Der türkische Präsident Erdogan droht mit der Ausweisung westlicher Diplomaten. Es ist eine Reaktion auf Forderungen nach der Freilassung des Menschenrechtsaktivisten Kavala.
Nach der Kritik mehrerer westlicher Botschafter an der Inhaftierung des türkischen Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan Medienberichten zufolge mit deren Ausweisung gedroht.
Er habe dem türkischen Außenminister gesagt, "dass wir uns nicht den Luxus leisten können, sie (die Botschafter) in unserem Land zu beherbergen", wurde Erdogan am Donnerstag von mehreren türkischen Medien zitiert.
Westliche Staaten appellieren an Türkei
Die Drohung ist gerichtet an die Botschafter aus Deutschland, den USA und acht weiteren westlichen Staaten, die am Montag in einem gemeinsamen Appell eine "gerechte und rasche Regelung" des Falls Kavala gefordert hatten.
Das türkische Außenministerium lud daraufhin die betreffenden Botschafter vor. Unter den einbestellten Diplomaten waren auch die der USA, Frankreichs und der Niederlande. Kavala sitzt seit vier Jahren ohne Verurteilung im Gefängnis. Ankara bezeichnete den Aufruf der Länder zur Freilassung des Kulturförderers Kavala als "inakzeptabel".
- Deutscher Botschafter in Ankara einbestellt
Zehn Botschafter, darunter auch der Deutsche, riefen in der Türkei zur Freilassung des Kulturförderers Osman Kavala auf. Alle zehn Botschafter wurden nun vorgeladen.
Neue politische Spannungen befürchtet
In seinen jüngsten Äußerungen verglich Erdogan den türkischen Kulturschaffenden erneut mit dem in Ungarn geborenen US-Philanthropen George Soros, dem Feindbild vieler Populisten. "Diejenigen, die dieses Soros-Überbleibsel verteidigen, arbeiten an Möglichkeiten, ihn zu befreien", sagte Erdogan.
"Lasst ihr in eurem Land Banditen, Mörder und Terroristen frei?" fragte der türkische Staatschef. Wenige Augenblicke nach Erdogans Äußerungen fiel die türkische Lira gegenüber dem Dollar auf ein Rekordtief. Die Börse befürchtet offenbar eine neue Phase der Spannungen mit dem Westen.
Türkei erhob Spionagevorwürfe gegen Kavala
Kavala war ursprünglich wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die regierungskritischen Gezi-Proteste in Istanbul im Jahr 2013 finanziert und organisiert zu haben. Im Februar vergangenen Jahres sprach ein Gericht ihn von diesem Vorwurf frei.
Kavala wurde daraufhin nach zweieinhalb Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen, jedoch wenige Stunden später erneut festgenommen - diesmal im Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 und Spionagevorwürfen.
- Die Türkei fünf Jahre nach dem Putschversuch
In der Türkei wurden vor fünf Jahren Hunderttausende verhaftet oder entlassen, ohne dass es Beweise für eine Putsch-Beteiligung gab. Die Auswirkungen spüren viele noch heute.
Europarat fordert Freilassung Kavalas
Im Januar dieses Jahres hob ein Berufungsgericht den ersten Freispruch auf. Bei einer Verurteilung wegen der Spionagevorwürfe droht Kavala lebenslange Haft. Kavalas nächste Gerichtsverhandlung ist für den 26. November angesetzt.
Der Europarat, dessen Mitglied die Türkei ist, hatte vergangenen Monat gewarnt, Schritte gegen Ankara einzuleiten, sollte Kavala nicht vor dem nächsten Treffen der Organisation am 30. November freikommen. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte im Dezember 2019 seine Freilassung angeordnet und dies seither wiederholt angemahnt.
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