Der Ausbau regenerativer Energien verschlingt enorme Ressourcen. Um die Industrieländer klimafreundlich umzurüsten, nimmt die weltweite Umweltzerstörung an Fahrt auf.
Ist es zu kurz gedacht, man müsse die fossile Welt bloß elektrisch nachbauen, um nachhaltig zu werden? Kristina Dietz, Politikwissenschaftlerin an der Universität Wien, sagt. "Was wenig betrachtet wird - vor allem in der staatlichen offiziellen Politik - ist, dass auch eine erneuerbare Stromproduktion einen enormen Rohstoffbedarf hat."
Nach Rechnung der Internationalen Energieagentur (IEA) wird sich der Bedarf an kritischen Rohstoffen bis 2040 weltweit vervierfachen. Die dunkle Seite der Energiewende trifft vor allem den globalen Süden. Der Ressourcenhunger der Industrieländer erzeugt Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen.
Auf ihrer Zentralasienreise wolle Außenministerin Baerbock ausloten, "ob wir die Handelsbeziehungen […] ausbauen können" - zu fairen Bedingungen, "mit Blick auf Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte".
Die schmutzige Seite der sauberen Energie
Ein Windkraftturm produziert zwar saubere Energie. Aber das Material, aus dem er besteht, wurde mit Umweltzerstörung bezahlt. Zement, Sand, Stahl, Zink, Aluminium und seltene Erden werden in riesigen Mengen verbaut. Dazu tonnenweise Kupfer für Generator, Getriebe und Kabelstränge.
Allein für die rund 60 Tonnen Kupfer einer großen Offshore-Turbine müssen Bergleute in anderen Teilen der Welt bis zu 50.000 Tonnen Gestein bewegen. Das Erz kommt aus Chile, Peru oder Indonesien. Das Ergebnis dort ist Naturzerstörung im Dienst des Ökostroms. Geröll muss geschreddert, zermahlen, gewässert und gelaugt werden.
Nicht anders bei der Solarenergie. Ein Quadratkilometer Solarkraftwerk braucht elf Tonnen Silber. Und in einem Elektrofahrzeug wird ungefähr so viel Lithium verbaut wie in 10.000 Smartphones. Dazu kommen sechsmal mehr kritische Rohstoffe als in einem herkömmlichen Fahrzeug.
Der Zweck heiligt die Mittel?
Mathis Wackernagel, Leiter des Global Footprint Network, prägte den Begriff des "ökologischen Fußabdrucks". Er sagt: "Die Frage ist nicht, brauchen wir Mercedes oder Tesla? Die Frage ist, brauchen wir Tesla oder elektrische Fahrräder oder vielleicht einfach nur Fahrräder?"
- Erneuerbare Energien
Erneuerbare Energien sind Wind- und Sonnenenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft. Sie sind laut Umweltbundesamt wichtig für den Klimaschutz. Aktuelles...
Ein neues Elektroauto besteht aus bis zu 800 kg Aluminium. Im westafrikanischen Guinea werden als Beispiel dafür Dörfer umgesiedelt oder die Einwohner einfach vertrieben, um hier Bauxit zur Aluminiumgewinnung abzubauen. Die Bergbaufirmen hinterlassen eine Mondlandschaft mit verseuchtem Grundwasser, wo einst Landwirtschaft betrieben wurde. Gefördert mit Kreditgarantien aus Deutschland für unsere saubere Zukunft.
Politikwissenschaftlerin Dietz spricht von "grüner Ausbeutung". "Wenn wir Ausbeutung verstehen als die übermäßige Nutzung von Rohstoffen und Arbeit zum Zweck der Transformation von Energiesystemen und zum Zweck der Profitmaximierung - denn das machen ja Konzerne -, dann beobachten wir hier eine neue Form von Ausbeutung, die legitimiert wird, weil wir sie für die Energiewende brauchen."
Wer ein Elektroauto kauft, will das "gute" Auto, den Wagen, der die Umwelt möglichst wenig belastet. Aber für die Herstellung der Elektroauto-Batterien wird Kobalt benötigt.
Gibt es Alternativen?
Es ginge auch anders. Mehr Recycling und eine strenge Gesetzgebung im Bereich Lieferkettenkontrolle in Bezug auf die Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards. Aber ganz so einfach ist das nicht. Bei der Hamburger Kupferhütte Aurubis werden zwar heute schon 45 Prozent recyceltes Kupfer verarbeitet, aber steigern ließe sich das nur wenig.
Wackernagel sieht das ganz nüchtern: "Alles hat einen ökologischen Fußabdruck. Aber wir haben nur ein begrenztes Budget. Wenn wir es übernutzen, wird es sich automatisch korrigieren. Die Frage ist: per Design oder Desaster?"
- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.