Erdgas ist in diesem Jahr um bis zu 400 Prozent teurer geworden. Für den Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer steht fest: Das ist auch der Preis für Nord Stream 2.
ZDFheute: Herr Bütikofer, Erdgas ist so teuer wie noch nie. Ist Nord Stream 2 Teil des Problems oder Teil der Lösung?
Reinhard Bütikofer: Nord Stream 2 hat mit dem Zustandekommen dieses hohen Preisniveaus etwas zu tun. Russland liefert im Moment weniger Erdgas, um Druck auf uns auszuüben und die letzte entscheidende Genehmigung für den Betrieb der Pipeline zu bekommen.
Damit erleiden wir zugleich, was in Zukunft unser allgemeines Schicksal soll: Energieabhängigkeit von Putins Regime. Frau Merkel hat einmal mit Präsident Biden vereinbart, man wolle sich wehren, wenn Russland Gas als Waffe benutzt und man muss sagen: Das ist derzeit der Fall.
ZDFheute: Aber Präsident Putin beteuert, dass Russland all seine Lieferverpflichtungen einhält.
Bütikofer: Tatsache ist, dass der hohe Gaspreis nicht nur eine Ursache hat. Tatsache ist aber auch, dass die Internationale Energieagentur sagt, Russland könne mehr tun gegen die Gaskrise, die wir im Moment erleben. Und das wird untermauert durch die Information, dass Gazprom sich weigert, Kapazitäten, die vertraglich zugesichert sind, um Gas durch die Ukraine zu uns durchzuleiten, nicht nutzen will. Die zahlen sogar eine Strafe dafür, dass sie kein Gas durchleiten, mit dem Ziel uns zu erpressen.
Wird heizen unbezahlbar?
ZDFheute: Wie sind die Gasspeicher von Gazprom in Deutschland gefüllt?
Bütikofer: Da wird’s ganz interessant: 25 Prozent unserer Speicherkapazität gehören Gazprom. Da muss man sich wirklich fragen, ob das klug war, denen einen solchen Hebel in die Hand zu geben. Aber die Auslastung der Gasspeicher Astora und Peissen, zweier großer Gazprom-Gasspeicher, liegt bei 20 oder 40 Prozent, während bei fast allen anderen Gasspeichern die Auslastungsquote bei 90 oder 95 Prozent liegt.
Das heißt, Gazprom füllt seine Speicher nicht und sagt dann hinterher: Wir haben aber mit dem Problem, dass zu wenig Gas vorhanden ist, nichts zu tun.
ZDFheute: Die Grünen wollen Nord Stream 2 stoppen. Aber ist das jetzt überhaupt noch möglich?
Bütikofer: Nord Stream 2 kann nur in Betrieb gehen, wenn es alle rechtlichen Erfordernisse erfüllt. Und das ist noch nicht der Fall. Weder ist die vorgeschriebene Entflechtung zwischen Betrieb und Befüllung vollzogen, noch ist sichergestellt, dass unabhängige Dritte die Pipeline auch befüllen können.
All diese Vorgaben des europäischen Energierechts, um Monopolkontrolle über unsere Gasversorgung zu verhindern, hat Gazprom bis jetzt ignoriert. Und ohne, dass sie sich da bewegen, sehe ich nicht, wie sie die Genehmigung kriegen.
ZDFheute: Aber die Entscheidung trifft nicht die Politik, sondern die Bundesnetzagentur.
Bütikofer: Falls die Bundesnetzagentur jetzt noch versucht, bevor die neue Regierung ins Amt kommt, da hopplahopp einen Knopf dranzumachen für Herrn Schröder und Herrn Putin, würde ich nicht ausschließen, dass dann dagegen geklagt wird.
Ich glaube, diese Pipeline verstößt gegen das Prinzip der Energiesolidarität und gegen die Ziele der europäischen Energiepolitik. Und deshalb würde ich überhaupt nicht ausschließen, dass das am Schluss eine sehr, sehr teure Investitionsruine sein wird.
Das Interview führte Andreas Kynast
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