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Interview

Estnischer Armeechef zu Russland : "Dürfen keine Angst vor Eskalation haben"

Datum:

Der estnische Armeechef Martin Herem fordert eine raschere Unterstützung der Ukraine. In Bezug auf Russland sagte er im ZDF: "Wir sollten nicht zögern, tatsächlich zu eskalieren."

ZDFheute: Sie haben bereits sehr früh vor diesem Krieg gewarnt. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation? 

Martin Herem: Die Ukraine befindet sich in einem konventionellen Krieg, aber wir befinden uns in einem hybriden Krieg mit Russland. Und Russland setzt in diesem Krieg alle möglichen Elemente ein, um seine strategischen Ziele zu erreichen. Und eines davon ist die Instabilität unter den westlichen Ländern.   

ZDFheute: Wenn sich auch der Westen im Krieg mit Russland befindet, in einem hybriden Krieg, was folgt daraus nach Ihrer Ansicht?   

Herem: Was wir tun müssen, ist, uns auf den Winter vorzubereiten. Der Winter wird kommen. Mit unterschiedlichen Bedeutungen. Die Wirtschaftssanktionen von unserer Seite werden sehr bald in Kraft treten.

Der nächste Erfolg, den wir erreichen können, wird sein, wenn die Ukraine ihre Grenzen wiederherstellt und die Kontrolle über ihr Territorium zurückerlangt.
Martin Herem

Und ich denke, wir müssen die Ukraine unterstützen. Wenn die Ukraine verliert, hätte das erhebliche Auswirkungen auf unsere Länder, ich meine, auf die Psychologie unserer Gesellschaften und definitiv auf die baltischen Staaten.

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4 min
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ZDFheute: Wie hoch sind die Chancen, dass die Ukraine sich durchsetzt?   

Herem: Ganz am Anfang des Krieges waren die Ukrainer vielleicht bereit zu verhandeln, um den Frieden zu bekommen, egal wie viel Land sie dabei verlieren. Heute glaube ich nicht mehr, dass sie bereit sind aufzuhören, bevor sie ihr Territorium wiederhergestellt haben. Und das hängt sehr von unserer Unterstützung aus dem Westen ab.  

ZDFheute: Estland hat im Vergleich zu anderen Ländern besonders viel militärische Unterstützung in die Ukraine geliefert. Woran fehlt es Ihrer Ansicht nach? 

Herem: Die Bereitschaft, die Ukraine zu unterstützen, hat eine Größenordnung erreicht, die ich so nicht erwartet hätte. Was ich jetzt gerne sehen würde, ist, dass diese Unterstützung auch schnell ankommt. Es scheint, dass viele Länder bereit sind zu helfen.

Aber wir leben immer noch mit Entscheidungsprozessen und einer Bürokratie wie zu Friedenszeiten.

Und das zu einer Zeit, in der in der Ukraine jeden Tag Menschen sterben oder getötet werden. Und ich denke, wir können das verhindern, indem wir schneller Unterstützung leisten.

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2 min
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ZDFheute: Was befürchten Sie, wenn der Prozess nicht beschleunigt wird?    

Herem: Ich glaube nicht, dass Russland noch große Fortschritte machen kann - oder, wie wir es nennen, echte operative Erfolge. Was ich befürchte, ist, dass wenn wir zu spät kommen, jeden Tag nicht nur viele ukrainische Soldaten, sondern auch Zivilisten getötet werden. Es klingt vielleicht ein bisschen kontrovers, aber:

Indem wir die Ukraine mit tödlichen Waffen unterstützen, verhindern wir tatsächlich das Töten unschuldiger Menschen. 

ZDFheute: Russland bedroht auch andere Länder, insbesondere Ihre Heimat, das Baltikum. Was erwarten Sie von Europa und der Nato? 

Herem: Ich denke, wir müssen die Bedrohung viel ernster nehmen als bisher. Denn bisher haben wir über Russland nur als eine mögliche Bedrohung gesprochen. Wir sollten sagen, dass wir jeden Tag bereit sein müssen.

Und wir sollten nicht zögern, tatsächlich zu eskalieren.

Einige Leute sagen, dass wir Russland einen Ausweg lassen müssen. Aber ich mache mir keine Sorgen, Russland in die Ecke zu drängen.

Denn wir, die baltischen Länder, wir sind schon längst in der Ecke und wir fühlen uns auch so.

Wir müssen das ernst nehmen, denn früher oder später werden wir dafür bezahlen, wenn wir nicht die richtige Position einnehmen und das Richtige tun. Das sind Dinge, die ich von den größeren Ländern wie Deutschland oder Frankreich erwarte. Dass sie diesen Prozess anführen und keine Angst vor einer Eskalation haben. 

Das Interview führte Thomas Reichart, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.

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