Fischsterben in Hamburg: Der Elbe geht die Luft aus
Fischsterben in Hamburg:Der Elbe geht die Luft aus
von Marie Schwesinger
22.07.2022 | 15:01
|
Niedrige Wasserstände, hohe Temperaturen - Trockenheit und Hitze setzen Deutschlands Gewässern zu. In der Elbe rund um Hamburg kam es bereits zu einem Massensterben von Fischen.
Das Sauerstoffloch in der Elbe steigt und damit auch die Zahl geschwächter Fische, Schuld an der Todeszone sei unter anderem die Elbvertiefung. Ein Elbfischer berichtet von seinen Beobachtungen.21.07.2022 | 1:48 min
Routiniert hievt Elbfischer Lothar Buckow eine blaue Tonne von dem kleinen Motorboot auf seinen Kutter. Viel ist es nicht, was der 64-jährige heute in seinen Reusen gefangen hat. Kein Zander, keine Lachsforelle, kein Stint, nur ein paar Aale.
Für den Aufwand ist das heute enorm wenig, aber wenigstens sind ein paar große Aale dabei. Wenn man bei Sauerstoffarmut überhaupt noch was fängt, dann sind es Aale.
Lothar Buckow. Elbfischer
Andere Fische, auch große, ausgewachsene Exemplare, findet er immer häufiger tot im Netz.
Sauerstoffloch kein neues Phänomen
Das sommerliche Sauerstoffloch in der Elbe bei Hamburg ist an sich kein neues Phänomen. Doch in diesem Jahr ist die sauerstoffarme und damit für die Fische lebensgefährliche Zone mit einer Ausdehnung von 45 Kilometern so groß wie nie zuvor.
Ende Juni sank die Sauerstoffkonzentration auf Werte unter zwei Milligramm pro Liter. Ein für Fische tödlicher Wert., schon ab vier Milligramm wird es für sie kritisch. Eine Marke, die - nach kurzer Erholung - an der Messstation Seemannshöft nun bereits wieder erreicht ist.
So kommt es zu der niedrigen Konzentration
Die Hamburger Umweltbehörde sieht mehrere Gründe für den niedrigen Sauerstoffgehalt.
Zum einen die Trübung des Wassers: Im Hafenbereich sei es unterhalb von circa einem Meter Gewässertiefe so dunkel, dass Algen, die normalerweise im lichtdurchfluteten Wasser Photosynthese betreiben, die Sauerstoffproduktion einstellen. Steigende Temperaturen würden diesen Prozess beschleunigen.
Außerdem fließt in der Regel sauerstoffreicheres Wasser aus der Mittelelbe nach und schwächt den Effekt ab. Doch in diesem Jahr habe auch das nach Hamburg fließende Wasser eine ungewöhnlich niedrige Sauerstoffkonzentration.
Beide Effekte zusammengenommen führten zu den besonders niedrigen Sauerstoffkonzentrationen der Hamburger Tideelbe und dem Massensterben von Fischen,
so die Behörde.
Umweltverbände sehen Ursachen bei Elbvertiefung
Für BUND-Fachreferentin Linda Kahl ist der Hauptgrund für das Problem die Elbvertiefung und Fahrrinnenanpassung im Hafenbereich. "Durch die ständige Unterhaltungsbaggerei der Fahrrinne wird die Trübung in der Elbe dauerhaft hochgehalten, das begünstigt die Sauerstoffzehrung in der Elbe." Sie fordert insbesondere für die Sommermonate einen Stopp der Arbeiten.
Umweltbehörde und -Verbände beklagen zudem, dass die Vertiefungen zu einem Rückgang von wertvollen Flachwasserbereichen geführt haben.
Wirtschaftsbehörde: Im Sommer nur notwendige Arbeiten
Laut Wirtschaftsbehörde erfolge - aus Rücksicht auf den ökologischen Lebensraum Elbe – bereits nur ein notwendiger Anteil der Arbeiten in den Sommermonaten, "dieser ist jedoch zum Erhalt der Wassertiefen und damit für die Schiffbarkeit unerlässlich."
Inwieweit Wirtschafts- und Umweltbehörde sich dazu austauschen, beantwortet letztere knapp mit "Gespräche […] finden regelhaft statt."
Sorge um Fischbestände
Das derzeitige Massensterben könnte langfristige Folgen für den Bestand verschiedener Fischarten haben. Betroffen ist unter anderem der Stint. Normalerweise wandern die Jungfische im Sommer durch den Hafen zurück Richtung Nordsee. Nun ersticken sie im Sauerstoffloch, ganze Jahrgänge sterben aus. Viele und vor allem schnell umsetzbare Optionen zur Verbesserung gebe es aktuell nicht, fürchtet Linda Kahl. "Die Elbe braucht Luft und das können wir nur durch Flachwasserzonen erreichen, in denen Photosynthese stattfinden kann."
Lothar Buckow gehen kaum noch Stinte ins Netz. Eine echte Spezialität und jahrzehntelang Haupteinkommensquelle der Elbfischer. Besorgt blickt er aufs trübe Elbwasser:
Wenn sich nichts ändert, dann ist die Perspektive, die Fischerei einzustellen. Dann hat die Elbe keine Chance.
Lothar Buckow, Elbfischer
Marie Schwesinger ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Hamburg
Der globale CO2-Ausstoß steigt weiter an: Für 2023 erwarten die Forschenden des Global Carbon Projects einen neuen Rekordwert. China und die USA liegen weit vor dem Rest der Welt.