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Interview

Finnlands Ex-Premier : Stubb: "Das ist Putins Erweiterung"

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Finnlands Ex-Premier Stubb im ZDFheute-Interview - über den Nato-Beitritt seines Landes, die unerwartete Blockade der Türkei und die Frage, ob Dialog mit Putin sinnvoll ist.

Finnlands ehemaliger Premierminister Alexander Stubb
Finnlands ehemaliger Premierminister Alexander Stubb. (Archivfoto)
Quelle: Imago

ZDFheute: Herr Stubb, Sie haben sich schon in den 90er Jahren für eine Mitgliedschaft Finnlands in der Nato eingesetzt. Als die finnische Regierung diesen Beitritt tatsächlich beantragt hatte: Wie haben Sie sich da gefühlt?

Alexander Stubb: Seltsamerweise war ich sowohl erleichtert als auch ein wenig besorgt. Erleichtert in dem Sinne, dass wir eigentlich schon vor dreißig Jahren hätten beitreten sollen. Gleichzeitig aber auch ein wenig besorgt über die Sicherheit Finnlands, vor allem in der Übergangszeit bis zum Beitritt.

ZDFheute: Ohne Putins Krieg hätte es diese Bewerbung bis heute nicht gegeben.

Stubb: Das stimmt. In den Meinungsumfragen vor dem Angriff sprachen sich in Finnland fünfzig Prozent gegen eine Nato-Beitritt aus, nur zwanzig Prozent dafür. Das hat sich mit dem Angriff über Nacht schlagartig geändert. In diesem Sinne würde ich sagen: Das ist Putins Nato-Erweiterung.

ZDFheute: Ist denn wirklich denkbar, dass Putin eines Tages Finnland und Schweden angreift?

Stubb: Wir erwarten durchaus hybride Bedrohungen wie Informations- und Cyberangriffe, die uns einschüchtern sollen. Aber was die konventionelle Kriegsführung betrifft, gibt es zwei Gründe, warum er uns nicht angreifen wird. Einerseits ist er dazu im Moment nicht in der Lage, weil er an der ukrainischen Front kämpft. Andererseits glaube ich, dass aus Sicht Putins unser Nato-Beitritt keine Bedrohung darstellt.

Montage: Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj vor einem Blick auf das zerstörte Mariupol

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ZDFheute: Wenn Russland bereits Schwierigkeiten hat, die Ukraine zu besiegen - dann geht doch von diesem Russland keine Bedrohung mehr für Finnland aus?

Stubb: Doch: Meines Erachtens geht von Russland eine Bedrohung für ganz Europa aus. Wir haben das im Krieg in Georgien gesehen, bei der Annexion der Krim - oder jetzt beim Angriff auf die Ukraine. Das sind genügend Gründe, unsere eigene Sicherheit zu maximieren.

ZDFheute: Nun hat die Türkei der Nato-Erweiterung bisher nicht zugestimmt. Hatten Sie mit diesem Widerstand gerechnet?

Stubb: Ehrlicherweise nein. Es wurde vorher viel spekuliert, dass möglicherweise Ungarn sich querstellt. Aus finnischer Sicht hatte ich immer das Gefühl, dass wir der Türkei sehr nahestehen. Daher kam dieses Veto überraschend für mich. Aber ich bin durch und durch Diplomat. Ich glaube daran, dass diese Fragen geklärt werden können.

ZDFheute: Wissen Sie, was Erdogan genau will?

Stubb: Höchstwahrscheinlich drei Dinge. Erstens den härteren Kampf gegen den die kurdische Terrororganisation PKK. Zweitens die Aufhebung des Waffen-Embargos, welches wir 2019 aufgrund der türkischen Kriegsaktivitäten in Syrien verhängt haben. Ich denke, das kann gemacht werden - aber ich bin auch nur noch bescheidener Professor, kein Politiker mehr.

Und schließlich geht es der Türkei um die amerikanischen F35-Jets: die die USA nicht mehr an die Türkei verkaufen, weil die Türkei ein russisches Abwehrraketensystem gekauft hatte. Aber ich glaube: mit Dialog und Diplomatie kann dieser Konflikt hoffentlich gelöst werden.

ZDFheute: Es ist nicht der einzige Konflikt in der Nato. Gestritten wird auch über die Frage, ob ein Dialog mit Putin noch Sinn ergibt - so, wie es Scholz und Macron versuchen. Dafür werden beide von den baltischen Staaten hart kritisiert. Wie sehen Sie das?

Stubb: Die Nato hat 30 Mitgliedstaaten, alle haben ihre eigene Geschichte - und daher ist verständlich, dass jeder seinen eigenen Ansatz hat. Ich glaube: Das Einzige, was Putin versteht, ist die Sprache der Macht. Man darf ihm gegenüber niemals Schwäche zeigen. Wenn Sie ihm gegenüber mit Appeasement, also Beschwichtigung auftreten, tappen Sie nur in seine Falle. Ich schätze also, dass ich eher auf der Seite der baltischen Staaten stehe.

ZDFheute: Was halten Sie von Macrons Aussage, dass wir Putin nicht demütigen dürfen, um einen Waffenstillstand zu erreichen?

Stubb: Ich will nicht zynisch klingen, aber lassen Sie uns mit diesem Quatsch aufhören, dass wir Putin einen gesichtswahrenden Ausweg anbieten müssen. Er hat bereits sein Gesicht verloren. Er ist eine Schande für die internationale Gemeinschaft, indem er ein unschuldiges, unabhängiges Land angreift und dabei Frauen und Kinder abschlachtet.

Es gibt keinen gesichtswahrenden Ausweg - das sollten Macron und Scholz im Hinterkopf behalten. Es gibt auch keinen Weg, wie wir in dieser Sache Frieden mit Putin schließen können. Die einzige realistische Lösung dieses Konflikts ist eine militärische.

Das Interview führte Florian Neuhann.

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