Eisige Stimmung: Nachdem Prag Russlands Geheimdienst für einen Anschlag verantwortlich macht, müssen Dutzende russische Diplomaten Tschechien verlassen. Die Nato ist besorgt.
Der diplomatische Schlagabtausch zwischen Tschechien und Russland eskaliert. Nach dem Verstreichen eines Ultimatums an Russland hat Tschechien faktisch die Ausweisung von bis zu 70 russischen Diplomaten und Botschaftsmitarbeitern beschlossen.
Der neue Außenminister Jakub Kulhanek gab dem Kreml am Donnerstag bis Ende Mai Zeit, die Größe seiner Vertretung in Prag auf das Niveau der tschechischen Botschaft in Moskau zu reduzieren. Der tschechische Geheimdienst hält die russische Botschaft in Prag derzeit für verdächtig überbesetzt.
Aktuell hat Tschechien nur noch 24 Botschaftsangehörige in Moskau, darunter fünf Diplomaten. Russland hat in Prag aber 94 Botschaftsmitarbeiter, darunter 27 Diplomaten.
Prag hatte Rückkehr der eigenen Diplomaten gefordert
Prag hatte den Kreml erfolglos aufgefordert, die Rückkehr aller vor wenigen Tagen ausgewiesenen tschechischen Diplomaten an die Moskauer Botschaft zu ermöglichen. Die Vertretung gilt als kaum noch arbeitsfähig.
begründete Kulhanek den Schritt. Der 36-Jährige ist erst seit Mittwoch Chefdiplomat des Nato- und EU-Mitgliedstaats.
Sofort-Reaktion aus Moskau
Das Außenministerium in Moskau kündigte umgehend Gegenmaßnahmen an. In einer Mitteilung forderte Moskau, Prag solle sein Personal in der Botschaft weiter reduzieren. Eine Zahl wurde aber nicht genannt.
Der politische Konflikt begann am Samstag mit schweren Anschuldigungen Tschechiens. Prag wirft russischen Geheimdiensten vor, für Explosionen in einem Munitionslager in Vrbetice im Osten des Landes im Jahr 2014 verantwortlich zu sein. Dabei waren zwei Menschen gestorben. Ministerpräsident Andrej Babis nannte es einen "beispiellosen terroristischen Anschlag".
Tschechische Polizei fahndet nach zwei Russen
Sehen Sie hier die Reaktion der Nato auf die Nowitschok-Anschläge in England:
Nach einem Bericht des Magazins "Respekt" soll es sich in Vrbetice um eine größer angelegte Aktion gehandelt haben, an dem mindestens vier weitere Agenten beteiligt gewesen seien. Unter anderem sei ein hochrangiger russischer Geheimdienstoffizier zur fraglichen Zeit nach Wien geflogen.
Beobachter: Schwerster Konflikt seit Jahren
Ein Kremlsprecher sprach zuletzt von absurden und völlig unbegründeten Anschuldigungen. Beide Länder wiesen bereits am Wochenende gegenseitig Botschaftsangehörige aus - Prag 18 Russen und Moskau 20 Tschechen. Beobachter sprechen vom schwersten Konflikt zwischen beiden Staaten seit Jahrzehnten.
Sehen Sie hier im Video, wie der Konflikt am Wochenende begonnen hat:
Slowakei zeigt sich solidarisch
Aus Solidarität mit Tschechien weist die benachbarte Slowakei drei russische Diplomaten aus. Sie hätten sieben Tage Zeit, das Land zu verlassen, sagte Ministerpräsident Eduard Heger der Agentur TASR zufolge.
Die Agentur Interfax meldete unter Berufung auf diplomatische Quellen, dass Russland sich das Recht einer Antwort vorbehalte. Dieser Schritt der Slowakei sei unbegründet.
Nato sichert Tschechien Unterstützung zu
Tschechien hat im Streit mit Russland die Unterstützung der Nato-Partner zugesichert bekommen. "Die Verbündeten bringen ihre tiefe Besorgnis über die destabilisierenden Maßnahmen zum Ausdruck, die Russland weiterhin im euro-atlantischen Raum (...) durchführt", hieß es in einer in Brüssel veröffentlichen Mitteilung der Nato-Staaten. Man stehe uneingeschränkt solidarisch an der Seite der Tschechischen Republik.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) bot seinem neuen tschechischen Amtskollegen Jakub Kulhanek am Donnerstag in einem Telefonat Unterstützung an, um die Arbeitsfähigkeit der Botschaft zu sichern. "Die tschechische und die deutsche Botschaft in Moskau stehen hierzu bereits in direktem Kontakt", hieß es dazu aus dem Auswärtigen Amt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Tschechien in einem Telefonat mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis ebenfalls Solidarität zu.