Wer sich in Deutschland gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdogan stellt, muss mit gefährlichen Konsequenzen rechnen. Ein Insider vergleicht dies mit "Methoden der Mafia".
Wer sich in Deutschland gegen den türkischen Staatspräsidenten stellt, muss mit gefährlichen Konsequenzen rechnen. Wie weit gehen Erdoğan und seine Gefolgsleute?
Sein Fall ist einer von mehreren Angriffen auf Erdogan-Kritiker in Deutschland: Anfang Juli 2021 wurde der türkische Exil-Journalist Erk Acarer in Berlin von drei Männern zusammengeschlagen. Die Tat geschah im Vorhof seiner Wohnung. Die Angreifer schrien auf Türkisch: "Du sollst aufhören zu schreiben!" Der Journalist erlitt einige Platzwunden und wurde im Krankenhaus behandelt.
Zuvor hatte er über korrupte Verstrickungen innerhalb der Regierung berichtet. Er verdächtigt offizielle Stellen aus der Türkei hinter dem Angriff zu stecken, bewiesen ist das nicht.
Es ist ein gefährliches Spiel, sich öffentlich gegen den türkischen Präsidenten zu positionieren. Auch Boxer Ünsal Arik muss das immer wieder erleben.
Insider: "Methoden der Mafia - Erpressen, Erschrecken, Macht demonstrieren"
Der Angriff auf Erk Acarer verwundert einen Insider, der anonym bleiben will, nicht. Der ehemalige türkische Diplomat kennt die Regierung um Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan aus nächster Nähe. Im Interview mit ZDFzoom gibt er Einblicke in das System Erdogan außerhalb der Türkei.
Die türkische Regierung verfolge seit Jahren eine Politik der kontrollierten Provokation gegen Deutschland. "Das sind Methoden der Mafia", so der Diplomat: "Die Gegenseite erpressen, erschrecken, die eigene Macht demonstrieren." Angefangen habe dies mit dem Fall des Journalisten Deniz Yücel, der fast ein Jahr lang in der Türkei im Gefängnis saß.
Etwa drei Millionen sogenannte Deutschtürken leben in Deutschland. Darunter auch Kritiker des türkischen Präsidenten Erdogan. Viele von ihnen fühlen sich bedroht.
Mutmaßlicher Agent mit Todesliste - "So reagiert kein souveräner Staat"
Wurde Erk Acarer wegen seiner Berichte vom türkischen Geheimdienst MIT bis nach Deutschland verfolgt? Dass türkische Agenten in Deutschland aktiv sind, legt ein Ereignis wenige Wochen später nahe: Das SEK nahm in einem Hotel in Düsseldorf einen Mann mit türkischer Staatsangehörigkeit fest. Bei ihm fanden sie eine Schreckschusswaffe, scharfe Munition sowie eine Todesliste. Der Generalbundesanwalt hat den Fall übernommen und sieht Anhaltspunkte, dass der Festgenommene "im Auftrag des türkischen Geheimdienstes verdeckt Informationen [...] sammelte, um sie an den türkischen Nachrichtendienst MIT [...] zu übermitteln."
Ex-Diplomat kritisiert deutsche Reaktion auf Fall Acarer
Das Verhalten der Bundesregierung gegenüber Erdogans Türkei sei das falsche Signal, so der Insider. Im Fall des Exil-Journalisten Erk Acarer hätte er eine angemessene Reaktion erwartet: "Man hätte erwartet, dass fünf oder zehn Politiker zu Erk Acarer gehen und sich vor sein Haus stellen, dort eine Erklärung abgeben und sagen: 'So nicht! Sowas würde dann nie wieder geschehen.'"
Der Insider unterstreicht die Bedeutung des Angriffs: "Es ist nicht einfach ein Angriff auf das Haus von Erk Acarer. Die Aktion geschieht in Ihrem Hoheitsgebiet. Es ist ein Angriff auf Ihr Haus", so der ehemalige Diplomat.
Warten auf die Zeit nach Erdogan
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verteidigt die Haltung Deutschlands: Man müsse gegenüber Erdogan eine klare Haltung haben, ohne das langfristige Verhältnis zur Türkei zu riskieren. "Ich hoffe sehr auf eine Zeit nach Erdogan", so Herrmann gegenüber ZDFzoom.
Erich Schmidt-Eenbohm, Geheimdienstexperte, warnt dagegen: "Selbst wenn es nach Erdogan 2023 eine andere türkische Regierung ohne AKP und MHP geben wird, dann hat sich in der Bundesrepublik doch dieses repressive Schattenreich gebildet."
- Erdogan-Kritiker fürchten um ihr Leben
In Berlin wird ein Erdogan-kritischer Journalist vor seinem Haus attackiert. Es ist nur einer von vielen Fällen von Gewalt, hinter denen türkische Nationalisten vermutet werden.