Jetzt also doch: EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der britische Premier Johnson haben sich auf eine Fortsetzung der festgefahrenen Brexit-Gespräche geeinigt.
Die EU und Großbritannien unternehmen einen weiteren Versuch, doch noch ein Handelsabkommen nach dem Brexit zu vereinbaren. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Samstagabend mitteilte, einigte sie sich mit dem britischen Premierminister Boris Johnson bei einem Telefonat trotz "bedeutender Differenzen" in zentralen Fragen auf eine Fortsetzung der Verhandlungen am Sonntag. Sie werde dann am Montagabend erneut mit Johnson sprechen.
Auch nach acht Monaten Verhandlungen haben sich die EU und Großbritannien noch nicht auf ein Brexit-Handelsabkommen verständigen können. Die Chefunterhändler hatten am Freitag wegen "bedeutender Meinungsverschiedenheiten" ihre Gespräche unterbrochen.
Deshalb sollten der britische Premier und die EU-Kommissionspräsidentin über das Schicksal der Verhandlungen beraten. Es gibt Streitpunkte bei drei zentralen Punkten. Ein Überblick:
Streit um Wettbewerbsregeln und Staatshilfen
Die EU hat Großbritannien ein Handelsabkommen ohne Zölle und Einfuhrquoten und damit weitgehend ungehinderten Zugang zu ihrem Markt mit fast 450 Millionen Konsumenten angeboten. Großbritannien will seinerseits möglichst komplette Freiheit bei Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards für seine Wirtschaft.
Die EU-Seite befürchtet deshalb massive Wettbewerbsnachteile, wenn die Briten als drittgrößter Handelspartner Standards unterlaufen und Waren zu Dumpingpreisen auf den Markt bringen.
Auch über eine Regelung für Staatsbeihilfen streiten beide Seiten. Die EU will sich gleichfalls schützen, falls Großbritannien seine Unternehmen massiv unterstützt und damit den Wettbewerb mit Firmen aus Kontinentaleuropa verzerrt. Sie will durchsetzen, dass sie notfalls umgehend Sanktionen gegen die Briten verhängen kann.
Regulierung der künftigen Beziehungen
Bei der Durchsetzung und Kontrolle des künftigen Abkommens ist noch keine Einigung in Sicht. Das Misstrauen der Europäer gegenüber London ist sogar gestiegen, seitdem Johnson einseitige Änderungen am bereits in Kraft befindlichen Brexit-Abkommen auf den Weg gebracht hat.
Die EU will einen wirksamen Streitschlichtungsmechanismus. In Handelsabkommen sind das normalerweise Schlichtungsgremien, die bei Konflikten bindende Entscheidungen treffen. Ursprünglich hatte die EU gefordert, dass bei der Streitschlichtung der Europäische Gerichtshof bei allen Fragen eine Rolle spielt, die mit europäischem Recht zusammenhängen.
Für die Brexit-Hardliner ist das aber ein Frontalangriff auf ihre gerade wiedergewonnene Souveränität.
"Hochpolitische" Fischfangrechte
Bisher nutzt eine Reihe von EU-Staaten britische Gewässer für die Fischerei. Großbritannien will die volle Kontrolle über diese zurück und sieht darin eine Frage der nationalen Souveränität. "Das ist eine der ganz wenigen Fragen, wo die Briten tatsächlich einen Hebel haben", so ein EU-Diplomat. Ohne Einigung hätten EU-Fischer ab dem Jahreswechsel keinen Zugang mehr zu den Gewässern.
Laut EU-Kommission hat der Bereich pro Jahr ein Gesamtvolumen von 635 Millionen Euro. Die Bedeutung im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen ist damit eigentlich gering. In Brüssel wird aber darauf verwiesen, dass das Thema in Ländern wie Frankreich, Belgien oder Dänemark "eine hochpolitische Frage" sei.
- Johnson und von der Leyen wollen reden
Die Brexit-Gespräche zwischen Brüssel und London stecken fest. Eine Einigung ist nach einer Woche intensiver Gespräche nicht in Sicht. Nun sollen die Chefs miteinander reden.