Nach dem Bootsdrama im Ärmelkanal beraten die Staatschefs über weitere gemeinsame Schritte. Bereits im Juli sagte Großbritannien Frankreich finanzielle Hilfe zu.
Auf der Flucht in ein besseres Leben sind mindestens 27 Menschen im Ärmelkanal gestorben, als ihr Boot kenterte. Nun will Großbritannien härter gegen Schleuser vorgehen.
Nach dem Untergang eines Migrantenbootes im Ärmelkanal mit mindestens 27 Todesopfern haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Boris Johnson über Schritte zur Verhinderung weiterer solcher Dramen beraten.
Beide hätten sich auf verstärkte Anstrengungen verständigt, Schleuserbanden zu stoppen, die das Leben von Menschen in Gefahr bringen, teilte die britische Seite nach dem Telefonat am späten Mittwochabend mit. Zugleich betonten Macron und Johnson die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit Belgien, den Niederlanden und anderen Partnern auf dem Kontinent.
Viele Migranten überqueren illegal den Ärmelkanal von Calais nach Dover. Frankreich fordert, Frontex solle eingreifen. Trotz scharfer Kontrollen geben die Geflüchteten nicht auf.
Macron äußerte nach Angaben des Elysée-Palastes in Paris die Erwartung, dass die Briten zu Zusammenarbeit bereit seien und das Flüchtlingsdrama nicht zu politischen Zwecken instrumentalisierten. Es müsse in einem Geist der Kooperation und unter Achtung der Menschenwürde gehandelt werden.
Schlimmster Vorfall in Meeresenge
Am Mittwoch war ein Boot mit 33 Migranten, die nach Großbritannien wollten, im Ärmelkanal gekentert. Unter den Verunglückten waren nach Angaben des französischen Innenministeriums Kinder und Schwangere. Die Nationalität der Toten werde noch geprüft. Zwei Überlebende aus dem Irak und Somalia würden wegen Unterkühlung behandelt.
Vier mutmaßliche Schleuser wurden festgenommen. Einer der mutmaßlichen Schleuser kam aus Deutschland. "Der Schleuser, den wir heute Nacht festgenommen haben, hatte deutsche Kennzeichen", sagte Innenminister Gérald Darmanin am Donnerstag im RTL-Fernsehen.
Nach französischen Angaben war es der bisher schlimmste Vorfall mit Migranten in der Meeresenge. Darmanin sagte, das gebrechliche Schlauchboot ähnele eher einem aufblasbaren Swimmingpool für den Garten. Der Ärmelkanal zwischen Dover und Calais gilt als die verkehrsreichste Schifffahrtsstraße der Welt.
Schleuser nicht "davonkommen" lassen
Johnson bot an, die französischen Beamten bei den Kontrollen am Kanal zu unterstützen. In Nordfrankreich warten etliche Migranten unter widrigen Umständen auf eine Überfahrt nach Großbritannien.
Wenn den Schleusern nicht deutlich gemacht werde, dass ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniere, würden sie weiterhin die Leben von Menschen aufs Spiel setzen und "mit Mord davonkommen", sagte Johnson.
Sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl machen französische Parteien Migrationsbekämpfung zum Kampagnenthema. Rechtspopulisten soll so der Wind aus den Segeln genommen werden.
Auch Darmanin pochte auf ein härteres Vorgehen gegen die Schleuser, die er mit Terroristen und großen Drogenbossen verglich. "Das ist ein internationales Problem", sagte er.
Seit Jahresbeginn bereits mehr als 1.500 Schleuser festgenommen
Emmanuel Macron verwies auf die gemeinsamen Anstrengungen mit Großbritannien, seit Jahresbeginn seien an der französischen Küste bereits 1.552 Schleuser festgenommen und 44 Schleusernetzwerke zerschlagen worden.
Im laufenden Jahr haben bisher mehr als 25.700 Menschen illegal den Ärmelkanal überquert. Das sind mehr als dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2020.
Erst im Juli hatten London und Paris ein neues Kooperationsabkommen vereinbart, um die wachsende Zahl der Migranten, die mit kleinen Booten über den Ärmelkanal nach England kommen, in den Griff zu bekommen. London sagte dabei 62,7 Millionen Euro zu, um die französischen Behörden zu unterstützen.
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