Die Angriffe auf Mariupol und Wolnowacha werden nach russischen Angaben fortgesetzt. Bis zum Nachmittag sollte eigentlich eine Feuerpause zur Evakuierung gelten.
Das russische Militär hat eigenen Angaben zufolge seine Angriffe auf die ukrainische Großstadt Mariupol und die Stadt Wolnowacha fortgesetzt. Die Kampfhandlungen seien um 16 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ) nach einer mehrstündigen Feuerpause wieder aufgenommen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau laut Agentur Interfax mit.
Russlands Militärsprecher Igor Konaschenkow beklagte, dass "kein einziger Zivilist" die Städte über die Korridore habe verlassen können.
Ukraine erhebt Vorwürfe gegen Russland
Ukrainischen Angaben zufolge waren hingegen 400 Menschen aus Wolnowacha und umliegenden Dörfern in Sicherheit gebracht worden. Aufgrund von Beschuss durch russische Truppen seien aber weniger Menschen evakuiert worden als zunächst geplant, hieß es.
Die Behörden der ukrainischen Stadt Mariupol hatten den russischen Truppen bereits zuvor eine Verletzung der für die Evakuierung von Zivilisten vereinbarten Feuerpause vorgeworfen. Deshalb sei die Evakuierung der Stadt "aus Sicherheitsgründen verschoben" worden, teilte die Stadtverwaltung im Messengerdienst Telegram mit.
Zwischen 8 und 15 Uhr sollte Feuerpause gelten
Das russische Verteidigungsministerium hatte am Samstagmorgen eine Feuerpause für Mariupol und dessen nördliche Vorstadt Wolnowacha angekündigt, um Evakuierungen zu ermöglichen.
Ab 8 Uhr sollten die Waffen eigentlich schweigen und humanitäre Korridore für die Zivilisten geöffnet werden. Die Waffenruhe sollte bis 15 Uhr (alle Angaben in MEZ) gelten. Beide Seiten hatten am Donnerstag bei Verhandlungen in Belarus solche humanitären Korridore vereinbart.
Korridor für 200.000 Menschen war geplant
Die angesetzte Waffenruhe wäre für die Ukraine die erste Atempause nach mehr als einer Woche Krieg gewesen - wenn auch nur regional. Nach ukrainischen Schätzungen wäre es möglich gewesen, dass bis zu 200.000 Menschen die Stadt verlassen, also fast die Hälfte der Bevölkerung.
Die Hafenstadt Mariupol sowie die Kleinstadt Wolnowacha mit rund 20.000 Einwohnern stehen seit Tagen unter dem militärischen Druck der vorrückenden russischen Armee.
Bürgermeister von Mariupol: "Humanitäre Blockade"
Der Bürgermeister von Mariupol, Wadym Boitschenko, sprach von einer "humanitären Blockade" gegen seine Stadt. Russische Einheiten hätten alle 15 Stromleitungen in die Stadt ausgeschaltet. Diese sei bereits seit fünf Tagen ohne Strom. Da die Heizkraftwerke für ihren Betrieb Strom benötigten, sitze man auch in der Kälte, sagte er in einer ukrainischen TV-Sendung.
Auch der Mobilfunk funktioniere ohne Strom nicht. Noch vor Beginn des Krieges sei die Hauptwasserleitung abgetrennt worden, und nach fünf Kriegstagen habe man auch die Reservewasserversorgung verloren. Die russische Seite sei sehr methodisch vorgegangen, um die Stadt von jeglicher Versorgung abzuschneiden und so inneren Druck zu erzeugen.
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Durch den zunehmenden Beschuss und Bombardierungen sei auch die Zahl der Verletzten zuletzt in die "Tausende" gestiegen, sagte Boitschenko weiter. Wie viele Menschen ums Leben gekommen seien, sei schwer zu zählen, da man den sechsten Tag praktisch durchgehend unter Beschuss stehe. Man habe keine Chance, nach seinen Liebsten zu sehen, da der Beschuss nicht aufhöre.
"Das Mariupol, das Sie kannten, gibt es nicht mehr"
Es gehe um nichts anderes, als die "Ukraine von den Ukrainern zu befreien, so sehe ich das", sagte der Bürgermeister. In Bezug auf die Stadt sprach Boitschenko von "Ruinen" und "kolossaler" Zerstörung. "Das Mariupol, das Sie kannten, gibt es nicht mehr", sagte er zum Moderator. Boitschenko machte gleichzeitig der russischen Seite Vorwürfe.
Busse, mit denen Menschen am Samstag über einen humanitären Korridor aus der Stadt gebracht werden sollten, seien in ihrem Versteck beschossen worden. Von 50 vollgetankten Bussen seien nur mehr 20 übrig. "Bis zur nächsten Evakuierungsmöglichkeit haben wir dann vielleicht keine Busse mehr." Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Mariupol liegt in der Nähe der früheren Frontlinie zwischen pro-russischen Separatisten aus der Ostukraine und der ukrainischen Armee. Die Einnahme der Hafenstadt würde einen Zusammenschluss der russischen Truppen mit Einheiten aus der Krim und dem Donbass ermöglichen.
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