In Sicherheitsbehörden hat es zwischen 2018 und 2021 deutlich mehr Verdachtsfälle im Zusammenhang mit Rechtsextremismus gegeben. Die Zahlen hat Innenministerin Faeser vorgestellt.
Bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sind in den vergangenen Jahren mehr Fälle von Rechtsextremismus aktenkundig geworden als bislang bekannt.
Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern werteten zwischen dem 1. Juli 2018 und dem 30. Juni 2021 insgesamt 860 Fälle von Mitarbeitenden mit dem ursprünglichen Verdacht auf Bezüge zum Rechtsextremismus sowie "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" aus, wie das an diesem Freitag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellte Lagebild zeigt.
Was ergaben die Ermittlungen?
In 327 der Verdachtsfälle ergaben sich dabei konkrete Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Den Angaben zufolge gab es somit bei 38 Prozent von den insgesamt 860 geprüften Fällen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Die Fälle mit konkreten Anhaltspunkten teilen sich auf in:
- 189 in Landessicherheitsbehörden
- 138 in Bundessicherheitsbehörden
In welchen Behörden wurde ermittelt?
Für das Lagebild überprüft wurden Beschäftigte der Polizei, beim Bundesnachrichtendienst, beim Militärischen Abschirmdienst, beim Zoll und in anderen Sicherheitsbehörden.
Rechtsradikale Kräfte in Polizei und Bundeswehr schmieden Umsturzpläne, legen Waffenlager an und führen Listen mit Gegnern – die Vorbereitungen für den "Tag X" sind konkreter als gedacht.
Welche verfassungsfeindlichen Bestrebungen wurden insgesamt festgestellt?
Folgende konkrete Verstöße wurden registriert:
- 152 Mal Mitgliedschaften in einschlägigen Chatgruppen
- 143 Mal wurden Mitgliedschaften in, Unterstützung von oder Kontakte zu verfassungsschutzrelevanten Organisationen
- 141 Fälle von politisch motivierter Beleidigung
Bei den Beleidigungen handelte es sich zum Beispiel um die Menschenwürde verletzende, ausgrenzende, verächtlichmachende, oder anderweitig herabwürdigende Äußerungen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen islamischen oder jüdischen Glaubens.
Wie hoch waren die Zahlen im vorherigen Lagebericht?
Im Vergleich zum ersten Lagebericht aus dem Jahr 2020 seien die Fallzahlen insgesamt gestiegen, hieß es in dem Bericht.
Der erste Lagebericht hatte 319 Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus bei Landesbehörden und 58 bei Bundessicherheitsbehörden dokumentiert.
Bei 34 der Fälle auf Bundes- und Landesebene verdichteten sich die tatsächlichen Anhaltspunkte für Rechtsextremismus - im aktuellen Lagebericht sind es 327.
Warum sind die Zahlen gestiegen?
Der Anstieg der Zahlen ist den Angaben zufolge aber auch auf eine fortentwickelte Methodik zurückzuführen. So umfasse der Lagebericht erstmalig auch "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" - selbst wenn diese nur einen geringen Anteil der ausgewerteten Fälle darstellen.
Bundesinnenministerini Faeser kommentierte das aktuelle Lagebild Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden mit den Worten:
Sie verwies darauf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sicherheitsbehörden Spezialwissen und mitunter Zugang zu Waffen hätten. Daher gebe es die Pflicht, genau hinzuschauen. Faeser stellte im März 2022 einen "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus" vor; die vorgeschlagenen Maßnahmen werden an diesem Freitag im Bundestag diskutiert.
327 Beschäftigte bei Polizei, Militärischem Abschirmdienst oder Verfassungsschutz sind durch Bezüge zu Verfassungsfeinden am rechten Rand aufgefallen. "Die Zahl spiegelt lediglich die Spitze des Eisbergs wider", so die Journalistin Heike Kleffner im Video:
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