Untersuchung von Kommission:EU: Rechtsstaat in Polen und Ungarn in Gefahr
13.07.2022 | 18:43
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Schlechte Zeugnisse von der EU-Kommission: In Polen und Ungarn wird zu wenig gegen Korruption getan und die Medienvielfalt ist gefährdet. Auch in Deutschland gibt es Probleme.
Die EU-Kommission in Brüssel ist besorgt wegen Polen und Ungarn.
Quelle: Reuters
Justiz, Medien, Korruption: Der Rechtsstaat in Ländern wie Ungarn und Polen ist nach einer Analyse der EU-Kommission akut in Gefahr. Die für die Einhaltung von EU-Standards zuständige Behörde stellte beiden Ländern verheerende Zeugnisse aus.
EU-Kommissionsvize Vera Jourova verwies darauf, dass die Situation in der EU auch wegen der Außenwirkung problematisch ist. Die EU sei mit ihren Bemühungen, den Rechtsstaat in der von Russland angegriffenen Ukraine zu verteidigen, nur dann glaubwürdig, wenn das eigene Haus in Ordnung sei, sagte sie. Doch davon sind etliche Länder teils weit entfernt.
Korruption und Vetternwirtschaft in Ungarn
In Ungarn sieht die EU-Kommission weiter erhebliche Probleme. Zuvor geäußerte Bedenken mit Blick auf die Unabhängigkeit der Justiz seien nicht ausgeräumt worden. Unzulänglichkeiten bestünden nach wie vor mit Blick auf Lobbyismus, den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft sowie die Parteien- und Wahlkampffinanzierung.
Unabhängige Kontrollmechanismen reichten weiter nicht aus, um Korruption aufzudecken. Die Rede ist von "einem Umfeld, in dem die Risiken von Klientelismus, Günstlings- und Vetternwirtschaft in der hochrangigen öffentlichen Verwaltung nicht angegangen werden".
Weiter flössen große Teile staatlicher Werbung in regierungsnahe Medien. Zudem wirft die EU-Kommission der Regierung von Viktor Orban vor, von ihren Befugnissen während des Corona-Notstands "ausgiebig Gebrauch" gemacht zu haben - auch in Bereichen, die nicht in Zusammenhang mit der Pandemie stehen.
Wegen mutmaßlicher Missachtung von EU-Grundwerten läuft ein Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen das Land. Zudem hat die EU-Kommission den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus gegen Ungarn ausgelöst, durch den die Kürzung von EU-Mitteln droht.
Ist Polens Justiz wirklich unabhängig?
Polen ist ebenso seit Jahren im Fokus der Kommission. Auch gegen Warschau läuft ein Artikel-sieben-Verfahren und der Europäische Gerichtshof hat polnische Justiz-Gesetze mehrfach kassiert. Zuletzt machte die nationalkonservative Regierung zwar einen Schritt auf ihre Kritiker zu. Doch die EU-Kommission sieht weiter "ernste Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der polnischen Justiz".
Auch sieht die EU-Kommission deutliche Unzulänglichkeiten im Kampf gegen Korruption, eine Gefahr für die Medienvielfalt und die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien.
Deutschland steht gut da - bis auf Lobbyismus
Deutschlands Rechtsstaat steht nach Ansicht der EU-Kommission gut da. Doch übt die Behörde auch Kritik. Demnach müssen Richter angesichts einer bevorstehenden Pensionierungswelle besser bezahlt werden. Dabei gehe es auch um die Attraktivität des Berufs.
Verbesserungsbedarf sieht die EU-Kommission zudem beim Wechsel von Politikern etwa in die Wirtschaft. Die sogenannte Abkühlphase für Bundesminister und parlamentarische Staatssekretäre nach ihrer Tätigkeit in der Politik müsse länger sein. Auch die Verfahren zur Genehmigung neuer Jobs hochrangiger Beamter müssten transparenter sein.
Probleme in weiteren Länder wie Kroatien oder Österreich
Auch die wahrgenommene Unabhängigkeit der Justiz in Kroatien und der Slowakei sei sehr niedrig. In Bulgarien seien Lobbying und der Schutz von Whistleblowern bislang nicht angemessen geregelt, und in Österreich gebe es Probleme mit Blick auf eine mögliche politische Einflussnahme bei der Besetzung von Management- und Vorstandsposten öffentlich-rechtlicher Medien. Auch bei Rumänien meldet die EU-Kommission Bedenken hinsichtlich des Justizsystems.
Das Europaparlament fordert von der EU-Kommission schon länger, mehr Druck auf Rechtsstaatsünder zu machen.
Quelle: dpa
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