Ganz Europa macht sich Gedanken um den nächsten Winter: Was kann man tun, um nicht zu frieren? Drei Beispiele zeigen, was unsere Nachbarn in der Energiekrise unternehmen.
Belgien verlängert AKW-Laufzeiten
Schon im März reagiert die belgische Regierung auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und erkennt die sich aufbauende Energiekrise. Sie schlägt vor, zwei Atomkraftwerke zehn Jahre länger am Netz zu lassen. Eigentlich war der Atomausstieg auf 2025 festgelegt.
Die Verlängerung geschieht, obwohl Belgien selbst nicht wirklich abhängig von russischem Gas ist. Doch: Wenn in einem EU-Land Gasknappheit herrscht, hat das aufgrund der engen Vernetzung Auswirkungen auf den gesamten europäischen Wirtschaftsraum. Dem möchte man entgegensteuern.
Auch andere Maßnahmen zur Abmilderung der Energiekrise hat Belgien auf den Weg gebracht. Mitte Juli stellen sie einen "Winter-Plan" vor.
Kurzfristig soll demnach die Kooperation mit Frankreich bei der Stromversorgung ausgebaut werden. Frankreichs Stromerzeugung basiert maßgeblich auf Atomkraftwerken, die zuletzt durch Hitze und fehlendes Kühlwasser zunehmend in Schwierigkeiten gekommen sind.
Mehr Bewusstsein fürs Energiesparen schaffen
Belgische Energieerzeuger sollen geplante Wartungsarbeiten bis in den Frühling aussetzen. Die Bevölkerung und die Unternehmen werden zum Energiesparen angehalten.
Langfristig wird die Kapazität des LNG-Terminals in Zeebrugge erhöht, um so mehr Transit von Gas nach Deutschland zu ermöglichen. All diese Maßnahmen stehen für die belgische Regierung vor allem im Zeichen europäischer Solidarität:
In Polen wird die Kohle fürs Heizen knapp
Die größten Energiesorgen gelten in Polen der Kohle. Circa zwei Millionen eher einkommensschwächere polnische Haushalte heizen mit dem Brennstoff. Seit dem Importstopp aus Russland wird Kohle dort zunehmend knapp und teuer. Denn es wurde verschlafen, frühzeitig eine Alternative für die ungefähr sieben Millionen Tonnen russischer Kohle, die nun fehlen, zu schaffen.
Was tut die Regierung nun, um zu helfen? Zum einen soll jeder betroffene Haushalt einen Zuschuss von 3.000 Złoty (circa 638 Euro) bekommen, um Kohle einzukaufen. Zum anderen werden die Qualitätskriterien bei der Kohle-Einfuhr heruntergesetzt.
Trotzdem könnten Polen am Ende ein bis zwei Millionen Tonnen Kohle für den Winter fehlen. Ein Haushalt verheizt dort in einem Winter circa drei Tonnen Kohle.
Polens Gasspeicher zu fast 100 Prozent gefüllt
Die Polen bemühen sich auch zunehmend um mehr Brennholz zum Heizen. Das vermehrte Abbrennen von Holz und minderwertiger Kohle könnte im Winter allerdings zu sehr schlechter Luftqualität und Smog in Polens Großstädten führen.
Besser sieht es in puncto Gas aus. Polens Speicher sind zu nahezu voll. Mit LNG-Terminals und einer neuen Pipeline-Verbindung nach Norwegen ist man sehr unabhängig von russischem Gas.
Kalte Winter sind in Polen nichts Neues, aber die steigenden Energiepreise und der Gas-Stopp Russlands verschärfen die Sorgen.
Österreich arbeitet noch an Maßnahmenpaket
Recht planlos ist derzeit noch Österreich. Dort sind die Gasspeicher gerade mal etwas über die Hälfte gefüllt. Trotzdem gibt es noch kein großes Maßnahmenpaket. Einzig bisher: Die "Sonder-Familienbeihilfe" in Höhe von 180 Euro pro Kind. Die wird seit dem 3. August ausbezahlt.
Eine Regelung für eine Strompreisbremse soll bis Ende August erarbeitet werden. Und: Unternehmen und Kraftwerken soll ermöglicht werden, von Gas auf andere Brennstoffe zur Energieerzeugung, wie zum Beispiel Erdöl, umzurüsten.
Österreicher hamstern Holz fürs Heizen
Derzeit gibt es sonst nur noch vereinzelte regionale Maßnahmen in Städten wie Feldkirch in Vorarlberg, Linz oder Salzburg, wo zum Beispiel durch das Einschränken von nächtlicher Gebäude-Beleuchtung Strom gespart werden soll.
Österreichs Bevölkerung ist derweil verunsichert. Ähnlich wie schon zu Beginn der Corona-Krise führt diese Verunsicherung zu Hamsterkäufen. Diesmal ist es kein Klopapier, sondern Brennholz. Viele lagern aus Angst vor einer kalten Wohnung nicht mehr nur Vorrat für eine Heizperiode ein, sondern für drei.
Deutschland setzt auf europäische Solidarität bei der Gaskrise, will aber gleichzeitig am geplanten Atomausstieg festhalten. Dagegen wehren sich einige europäische Partner.
Am Ende zählt in der Energiekrise die Solidarität
Ganz Europa beschäftigen das gleiche Thema und die gleichen Sorgen. Auf verschiedene Arten versucht die Politik dem drohenden Gas-Mangel entgegenzuwirken. Am Ende wird es vor allem auf eines ankommen: Wie sehr wir Europäer uns gegenseitig zu helfen bereit sind.
Svenja Bergerhoff ist ZDF-Reporterin in der Redaktion Europa.