Die EU will laut EU-Ratschef Michel bei Sicherheit, Digitalem und Energie unabhängiger werden. Mehr Autonomie stößt bei osteuropäischen und baltischen Staaten aber auf Widerstand.
EU Staats- und Regierungschefs wollen bei einem Gipfel in Slowenien über die Beitrittsperspektiven von sechs Balkanländern sprechen.
Die Europäische Union muss nach Ansicht von EU-Ratschef Charles Michel ihre Fähigkeit ausbauen, unabhängig zu handeln. Nach einem Abendessen der Staats- und Regierungschefs im slowenischen Brdo pri Kranju forderte auch der französische Präsident Emmanuel Macron, die EU müsse "ihre Unabhängigkeit und Souveränität steigern".
Als Lehre aus der Corona-Krise und den außenpolitischen Alleingängen der USA will die Europäische Union weniger abhängig von anderen Weltregionen werden. EU-Ratschef Charles Michel sagte:
"Deutschland und einige Südeuropäer wollen Positives sehen", sagt ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek zum EU-Beitritt der West-Balkanländer.
Michel: EU wird eigene Interessen verfolgen
Als Beispiele nannte Michel wirtschaftliche Fragen, aber auch die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Insbesondere gegenüber China, das man als Wettbewerber, Partner und systemischen Rivalen betrachte, werde die EU ihre eigenen Interessen verfolgen.
Michel nannte zudem Bereiche wie Energie, Digitales, Cybersicherheit, Halbleiter, Industriepolitik und Handel, in denen Abhängigkeiten reduziert werden sollten. Bereits beim nächsten EU-Gipfel am 21. und 22. Oktober wolle man auf das Thema zurückkommen.
Macron: Stärkeres Europa schaffen
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte: "Auf technologischer, industrieller, finanzieller aber auch militärischer Ebene müssen wir die Grundlagen für ein stärkeres Europa schaffen."
Der französische Staatschef hatte bereits nach dem überstürzten Abzug aus Afghanistan im August eine größere militärische Unabhängigkeit von den USA gefordert. Zu Verteidigung und Sicherheit will er unter französischem Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2022 einen eigenen EU-Gipfel abhalten.
Borrell: Geopolitische Verschiebungen
"Wir müssen unsere Handlungsfähigkeit stärken", forderte auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter. Dies zeigten die jüngsten "tiefgreifenden geopolitischen Verschiebungen". Damit spielte der Spanier auch auf das neue indopazifische Bündnis der USA mit Großbritannien und Australien (Aukus) an.
Osteuropäer und Balkanstaaten besorgt
Die Forderung nach Autonomie der EU stößt allerdings bei osteuropäischen und den baltischen Staaten auf Widerstand. Sie sehen in den USA und der Nato einen Garanten ihrer Sicherheit gegenüber Russland. Es müsse deshalb um den Start eines Prozesses gehen, der eine neue Rolle für die Nato definiere, aber Osteuropa einbinde, hieß es von Gipfelteilnehmern.
Weitere Themen bei dem Abendessen der EU-Staats- und Regierungschefs waren die Beziehungen zu China und die massiv gestiegenen Energiepreise. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm an dem Gipfel teil, äußerte sich jedoch vorerst nicht.
Perspektiven für Westbalkanstaaten
Am Mittwoch sollten die Beratungen im erweiterten Format mit den Westbalkan-Ländern fortgesetzt werden. Hierzu wurden die Staats- und Regierungschefs von Albanien, Nordmazedonien und vier weiteren Balkan-Ländern erwartet - sie hoffen auf einen Startschuss für die Beitrittsverhandlungen mit der EU.
Dafür hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) vor dem Gipfel ein klares Signal gefordert. Auch Österreich forderte Fortschritte. Kanzler Sebastian Kurz schrieb auf Twitter, es sei "sehr wichtig, dass wir die EU-Perspektive für alle Westbalkanstaaten erneut bekräftigen (...)".
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