Die EU diskutiert um einen Importstopp für russisches Öl. Deutschland will ein Embargo mittragen, andere Staaten sind skeptisch.
Nach einem Sondertreffen der EU-Energieminister in Brüssel zeichnete sich am späten Montagabend zunächst noch kein klarer Konsens über das sechste Sanktionspaket gegen Moskau ab, das die EU-Kommission in Kürze auf den Weg bringen will.
Habeck geht von einem Öl-Embargo aus
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnet aber trotzdem fest damit, dass ein EU-Öl-Embargo kommt. "Dass Öl auf die Sanktionsliste kommt, davon gehe ich sicher aus", sagte Habeck im ZDF nach dem Treffen mit seinen Amtskollegen in Brüssel. Wie hart die Embargo-Bedingungen definiert würden, werde aber noch beraten.
Die EU-Kommission werde das neue Sanktionspaket gegen Russland nach seiner Einschätzung am Dienstag vorschlagen, sagte Habeck weiter. Ob die nötige Einigung der Mitgliedstaaten bis zum Wochenende gelinge, sei noch offen.
Robert Habeck im Gespräch mit heute-journal-Moderator Christian Sievers:
Auch der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, erwartet ein Öl-Embargo gegen Russland. Er hoffe, dass die EU in der Lage sein werde, Russlands Energieexporte deutlich zu begrenzen, sagt Borrell. Bisher gebe es noch keine Einigung zwischen allen Mitgliedern.
Ungarn gegen Embargo
Die EU-Kommission will spätestens am Mittwoch ihren Vorschlag für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen präsentieren. Sanktionsmaßnahmen müssen innerhalb der EU in der Regel einstimmig beschlossen werden.
Ungarn lehnt einen Importstopp für russisches Öl und Gas allerdings ab. Der Anfang April wiedergewählte Regierungschef Viktor Orban will das Thema Diplomaten zufolge auf dem EU-Gipfel in Brüssel Ende Mai diskutieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu einem möglichen Öl-Embargo in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Scholz?": Wir wissen, wie schwierig das ist, deshalb wissen wir auch, wie schwierig das für andere Länder ist." Es gehe jetzt darum, ein "gemeinsames Konzept" zu finden. Als möglich gilt in Brüssel derzeit eine Ausnahmeklausel für Länder, die besonders stark von russischen Öllieferungen abhängig sind - so wie Ungarn.
Habeck: "Schnell und drastisch" reduzieren
Habeck rief skeptische EU-Länder wie Ungarn zu einem raschen Ausstieg aus russischem Öl und Gas auf. Die Solidarität mit der Ukraine gebiete es, fossile Energieträger aus Russland "schnell und drastisch zu reduzieren", sagte er in Brüssel. "Ungarn bemüht sich von allen EU-Ländern am wenigsten", kritisierte Habeck im "heute journal".
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Polen forderte dagegen einen sofortigen Importstopp. "Nun ist die Stunde für ein Öl-Embargo gekommen", sagte Umwelt- und Klimaministerin Anna Moskwa in Brüssel. "Gas ist dann der zweite Schritt." Polen gilt in der Frage eines Energie-Embargos als der engste Verbündete der Ukraine.
Warnung vor hohen Preisen
Andere EU-Länder warnen vor kostspieligen Folgen auch in Europa. Damit würden die Kraftstoffpreise weiter in die Höhe schießen, heißt es etwa aus Spanien, Portugal, Italien oder Griechenland. Diese Länder dringen auf eine längere Übergangsfrist, um Alternativen zu russischem Öl zu finden.
Auch Habeck sagte in Brüssel, ohne Folgen für die eigene Wirtschaft sei ein Ausstieg aus russischem Öl nicht machbar. Ein solcher Schritt bedeute eine "höhere Inflation, höhere Energiepreise und eine Belastung der Wirtschaft".
FAQ- Ohne Russland-Öl? Das wären die Folgen
Minister Habeck hält ein Öl-Embargo gegen Moskau für machbar. Die Pläne der EU könnten bald konkreter werden. Doch es bleibt eine hohe Hürde - und die Furcht vor einem Preisschock.
In Berlin hatte er zuvor betont, ein Öl-Embargo sei für Deutschland dennoch "tragbar". Deutschland hat seine Abhängigkeit von russischem Öl und Gas nach Darstellung der Bundesregierung zuletzt deutlich reduziert. Beim Öl etwa sei der Anteil von 35 Prozent vor dem Krieg auf zuletzt zwölf Prozent gesenkt worden, bekräftigte Habeck. Zuletzt bezog die EU mehr als ein Viertel ihres Mineralöls aus Russland.
Reaktion auf russischen Lieferstopp
Frankreich als amtierender Ratsvorsitzender hatte das Ministertreffen als Reaktion auf den russischen Gaslieferstopp für Polen und Bulgarien am vergangenen Mittwoch einberufen. Die französische Umweltministerin Barbara Pompili verurteilte den "einseitigen und brutalen" Schritt.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, mit der Forderung nach Gaszahlungen in Rubel die EU "spalten" zu wollen. Habeck warnte, wenn Russland die Mitgliedsländer wirklich zwingen wolle, die Lieferungen nicht mehr in Euro zu bezahlen, "dann werden sie auch anderen Ländern den Gashahn abstellen". Auch Deutschland müsse damit rechnen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.