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Mit Geld oder Gewalt : Wie Ukrainer nach Russland gebracht werden

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Vertrieben, filtriert und umgesiedelt - mit Deportationen nach Russland und Einbürgerungen sollen Ukrainer entwurzelt werden. Wir haben ihre Spur nachgezeichnet.

Verschleppt und gefoltert?

Beitragslänge:
8 min
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Bei ihrer Flucht aus Mariupol geriet Irina unter heftigen Beschuss. In dem Körper der Ukrainerin stecken noch immer Granatsplitter, wie sie uns erzählt. Selbst als sie es aus der Kampfzone heraus geschafft hatte, war sie noch lange nicht in Sicherheit. Sie musste noch ein sogenanntes Filtrierungslager durchlaufen.

Dort sollen Kämpfer von Zivilisten getrennt werden, behauptet die russische Führung. Sie spricht von Sicherheits-Checks - Augenzeugen berichten dagegen von teils brutalen Befragungen.

Irina kam in ein Lager in Manhush, rund zwanzig Kilometer westlich von Mariupol. Über die Filtration sagt sie:

Viele Menschen wurden mit Säcken über dem Kopf, mit gefesselten Händen herausgeführt. Auch Frauen, auch Verwandte von mir. (...) Die Soldaten lasen ihre Telefone aus und fanden heraus, dass sie Bilder von dem ausgebrannten Haus auf Facebook posteten und drunter schrieben, dass dies das russische Militär war. Dafür kamen sie ins örtliche Gefängnis.
Irina, Geflüchtete aus Mariupol

Irina und ihre Mutter bestanden die Filtrierung, das belegen "Passagierstempel", die sie uns zeigt. Andere Ukrainer seien dagegen abgeführt worden, berichtet Irina - deren Schicksal ist ungewiss.

Wer Richtung Westen wollte, wurde beschossen

Durch ein Filtrierungslager musste auch Sascha. Eigentlich wollte der junge Mann aus Mariupol Richtung Westen fliehen. Doch wer das versuchte, wurde beschossen, erzählt er uns. So gab es für ihn inmitten des Kriegs nur einen Weg: gen Osten.

Sie haben sich mein Handy angesehen und überprüft. Alles wurde geprüft. Mein Adressbuch womöglich. Sie überprüften, ob es Tätowierungen gab. Sie wollten wissen, ob es auf dem Handy irgendwelche Spuren gab, und sie fragten mich aus.
Sascha, Geflüchteter aus Mariupol

Die Vereinten Nationen und die OSZE werfen Russland vor, durch solche Deportationen Hunderttausende Ukrainer nach Russland zu bringen. Die Recherche-Plattform ANTAC hat insgesamt 66 Lager für Deportierte gezählt.

Der US-Botschafter der OSZE sagt gegenüber ZDFheute:

Wir müssen dies sehr sorgfältig untersuchen, insbesondere den Einsatz dieser so genannten Filtrierungslager, ein Begriff, der an eine vergangene Ära erinnert, von der wir dachten, dass wir sie nie wieder erleben würden.
Michael Carpenter, US-Botschafter bei der OSZE
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In einem Lager in Penza, südlich von Moskau, treffen wir Oleg. Er musste überstürzt aus Mariupol fliehen und konnte nur seine Geburtsurkunde mitnehmen. In Penza erhielt der Ukrainer ganz unkompliziert russische Papiere. Wladimir Putin hat diesen Prozess für Ukrainer stark vereinfacht.

Der Historiker und Russland-Experte Christian Osthold ordnet das gegenüber ZDFheute so ein:

Diese Strategie hat sich bereits während des Zweiten Weltkriegs als äußerst effektiv bewährt. Wenn die Menschen erst einmal weg sind, wenn möglicherweise auch Familien zerrissen sind, dann haben die betreffenden Menschen ganz andere Sorgen, als sich politisch gegen ein russisches Besatzungsregime in der Ukraine zu positionieren.
Christian Osthold, Historiker
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Russland will die Menschen unter anderem im wirtschaftlich schwachen Osten ansiedeln. Rund 1.200 Geflüchtete aus Mariupol sollen bereits in der Nähe von Wladiwostok sein, der Hauptstadt der Region Primorje. Das liegt 7.000 Kilometer von Mariupol entfernt. Auch Alexejwna nimmt an "Compatriot" teil. Sie begründet das so:

Warum sind wir gerade hierher gekommen? Hier haben wir etwas, Sie wissen schon, Startkapital. Sie versprechen uns bei dem Einwanderungsprogramm, dass wir etwas mehr Geld bekommen, um wenigstens hier Wohnraum kaufen zu können.
Alexejwna, "Compatriot"-Teilnehmerin

Ob Teilnahme am Umsiedlungsprogramm oder Deportation mit Waffengewalt - Russland geht es darum, Ukrainer zu entwurzeln. Historiker Osthold erklärt das so:

In dem Moment, wo die Menschen aus der Ukraine deportiert werden, in dem Moment, wo sie nach Russland verbracht werden, oftmals auch natürlich gegen ihren Willen, und dann russische Papiere bekommen, sind sie eigentlich rechtlos, sind Objekte in den Händen des russischen Staates.
Christian Osthold, Historiker

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