Nach Russlands Ukraine-Angriff will Finnland so schnell wie möglich in die Nato. Schweden dürfte folgen. Die Nachbarstaaten und der Westen sind erleichtert. Russland aber warnt.
Der finnische Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin haben sich für einen "unverzüglichen" Nato-Beitritt ihres Landes ausgesprochen. In einer gemeinsamen Erklärung befürworteten die beiden eine Mitgliedschaft in der westlichen Militärallianz.
Eine Nato-Mitgliedschaft würde "die Sicherheit Finnlands stärken", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung Niinistös und Marins.
Beide hofften, dass die für die Entscheidung noch nötigen nationalen Schritte rasch innerhalb der kommenden Tage getroffen würden, erklärten Präsident und Ministerpräsidentin.
Noch ist unklar, wie schnell der NATO-Beitritt Finnlands umgesetzt wird. ZDF-Korrespondent Florian Neuhann gibt erste Einschätzungen aus Brüssel.
Diplomaten: Mitgliedschaft rasch gewährt
Mehrere Diplomaten betonten gegenüber Reuters, dass die Nato-Bündnispartner davon ausgehen, dass Finnland rasch eine Mitgliedschaft gewährt werde. Dies würde den Weg für eine verstärkte Truppenpräsenz in Skandinavien während der einjährigen Ratifizierungsphase ebnen.
Auch bei dem bisher ebenfalls neutralen EU-Land Schweden wird mit einem Beitrittswunsch gerechnet.
Kremlsprecher warnt Finnland vor Beitritt
Der Kreml reagierte, wie erwartet, mit einer Drohung.
sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Ein Nato-Beitritt Finnlands wäre "eindeutig" eine Bedrohung für Russland. "Alles wird davon abhängen, wie dieser Prozess vonstatten geht, wie weit die militärische Infrastruktur an unsere Grenzen heranrücken wird", fügte er hinzu.
Auch einer der engsten Verbündeten von Präsident Wladimir Putin, Dimitri Medwedew, warnte zeitgleich den Westen, dass die zunehmende militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA und ihre Verbündeten einen Konflikt zwischen Russland und der Nato auslösen könnte.
Der ehemalige Präsident und jetzige stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates sagte weiter, ein solcher Konflikt mit der Nato berge immer das Risiko eines ausgewachsenen Atomkriegs.
Dänemark für schnellen Eintritt Finnlands in die Nato
Die Ministerpräsidentin des Nachbarlandes Dänemark, Mette Frederiksen, setzte sich in einer ersten Stellungnahme für eine rasche Aufnahme ein. "Dänemark wird alles für einen schnellen Aufnahmeprozess nach dem formellen Antrag tun", schrieb sie auf Twitter.
Baltische Staaten begrüßen Nato-Beitritt Finnlands
Auch die baltischen Staaten sind für einen Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens, weil dies den Schutz für die Nato- und EU-Mitglieder Estland, Lettland und Litauen vor einem russischen Angriff erleichtern würde.
"Der Beitritt Finnlands würde sowohl das Bündnis als auch die Sicherheit der baltischen Staaten erheblich stärken", schrieb die litauische Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte am Donnerstag auf Twitter. "Ich freue mich über diesen großen historischen Tag!"
"Geschichte wird geschrieben von unseren nördlichen Nachbarn", twitterte die estnische Regierungschefin Kaja Kallas. Finnland könne auf die "volle Unterstützung" Estlands zählen.
Im Vorfeld Sicherheitsanalyse vorgelegt
Finnland hat eine 1.340 Kilometer lange Grenze mit Russland. Der Kreml hat schon mit "militärischen und politischen Auswirkungen" gedroht, sollten sich Schweden und Finnland für einen Nato-Beitritt entscheiden.
Im Fall eines Beitrittsantrags bliebe ein Zeitraum zwischen dem Einreichen des Gesuchs und dessen Ratifizierung durch die Parlamente aller 30 Nato-Mitgliedsstaaten offen.
Schweden, Finnland und der schwierige Nachbar Russland:
- Schweden und Finnland vor Nato-Entscheidung
Finnland und Schweden erwägen, ihre traditionelle militärische Neutralität aufzugeben. Für Russlands Präsident Putin dürfte das ein Rückschlag sein.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat erklärt, das Bündnis werde Finnland und Schweden mit offenen Armen empfangen. Beide haben starke, moderne Streitkräfte. Er erwarte, dass der Aufnahmeprozess rasch und reibungslos verlaufe, sagte Stoltenberg.
Der Beitrittsprozess könnte nach Nato-Angaben "in ein paar Wochen" vollzogen werden.
Seit Ukraine-Einmarsch Neutralität auf dem Prüfstand
Seit der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar prüfen Finnland und Schweden eine Abkehr von ihrer über Jahrzehnte verfolgten Neutralität.
sagte Niinistö. Der finnische Außenminister Pekka Haavisto sagte vor Abgeordneten des Europaparlaments, der von Russland begonnene Krieg gefährde die Sicherheit und Stabilität von ganz Europa. In Finnland bestehe ernste Sorge über das unberechenbare Verhalten Russlands.
Bereits Mitglied der "Schnellen Einsatztruppe"
Vor fünf Jahren haben sich Schweden und Finnland einer von Großbritannien geführten Schnellen Einsatztruppe angeschlossen. Sie benutzt Nato-Standards und deren Konzepte und kann deshalb zusammen mit der Nato und anderen multinationalen Allianzen operieren.
Großbritannien ist im Ostseeraum bereits in der Joint Expeditionary Force engagiert, die von zehn europäischen Staaten gebildet wurde, darunter die Nicht-Nato-Mitglieder Schweden und Finnland. Der EU traten beide Länder 1995 bei
Krieg in Europa: Die Nachbarstaaten der Ukraine bangen mit, zwischen Solidarität und Kriegsangst. So auch die finnisch-estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen.
Russlands Einmarsch in die Ukraine hatte in Schweden und Finnland eine intensive Nato-Debatte ausgelöst. In der Bevölkerung gab es jeweils einen deutlichen Meinungsumschwung hin zu einem möglichen Beitritt zu dem Bündnis.
Jüngste Umfragen zeigen Ja zu Nato
In einer jüngsten Umfrage des finnischen Rundfunksenders Yle hatten sich zuletzt 76 Prozent der Befragten für eine Nato-Mitgliedschaft Finnlands ausgesprochen.
Schweden/Finnland: Abschied von der Neutralität?
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Bei einem Besuch von Marin und der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson auf der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg bei Berlin hatte zuletzt auch Bundeskanzler Olaf Scholz die deutsche Unterstützung für einen Nato-Beitritt der Länder zugesagt.
Druck auf Schweden wächst
Die finnische Bekanntgabe erhöht nun den Druck auf Schweden, zeitnah eine Entscheidung hinsichtlich einer Nato-Mitgliedschaft zu treffen. Am Freitag wurde dort eine eigene sicherheitspolitische Analyse erwartet, am Sonntag wollen Anderssons regierende Sozialdemokraten einen Beschluss zu ihrer eigenen Position in der Angelegenheit fällen.
Am kommenden Dienstag und Mittwoch ist Niinistö schließlich beim schwedischen König Carl XVI. Gustaf in Stockholm zu Besuch.
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Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.