Bürgerentscheid: Oberbürgermeister Feldmann muss gehen

    Unter Korruptionsverdacht :Frankfurter wählen OB Feldmann ab

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    Trotz Korruptionsverdacht und peinlicher Ausrutscher klebte Frankfurts OB Feldmann am Job. Nun wurde er von den Bürgern abgewählt - am Freitag will er sein Amt niederlegen.

    Der umstrittene Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), ist laut ersten vorläufigen Ergebnissen abgewählt. Nach Auszählung von rund 86 Prozent der Stimmen votierten beim Bürgerentscheid am Sonntag rund 95 Prozent gegen einen Verbleib des 64-Jährigen im Amt, teilte die Wahlbehörde der Mainmetropole am Abend mit. Zudem wurde das vorgeschriebene Quorum von mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten erreicht, die für die Abwahl stimmen mussten.

    OB kündigt Amtsniederlegung an

    Feldmann selbst trat danach vor die Kamera. Es sei nicht das Ergebnis herausgekommen, das er sich gewünscht habe, sagte er zum Bürgerentscheid. Er werde am kommenden Freitag sein Amt niederlegen.
    Peter Feldmann nach seiner Abwahl - das Presse-Statement hier in voller Länge:
    Feldmann bedankte sich bei seinen Unterstützern und verwies auf Erfolge seiner Politik unter anderem im Kampf um bezahlbare Mieten und kostenlose Kitas. Es müsse in diese Richtung weitergedacht werden. "Das Ziel einer sozialen Stadt" sei noch nicht erreicht, sagte Feldmann. Er werde sich als politisch denkender Mensch und einfacher Frankfurter Bürger weiter an der Debatte beteiligen und sich engagieren.

    Korruptionsverdacht und verbale Ausrutscher

    Am Dienstag war noch bekanntgeworden, dass Feldmann positiv auf Corona getestet worden war. Zudem war er zu einem Prozesstermin am vergangenen Montag nicht erschienen, laut Attest wegen eines "psychischen Ausnahmezustands". Der 64-Jährige sitzt wegen des Verdachts der Vorteilsannahme auf der Anklagebank des Frankfurter Landgerichts. Dabei geht es um seine engen Beziehungen zur Arbeiterwohlfahrt (Awo). Feldmann weist die Vorwürfe zurück. Zu alldem leistete er sich immer wieder peinliche Ausrutscher.

    14.9.2015: In Frankfurt wird die erste deutsch-türkische Kindertagesstätte eröffnet, die von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betrieben wird. Die Kita wird später ungewollt zum Politikum.

    11.3.2018: Peter Feldmann setzt sich bei der OB-Stichwahl gegen seine Konkurrentin Bernadette Weyland (CDU) mit großer Mehrheit (gut 70 Prozent der Stimmen) durch und wird im Amt bestätigt.

    November 2019: Der AWO-Skandal nimmt seinen Lauf. Medienberichte tauchen auf, wonach Feldmanns Frau als Leiterin der türkisch-deutschen Kita mehr Gehalt als üblich und einen Dienstwagen bekommen hat. Diskutiert wird dabei auch über die Rolle von Feldmann, der inzwischen ihr Ehemann ist und früher für denselben Arbeitgeber tätig war. Die AWO weist die Vorwürfe zurück.

    27.11.2019: Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) nimmt Stellung zu den Berichten und weist sie zurück. Er habe keinen Einfluss genommen, betont er.

    10.01.2020: Feldmanns Ehefrau bietet eine freiwillige Gehaltsrückzahlung an. Sie habe um die Berechnung des Differenzbetrags zur Eingruppierung in der Gehaltsstufe drei gebeten, sagt ein Sprecher des AWO-Kreisverbands Frankfurt. Später zahlt Feldmanns Frau die überhöhten Bezüge zurück.

    15.09.2020: Das hessische Innenministerium leitet wegen der AWO-Affäre ein Disziplinarverfahren gegen Feldmann (SPD) ein. Feldmann selbst hatte im März diesen Schritt beantragt. "Ich habe nichts zu verbergen. Ich bin überzeugt, mich korrekt verhalten zu haben - und stelle mich deshalb bewusst der umfassenden Prüfung durch meinen Dienstherrn", sagt er.

    12.3.2021: Kurz vor den hessischen Kommunalwahlen wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt bereits seit Ende Februar gegen
    Feldmann ermittelt. Es geht um den Anfangsverdacht der Vorteilsnahme.

    22.3.2022: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt erhebt im Zusammenhang mit der AWO-Affäre Anklage gegen den Oberbürgermeister wegen des Verdachts der Vorteilsnahme. Feldmanns Frau habe als Leiterin einer AWO-Kita "ohne sachlichen Grund" ein übertarifliches Gehalt bezogen. Zudem habe die AWO Feldmann im Wahlkampf 2018 durch Einwerbung von Spenden unterstützt. Im Gegenzug habe er die Interessen der AWO Frankfurt "wohlwollend berücksichtigen" wollen. Rücktrittsforderungen gegen Feldmann werden laut, die dieser aber zurückweist. Er sieht sich weiterhin zu Unrecht beschuldigt.

