und meint:
Es lohnt sich auf jeden Fall, mit den Menschen darüber zu sprechen, was angemessen ist und was der richtige Lohn für die richtige Arbeit ist.
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Tino Gefke, Vater
Verdi ruft vor der nächsten Verhandlungsrunde erneut zum Warnstreik auf. Währenddessen versuchen Eltern die Ausfälle von Kitas und Nahverkehr auszugleichen.12.03.2025 | 1:35 min
640.000 Beschäftigte hat Verdi insgesamt in NRW zum Streik aufgerufen, Zehntausende sind heute auf der Straße. Das Ziel der Gewerkschaften: Den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, bevor es am Freitag in die nächste Verhandlungsrunde geht. Geht das Kalkül auf?
Verdi: "Möchten auch Sondervermögen"
Die Forderungen sind klar: acht Prozent mehr Lohn, mindestens 350 Euro mehr pro Monat und drei zusätzliche freie Tage. Die Arbeitgeber-Seite kritisiert, das sei zu teuer - mit Kosten in Höhe von 15 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Forderungen müssten "auf ein realistisches Maß" zurückgestuft werden, fordert Torsten Herbert, Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbands NRW, im ZDF-Interview. Erst dann sei auch eine Einigung mit den Gewerkschaften möglich.
Die öffentlichen Haushalte sind aktuell mit circa 160 Milliarden Euro schon hoch verschuldet.
Gestrichene Flüge, leere Rollfelder: Am Montag legte der Streik bundesweit den Flugverkehr lahm. Hintergrund: Streit bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen.10.03.2025 | 2:23 min
Verdi-Bezirksgeschäftsführer Bernd Dreisbusch sieht das anders: "Ich bin seit 1992 im Tarifgeschäft, seit gefühlt 19 Tarifrunden sind alle öffentlichen Kassen leer. Plötzlich erfahren wir aber medial, dass es ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro gibt. Und plötzlich ist im öffentlichen Dienst auch Geld da."
Optimistisch vor nächster Verhandlungsrunde
Zwei von drei Verhandlungsrunden sind ohne Ergebnis und ohne Annäherung zu Ende gegangen. Dass bis jetzt noch kein Angebot vorgelegt wurde, empfindet die eine Seite als respektlos, die andere als alternativlos.
"Ja, bis jetzt hat die Arbeitgeberseite kein Angebot auf den Tisch gelegt, weil die Forderung so weit weg von dem ist, was realistischerweise umsetzbar ist, dass es keinen Sinn gemacht hätte", erklärt Herbert.
"Es ist schon sonderbar", kontert Dreisbusch von Verdi,
warum fahre ich zu Verhandlungen, wenn ich nichts mitbringe? Das war in der Vergangenheit so nicht.
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Bernd Dreisbusch, Verdi-Bezirksgeschäftsführer
Für Freitag erwarte man, "dass endlich ein Angebot kommt, ein ernstes Angebot."
In zwei Tarifrunden mit den Flughafen-Beschäftigten hat es bisher kein Angebot gegeben, so ZDF-Reporter Thomas Münten. Sollte es dabei bleiben, werden die Streiks weitergehen.10.03.2025 | 1:04 min
Die Arbeitgeberseite sei guter Dinge: "Die Tarifrunde ist schon mal verlängert worden, über das Wochenende hinaus. Es ist also diesmal genügend Zeit, sich mit all diesen Dingen so auseinanderzusetzen", so Herbert. Das Ziel sei, "dass man hoffentlich auf einen Nenner kommt, um einerseits die Arbeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wertzuschätzen und andererseits zu Ergebnissen zu kommen, die auch finanziert werden können."
Wirtschaftsexperte warnt vor Eskalation
Verdi kündigte an, die Streiks noch bis ins Wochenende fortzusetzen. Inzwischen warnte das Institut der Deutschen Wirtschaft vor einer Eskalation:
Der Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst läuft aus dem Ruder - dabei sind die Tarifverhandlungen noch gar nicht gescheitert.
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Hagen Lesch, IW-Tarifexperte
Sollte nach der dritten Verhandlungsrunde das Scheitern erklärt werden, könne die Schlichtung ausgerufen werden, so Lesch. "Erst wenn die Schlichtung scheitert, sind wieder Streiks erlaubt."
Für Pendler, Schulkinder und alle anderen Betroffenen bleibt zu hoffen, dass der gute Wille auch zu einem schnellen, für alle akzeptablen Ergebnis führt.
Jenifer Girke ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Düsseldorf.
Quelle: dpa
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