Europa in unsicherer Zeit: Wie junge Menschen über die EU denken
"Es schwächt das Wir-Gefühl":Wie junge Menschen über die EU denken
von Elena Chapoutier
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Aufgrund des Kurswechsels der USA unter Trump und neuer politischer Gegebenheiten muss sich die Europäische Union neu aufstellen. Wie blicken junge Menschen aktuell auf die EU?
"Zum Glück lebe ich nicht in den USA": Viele junge Menschen fühlen sich mit Europa verbunden - und sind dennoch besorgt.
Quelle: dpa
Justin Nassim (20), Azubi zum Telekommunikationskaufmann
Europa ist Vielfalt. Zusammenhalt. Aber alles, was Menschlichkeit angeht oder auch Politik, das ist in Deutschland gerade nicht so stark und gut vertreten. Durch den Ukraine-Krieg und das, was in den USA gerade abgeht, ist Europa ein bisschen bedroht, wenn auch nicht direkt. Ich fühle mich weiterhin noch sicher in Europa.
Grenzkontrollen finde ich einerseits gut, weil viele illegale Einwanderer hereinkommen wollen. Andererseits ist es halt doof, weil Menschen, die wirklich flüchten und hier Schutz suchen, strenger kontrolliert werden als sonst.
Die aktuellen Spannungen zwischen den USA, China und Europa machen mir ein bisschen Sorgen. Ich arbeite viel mit Handys. Das wird alles zehnmal teurer und es wird auch mies auf die Inflation draufgehen.
Meine große Sorge ist, dass wirklich wieder ein Krieg ausbricht.
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Justin Nassim
Vertreter mehrerer europäischer Länder und der USA haben zuletzt in Paris über Auswege aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beraten. Auch eine ukrainische Delegation war vor Ort.17.04.2025 | 1:33 min
Das, was in der Politik in Deutschland jetzt abgeht, in den USA, in der Ukraine, das ist alles wie früher. Wie das, was mein Opa mir von damals noch erzählt hat. Davor habe ich große Angst.
Der 20-jährige Justin Nassim macht eine Ausbildung zum Telekommunikationskaufmann.
Quelle: ZDF
Kim Thomas (29), Einzelhandelskauffrau
Ich erlebe Europa im besten Fall in der Theorie als Gemeinschaft. Ohne Grenzen. Ein Miteinander, was zusammenhält und sich gegenseitig unterstützt. Und als Privileg. Einfach so reisen zu können.
Ich habe leider das Gefühl, dass sich Europa aktuell eher abschottet. Wegen des Krieges, des Ukraine-Konfliktes. Grenzkontrollen betreffen mich selbst gar nicht, aber es schwächt das Wir-Gefühl. Es treibt einen Keil dazwischen.
Die Grenzkontrollen sind zurück im Schengenraum und sollen auch 2025 weiter fortgesetzt werden.13.01.2025 | 2:52 min
In Bezug auf die USA wünsche ich mir wieder mehr Zusammenhalt, dass die EU sich ein bisschen mehr um sich selbst kümmert und nicht so viel nach China, Russland, USA schaut.
Man merkt es ja jetzt auch gerade bei uns in der Politik, bei den Landtagswahlen, bei der Bundestagswahl, es driftet schon ein bisschen nach rechts ab. Wir müssen aufpassen und versuchen, irgendwie das zu schützen, was wir haben.
Die 29-jährige Kim Thomas arbeitet als Einzelhandelskauffrau.
Quelle: ZDF
Laura (19), Abiturientin
Ich fühle mich schon europäisch, auf jeden Fall. Man hat ein Zugehörigkeitsgefühl, auch dadurch, dass in der EU die Grenzen offen sind. Die aktuellen Grenzkontrollen habe ich mitbekommen, aber für mich selber hat sich dadurch nichts groß geändert, würde ich sagen.
Ich wünsche mir, dass die EU sich auch für die Interessen der jungen Menschen einsetzt. Auch für Rechte von queeren Personen zum Beispiel.
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Laura, Abiturientin
Die Spannungen mit den USA und China - das betrifft uns alle irgendwie. Es macht mir schon ein bisschen Sorgen. Zum Glück lebe ich nicht in den USA.
Luca (21), arbeitet im Einzelhandel, ab Juli Bundeswehrsoldat
Europa bedeutet für mich vor allem grenzübergreifender Zusammenhalt. Dieser europäische Geist, finde ich, ist eigentlich das Kernelement. Vor allem in Bezug auf das, was auf der anderen Seite des Atlantiks abgeht, ist es noch mal wichtiger, dass die europäischen Länder Solidarität nach außen zeigen und sich nicht weiter auseinandertreiben lassen.
Sehnsuchtsort Europa: Warum sich Flüchtende von strengeren Asylregeln der EU nicht abschrecken lassen wollen.15.05.2024 | 2:15 min
In immer mehr Ländern tritt ein starker Rechtsruck auf, sei es jetzt in Frankreich, in Italien, jetzt auch bei uns in Deutschland - bedauerlicherweise. Vor allem deshalb gibt es wieder viele dieser Themen wie Grenzen schließen, ich finde, das ist die falsche Herangehensweise.
Was ich über Donald Trump denke, das spare ich mir jetzt. Aber ich finde, es ist eine Bedrohung dahingehend, dass sowas immer zu Spannungen führt. Wie jetzt seine Strafzölle zu China und zu Europa.
Der 21-jährige Luca arbeitet derzeit im Einzelhandel, ab 1. Juli ist er Soldat bei der Bundeswehr.
Quelle: ZDF
Man soll als Europa zusammenhalten, damit sich das nicht zu einer Bedrohung entwickelt. Wenn sich jetzt einzelne Nationen mit den USA solidarisieren, andere wiederum mit der Europäischen Union, entsteht eine Kluft. Und das würde dann eher Donald Trump zugutekommen und nicht uns.
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