Élysee-Vertrag: Was Paris und Berlin trennt - und sie eint

    60 Jahre Élysee-Vertrag:Paris und Berlin feiern - und ringen

    Frankreich: Absolute Mehrheit wird „knapp“
    von Thomas Walde, Paris
    |

    Zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags feiern Deutschland und Frankreich in Paris ihre Freundschaft und wollen aktuelle Irritationen hinter sich lassen - mal wieder.

    Indonesien, Nusa Dua/Bali: Emmanuel Macron (vl), Präsident von Frankreich, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), unterhalten sich am Rande des G20-Gipfels im Tahura Ngurah Rai Mangrovenwald.
    Frankreichs Präsident Macron (l.) und Bundeskanzler Scholz (SPD) im Gespräch am Rand des G20-Gipfels im November 2022 auf Bali.
    Quelle: Kay Nietfeld/dpa

    Nun kommt der deutsch-französische Ministerrat doch zusammen. Im Oktober war das Treffen abgesagt worden - zu groß seien die politischen Unterschiede. Frankreich bat um Verschiebung. Obwohl beide Seiten die Bedeutung ihrer Beziehung betonen, kommt es immer wieder zu Irritationen.
    Im Oktober 2022 hatte Emmanuel Macron die Deutschen wegen ihres 200-Milliarden-Euro-Programms zur Abfederung der Energiepreise gemahnt, das von anderen Mitgliedstaaten als Wettbewerbsverzerrung gesehen wurde:

    Es ist weder für Deutschland noch für Europa gut, wenn Deutschland sich isoliert.

    Emmanuel Macron, Präsident Frankreich

    Die Industrie streitet, die Politik schlichtet

    Beim Kampfflugzeugsystem FCAS stritten sich die beteiligten Rüstungsunternehmen beider Länder so lange über das geistige Eigentum daran, bis Emmanuel Macron und Olaf Scholz einschritten.
    Und jedes Mal, wenn die Deutschen in den USA Waffen kaufen, wie das Kampfflugzeug F35, reagieren die Franzosen verschnupft.
    Für den französischen Politikwissenschaftler François Laval erklären sich solche Reibereien durch Rollen- und Interessenunterschiede:

    Es ist normal, dass es gelegentlich Probleme gibt zwischen Ländern, die nicht dieselbe Geschichte haben, in denen Institutionen unterschiedlich funktionieren.

    François Laval, Politikwissenschaftler

    Konrad Adenauer und Charles de Gaulle
    Quelle: dpa

    ... wurde am 22. Januar 1963 zwischen Deutschland und Frankreich geschlossen und damit ain diesem Jahr 61 Jahre alt. Mit dem Élysee-Vertrag besiegelten der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und Frankreichs Präsident Charles de Gaulle die Freundschaft der ehemaligen Kriegsgegner.

    Unterschiede bei Entscheidungen über Militärisches

    So auch im Verteidigungsbereich: "Frankreich ist keine Weltmacht mehr, aber den Status hätte es noch gerne. Es hat eine bedeutende Verteidigungsindustrie und möchte, dass Europäer französische Produkte kaufen."
    Anders als Deutschland betrachte Frankreich die Rolle der Nato traditionell mit mehr Distanz. Christophe Pajon, Militärsoziologe an der französischen École de l´Air, fügt im ZDF hinzu:

    Die deutsche Armee ist eine Parlamentsarmee. Und darum kann Deutschland sein Militär nicht ohne vorhergehende Debatte in den Einsatz schicken. Während in Frankreich der Präsident auch Chef der Armee ist.

    Christophe Pajon, Militärsoziologe

    Paris möchte antreiben, Berlin abwägen

    Macron sieht sich in der Rolle des Antreibers in Europa. Früh versprach er Unterstützung für die Ukraine wie die Lieferung von Panzern und sprach von "europäischer Souveränität", wozu für ihn auch eine eigene "europäische Kriegswirtschaft" gehöre.
    Scholz wägt, im Hinblick auf eine zögernde deutsche Öffentlichkeit und eine noch zurückhaltendere SPD, mehr ab. Er will nicht als (Kriegs-)Treiber gesehen werden. Frankreich glaubt an seine besondere Mission und Rolle in der Welt. Als Stimme der Freiheit erhebt es universellen Anspruch, wie sonst wohl nur noch die USA.

    Macron steht in Frankreich unter Druck

    Die Atommacht Frankreich reagiert darum sensibel, wenn man sie nicht berücksichtigt. Als Bundeskanzler Scholz in Prag seine Vorstellungen zu Europa in einer Rede ausführlich darlegte, kamen Macron und Frankreich nur am Rande vor - was in Paris aufmerksam registriert wurde.
    Im politischen Berlin wird manchmal unterschätzt, wie Macron in Frankreich wegen seiner Nähe zu Deutschland unter Druck steht. Seine Widersacherin von der nationalistischen Rechten, Marine Le Pen, kritisierte etwa im ZDF, Macrons Verhältnis zu Deutschland sei "erotoman" - Macron komme, so Le Pen, immer wieder Deutschland entgegen, ohne selbst allzu viel zu erhalten.
    Deutschland täte wohl gut daran, zu bedenken, dass seine Handlungen als größte Nation in Europa besonderes Gewicht haben und besonders unter die Lupe gelegt werden.

    Laval: Sind sich Deutschland und Frankreich einig, folgt die EU

    Und freundliche Gesten kosten nicht viel, vor allem in Zeiten, in denen Frankreich sich mitunter schwach fühlt, etwa, weil es wegen Ausfällen seiner Atomindustrie Strom aus Deutschland importieren musste.
    Der Politikwissenschaftler Francois Laval von der Universität Sciences Po sieht in all den Diskussionen aber auch einen Gewinn:

    Franzosen und Deutsche sind so sehr unterschiedlich, dass, wenn sie sich einigen auf europäischer Ebene, alle anderen Staaten ihnen folgen.

    François Laval, Politikwissenschaftler

    Thomas Walde ist Leiter des ZDF-Studios Südwesteuropa.

    Mehr Deutsch-Französisches