Zerstörte Infrastruktur:Wie sich Ukrainer auf den Winter vorbereiten
von Katrin Eigendorf
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Die Ukrainer richten sich auf einen harten Winter ein. Mit gezielten Angriffen haben die Russen 40 Prozent des Energienetzes zerstört, auch viele Häuser sind nicht mehr bewohnbar.
Der Winter kommt und die Menschen in der Ukraine müssen sich auf die Kälte vorbereiten. Zerstörte Häuser werden wieder aufgebaut und für die Soldaten werden Öfen bereitgestellt. 27.10.2022 | 6:00 min
Die Hochhäuser entlang der Lenin-Straße in Borodjanka gehörten einst zu den begehrtesten im Zentrum der Stadt. Heute liegen sie in Trümmern, hinter vielen Fenstern sind ausgebrannte Wohnungen zu erkennen. "Das wird man nicht mehr aufbauen können“, sagt Christian Langehenke, der für UNHCR die Nothilfe in der Ukraine koordiniert. Und doch: Die Ukrainerinnen und Ukrainer geben nicht auf, auch jetzt nicht.
Improvisieren ist die Devise für den Winter
Ein Ziel der UNHCR-Nothilfe ist es, Menschen beim Wiederaufbau zu unterstützen: "Wir wollen 8.200 zerstörte Häuser bis Ende des Jahres aufbauen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn der Bedarf ist viel, viel höher, als das, was wir leisten können“ so Christian Langehenke.
Der Ukraine-Krieg stellt Großbritannien vor große Herausforderungen: die Preise besonders für Energie galoppieren. Das Land steckt in einer politischen Krise und will die Ukraine doch weiterhin unterstützen.
27.10.2022 | 9:50 min
Walentyna Bulgakowa ist in Kiew zu Hause - und will bleiben. Sie hat Glück gehabt. Mit Unterstützung der Hilfsorganisation konnte sie das Dach ihres Hauses, das von russischen Angriffen stark zerstört wurde, rechtzeitig reparieren. Doch die Gasleitungen im Ort sind zerstört, heizen kann sie nicht. Dennoch lacht die kleine, rundliche Frau, während sie uns durch ihr kleines Haus führt. Ihr Mann sei schon lange tot, seitdem lebt sie alleine im Haus. Improvisieren ist ihre Devise für den kommenden Winter.
Sie fügt hinzu: "Es wird ja nicht für immer andauern, es wird schon klappen."
Ukrainer sollen früh lernen, positiv in die Zukunft zu denken
Walentyna möchte ihrer fünfjährigen Enkelin Milana, die gerade bei ihr zu Besuch ist, beibringen, trotz aller Katastrophen positiv in die Zukunft zu blicken: "Die Menschen werden sich verändern, alles wird sich ändern. Es wird wieder junge Leute hier geben, und ich denke am Ende wird alles gut werden."
Vertrauen in Gott, in die Regierung, die eigenen Fähigkeiten? Viele Menschen, die zurückgeblieben sind, vereint die Hoffnung. Angesichts der vielen Häuser, die entlang der Straßen der umliegenden Dörfer noch immer in Trümmern liegen, erstaunlich. Und doch irgendwie typisch für dieses Land der Überlebenskünstler.
Der Ukraine steht ein harter Winter bevor. Präsident Selenskyj fordert Solidarität vom Westen und appelliert an das Durchhaltevermögen seiner Landsleute. 27.10.2022 | 8:48 min
Auch Wira Klokun versucht, sich auf den Winter vorzubereiten. In ihrem Garten im Dorf Stara Buda hat sie alles ausgelegt, was sie braucht und nun einmachen will: Eimer voller Äpfel, Kartoffeln und Zwiebeln, eine Reihe riesiger Kürbisse. Schon vor dem Krieg hat sie von dem gelebt, was sie in ihrem Garten anpflanzt.
Das Leben war hier einfach, das Haus ist alles, was sie hat. Auch deshalb wollte sie es nicht zurücklassen. Sie ist geblieben, auch als die russischen Soldaten kamen. Ihre erwachsenen Kinder sind mit den Enkeln nach Polen geflohen, in Sicherheit. Sie erinnert sich noch genau an die Angst: "Zum Glück lag ich auf dem Fußboden als sie mit ihren Autos vorbeifuhren, mit ihren Maschinengewehren. Sechsmal haben sie geschossen."
Seit Beginn des Angriffskrieges fliehen viele Ukrainerinnen und Ukrainer in das benachbarte Polen. Und dort fragen sich viele, wie lange sie den Geflohenen noch helfen können. 27.10.2022 | 10:20 min
Überall in den Wänden sind Einschusslöcher zu sehen, selbst im Kühlschrank. Ein Teil des Hauses stand in Flammen. Zumindest die Fenster hat sie abgedichtet, mit Plastiktüten und Klebeband. Auf die Frage, wie der Winter für sie wird, antwortet die 56-Jährige:
Sie erklärt weiter: "Einige Menschen haben mir Feuerholz gebracht, ich zahle das langsam zurück."
Was macht der Ukraine-Krieg mit uns und der Welt? Menschen und Staaten blicken mit großer Sorge auf den kommenden Winter – nicht nur wegen der kalten Temperaturen. Das ZDF auslandsjournal berichtet darüber in der Dokumentation-Reihe "Winter is coming“ – Korrespondentinnen und Korrespondenten aus der ganzen Welt zeigen, wie sich dieser Krieg mitten in Europa auf scheinbar alles auswirkt. Alle Teile können Sie in der ZDF-Mediathek und auf dem ZDFheute YouTube-Kanal sehen.
Blechöfen haben Hochkonjunktur
Die Hilfsbereitschaft sei gewachsen angesichts der Not – das erzählen uns viele Menschen in den Dörfern rund um Borodjanka.
Direkt gegenüber Wiras Haus hat der Nachbar auf der Straße zehn Blechöfen gestapelt, es sind traditionelle Burghyjka, die er, so erzählt er, mit seinen Freunden selbst zusammengeschweißt hat. Die kleinen Öfen haben jetzt Hochkonjunktur, sie lassen sich mit Holz füllen. Sie geben nicht nur Wärme ab, man kann auch darauf kochen und an zwei langen Stäben, die sich am Körper anbringen lassen, Wäsche trocknen.
Im Südsudan wird die Lebensmittelknappheit durch den Ukraine-Krieg immer gravierender. Die Preise der Lebensmittel, die überhaupt noch verfügbar sind, sind für viele unbezahlbar.27.10.2022 | 6:37 min
Rulan und Dima, so stellen sich die beiden Männer vor, haben die Öfen für die Soldaten hergestellt, die sie gleich abholen werden. Auch in den Schützengräben und an den unzähligen Checkpoints überall im Land bereiten sie sich auf den Winter vor, denn alle sind überzeugt: Der Krieg wird so bald nicht enden.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.