    7.4.2022: Feldmann kündigt seinen Rückzug aus der Kommunalpolitik an. Nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit 2024 werde er nicht erneut kandidieren, teilt er mit. Außerdem will er eine Parteimitgliedschaft ruhen lassen, falls die Anklage gegen ihn zugelassen wird. Seiner eigenen Partei geht das nicht weit genug. Sie fordert ihn auf, bei einer Zulassung der Anklage sein Amt niederzulegen.

    25.4.2022: Ermittler rücken mit einem Durchsuchungsbeschluss im Rathaus Römer an. Zu einer echten Durchsuchung der Räume kommt es aber offenbar nicht. Feldmann zufolge gab es lediglich ein Gespräch.

    18.5.2022: Eintracht Frankfurt gewinnt die Fußball-Europa League. Rund um das Endspiel leistet sich Feldmann einige Fehltritte. Unter anderem wird ein Video bekannt, das eine sexistische Äußerung des OB im Flugzeug nach Sevilla zeigt. Beim Empfang der Mannschaft einen Tag später im Römer nimmt er Eintracht-Kapitän Sebastian Rode und Trainer Oliver Glasner den Pokal aus der Hand, um damit in Richtung Kaisersaal vorwegzuschreiten. Feldmann selbst bedauert später sein Auftreten, und auch für seinen Spruch im Flieger entschuldigt er sich.

    23.5.2022: Die Frankfurter SPD fordert den umgehenden Rücktritt von Feldmann - unabhängig von der Frage, ob die Anklage gegen ihn zugelassen wird. Feldmann zeigt sich davon unbeeindruckt.

    30.5.2022: Das Landgericht Frankfurt lässt die Anklage gegen Feldmann zu. Das bedeutet, dass der OB vor Gericht muss. Zurücktreten will er aber weiterhin nicht.

    9.6.2022:
    Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung entzieht Feldmann das Vertrauen. Sie stimmt für die Einleitung eines Abwahlverfahrens, das bei der nächsten Sitzung Mitte Juli beschlossen werden soll.

    5.7.2022: Feldmann kündigt an, sein OB-Amt Ende Januar 2023 aufzugeben.

    11.7.2022: In einer Mitteilung von Feldmanns Büro ist von einem vorzeitigen Ruhestand keine Rede mehr. Er wolle sich im Januar von der Stadtverordnetenversammlung abwählen lassen, heißt es nun.

    14.7.2022: Die Stadtverordnetenversammlung wählt Feldmann mit einer Zweidrittelmehrheit ab. Nimmt der OB dies nicht an, kommt es am 6. November zu einem Bürgerentscheid.

    22.7.2022: Die Frist verstreicht ungenutzt.

    26.9.2022: Die Bürger erhalten nach und nach ihre Abstimmungsbenachrichtigungen. In einem ungewöhnlichen Schulterschluss wollen die Koalitionsparteien Grüne, SPD, FDP und Volt sowie die größte Oppositionspartei CDU für die Abwahl Feldmanns werben. Der OB teilt mit, bei einer gescheiterten Abwahl bis 2024 im Amt bleiben zu wollen.

    18.10.2022: Prozessbeginn vor dem Frankfurter Landgericht gegen Feldmann wegen des Verdachts der Vorteilsnahme.

    06.11.2022: Klares Ergebnis beim Bürgerentscheid - die Frankfurter wählen Feldmann ab.

    Sympathien hatte er auch verspielt, etwa als er in einem Flugzeug einen sexistischen Spruch auf Kosten der Stewardessen klopfte und im Römer den Europapokal der Frankfurter Eintracht an sich riss. Die Eintracht-Führung hatte ihn daraufhin zur unerwünschten Person im Stadion erklärt.
    Und unlängst sorgte er im Gericht erneut für Kritik: In einer Erklärung, die sein Anwalt vorlas, hieß es, er habe seine Frau wegen einer von ihm ungewollten Schwangerschaft geheiratet. Für den Passus über seine damalige Ansicht, das Kind solle besser abgetrieben werden, entschuldigte er sich später bei seiner Tochter - über Facebook.

    Fast alle Parteien warben für Abwahl

    Rücktrittsaufforderungen hatte Feldmann konsequent verhallen lassen. Spätestens seit diesem Sommer hatten fast alle Parteien im Römer Feldmanns Amtsverzicht gefordert, selbst seine eigene - die SPD. Eine Abwahl durch die Stadtverordneten nahm er prompt nicht an, deshalb sind nun die Bürgerinnen und Bürger gefragt.
    Um Feldmann abzuwählen, brauchte es eine Mehrheit von mindestens 30 Prozent der Stimmberechtigten - eine hohe Hürde für eine Kommunalwahl. So hatte 2018 die gesamte Beteiligung an der Stichwahl um Feldmanns Wiederwahl bei 30,2 Prozent gelegen. Das Bürgeramt für Wahlen hatte daher im Laufe des Sonntags - anders als bei anderen Abstimmungen - keine Zwischenstände zur Wahlbeteiligung bekannt gegeben. Dadurch sollte jegliche Beeinflussung ausgeschlossen werden, hieß es. Auch zum Stand der Briefwahl gab es vorab keine Angaben.
    Quelle: dpa, AFP, ZDF
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