Erstmals konnten Hunderte Zivilisten bei einer abgestimmten Evakuierung aus der Stadt Sumy gerettet werden. In weiteren Städten scheinen die Versuche wiederum gescheitert.
Nach mehreren gescheiterten Evakuierungen haben tausende Ukrainer am Dienstag erneut versucht, aus ihren von russischen Truppen belagerten Städten zu fliehen. Es gibt widersprüchliche Meldungen zur Lage. Weitere Updates zur Lage und Reaktionen finden Sie auch in unserem Liveblog zum Angriff auf die Ukraine.
Wohl 723 Menschen aus Sumy evakuiert
Sumy ist die erste von fünf ausgewählten ukrainischen Städten, bei der ein Fluchtkorridor auch tatsächlich zu funktionieren scheint. Videoaufnahmen der ukrainischen Kommunikationsbehörde zeigten Busse in Sumy im Osten des Landes und in der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer, mit denen Menschen in Sicherheit gebracht wurden.
Das russische Verteidigungsministerium teilt mit, die ukrainischen Behörden hätten nur eine von zehn vorgeschlagenen Evakuierungsrouten für Zivilisten von Sumy über Poltawa bis zur polnischen Grenze bestätigt. 723 Menschen seien durch den Sumy-Poltawa-Korridor evakuiert worden, darunter 576 indische Staatsangehörige, zitieren russische Agenturen das Ministerium.
"Die ukrainische Stadt Sumy hat einen grünen Korridor erhalten, die erste Phase der Evakuierung hat begonnen", twitterte die staatliche ukrainische Kommunikationsagentur. Unklar war, wie lange die Aktion andauern würde.
Verzweiflung zwischen Flucht und Bomben
Fluchtroute aus Mariupol laut Nato attackiert
Bestätigte Berichte wie die Lage in den anderen vier Städten, Kiew, Charkiw, Mariupol und Tschernihiw ist, für die von russischer Seite eine Feuerpause angeboten wurde, liegen nicht vor.
Als besonders kritisch gilt 13 Tage nach dem Einmarsch die Lage in der belagerten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Dort warten nach Angaben des Roten Kreuzes 200.000 Menschen darauf, über verschiedene Routen aus der Stadt zu kommen. Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ist die Lage katastrophal.
In Mariupol sollen Menschen in Busse mit dem Zeichen des Roten Kreuzes gestiegen sein. In einer Videoansprache sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj, es seien zwar Busse nach Mariupol geschickt worden, es sei jedoch keine feste Route vereinbart worden. Außerdem sollen die Busse die Menschen nur innerhalb der Ukraine in andere Städte gebracht haben.
Nach ukrainischen Angaben seien die Flüchtenden von russischen Soldaten attackiert worden.
Die Nato teilte mit, ihr lägen glaubwürdige Berichte vor, wonach auf fliehende Zivilisten geschossen worden sei. Eine solche Tat stelle ein Kriegsverbrechen dar. "Solche Aktionen (...) sind nichts anderes als Völkermord." Das Außenministerium in Kiew warf Russland einen "Verstoß gegen die Waffenruhe" vor.
Die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol wird seit Tagen von russischen Truppen belagert. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte, die Bewohner von Mariupol befänden sich in einer "grauenhaften" Lage. Es fehle an Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung, sagte IKRK-Medienchef Ewan Watson in Genf.
Angst vor Angriffen, aber auch Hass auf Putin: Die Wut der Ukrainer breitet sich auch auf die russische Bevölkerung aus. "Wir verzeihen das Russland nicht", heißt es bei vielen.
Menschen sollen versuchen Irpin und Butscha zu verlassen
Hunderte Zivilisten versuchten wohl derweil im Kiewer Vorort Irpin, sich über eine inoffizielle Route in Sicherheit zu bringen, wie AFP-Reporter berichteten. Russland hatte es nach ukrainischen Angaben abgelehnt, dort einen humanitären Korridor einzurichten.
Auch in Butscha vor den Toren Kiews beobachtete ein AFP-Reporter, dass die Menschen verzweifelt versuchten, die Stadt zu verlassen. Eine Einwohnerin namens Anna sagte, die Stadt stehe kurz vor einer "humanitären Katastrophe":
Russland hatte Fluchtwege nach Russland und Belarus angeboten
Russland hatte am Montagabend örtliche Feuerpausen sowie die Einrichtung von humanitären Korridoren für Zivilisten aus mehreren umkämpften Städten in der Ukraine angekündigt.
Die Fluchtwege aus Kiew, Sumy, Charkiw, Mariupol und Tschernihiw sollten jedoch zumeist nach Russland oder Belarus führen, von wo aus die russische Armee am 24. Februar in der Ukraine einmarschiert war. Die Ukraine lehnte diese Fluchtkorridore ab.
Selenskyj wirft Russland vor, alle Evakuierungsversuche zu behindern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Dienstagmorgen erklärt, es habe "Garantien" für die Evakuierung der Bewohner von Mariupol gegeben, die aber "nicht funktioniert" hätten. Selenskyj hatte Russland bereits am Montagabend vorgeworfen, alle vorherigen Evakuierungsversuche verhindert zu haben.
Kreml-Chef Wladimir Putin hatte hingegen wiederholt "ukrainische Nationalisten" beschuldigt, die Evakuierungen umkämpfter Städte zu vereiteln.
Nach UN-Angaben stieg die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine in die Nachbarländer inzwischen auf über zwei Millionen. Mindestens 406 Zivilisten seien seit Beginn des Kriegs getötet worden. Die tatsächliche Opferzahl dürfte aber "erheblich höher" liegen.
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