Ethikrat hält Suizide für ethisch vertretbar

    Als Ausdruck einer freien Wahl:Ethikrat hält Suizide für ethisch vertretbar

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    von Dominik Rzepka
    22.09.2022 | 11:10
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    Der Deutsche Ethikrat fordert, Suizide aus freien Stücken zu respektieren. Der Staat dürfe Menschen nicht generell an einem Suizid hindern. Sogar Suizidhilfe könne vertretbar sein.

    Eine Frau steht neben einem Baum.
    Der Deutsche Ethikrat hat eine Stellungnahme zu Suiziden und Suizidprävention veröffentlicht (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Der Deutsche Ethikrat hat sich dafür ausgesprochen, Suizide aus freien Stücken zu respektieren. Wenn ein Mensch diese Entscheidung freiverantwortlich treffe, gelte es, diesen Wunsch "als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts zu akzeptieren", sagt Ethikrats-Vorsitzende Alena Buyx.
    Staat und Gesellschaft hätten nicht das Recht, Menschen an ihrem Suizid zu hindern - es sei denn, diese könnten ihre Entscheidung eben nicht aus freien Stücken treffen. Dann gelte es vielmehr, die Person vor sich selbst zu schützen. Zu einem freiverantwortlichen Suizid aber dürfe sogar Hilfe geleistet werden, zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen.




    Geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid war bis vor Kurzem verboten, das Bundesverfassungsgericht hatte das Verbot 2020 aber gekippt. Im Moment arbeitet der Gesetzgeber an einer neuen gesetzlichen Regelung zur Beihilfe zur Selbsttötung.

    Ethikrat fordert bessere Prävention

    In seiner Stellungnahme zu Suiziden, die der Ethikrat in Berlin vorgestellt hat, wird in diesem Zusammenhang auch bessere Prävention gefordert. Menschen mit diesem Wunsch müssten in begleitenden Gesprächen Alternativen zum Suizid eröffnet werden.
    Außerdem sei Suizid keine Privatangelegenheit der betroffenen Person. Zu bedenken sei etwa die Rolle der Angehörigen. Insgesamt solle der Staat gewährleisten, dass Menschen nicht in diese Situation kommen.
    Lea (20) wollte sich vor drei Jahren das Leben nehmen. In einem Blog berichtet sie von ihrer Geschichte.08.09.2022 | 10:28 min

    Das lange Warten auf einen Therapieplatz

    In seiner Stellungnahme weist der Ethikrat darauf hin, wie wichtig Psychotherapien und eine gute psychologische Versorgungsstruktur sind. Diese sei aber "nicht im ganzen Land gegeben". Kinder und Jugendliche zum Beispiel warten im Schnitt ein halbes Jahr auf eine Therapie.
    Der Ethikrat kritisiert "wachsende Defizite" bei psychotherapeutischen Angeboten. Therapieplätze müssten niedrigschwelliger erreichbar sein. Hier sei auch der Staat in der Pflicht. Der Ethikrat fordert:

    Die Strukturen der Suizidprävention müssen gestärkt und eine angemessene, dauerhafte und verlässliche Finanzierung sichergestellt werden.

    Deutscher Ethikrat

    9.206 Suizide im Jahr 2020

    In Deutschland stirbt jede Stunde ein Mensch aufgrund eines Suizids. Im Jahr 2020 haben sich 9.206 Menschen das Leben genommen, rund 75 Prozent davon Männer. Die Zahl der Suizidversuche liegt laut Deutscher Depressionshilfe etwa 15 bis 20 Mal höher. Depressionen sind die Hauptursache von Suiziden.
    Wer an einer Depression leidet, kann Hilfe bekommen: "Die erfolgreiche Behandlung der psychiatrischen Erkrankung stellt somit die beste Suizidprävention dar", sagt die Deutsche Depressionshilfe.

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