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Schutzsuchende aus der Ukraine : Wie geht es weiter mit den Geflüchteten?

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Der Krieg in der Ukraine hat die am schnellsten wachsenden Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Heute beraten die EU-Innenminister, wie Europa damit umgehen kann.

Flüchtlinge sind in einer Turnhalle im polnischen Zgorzelec/Görlitz untergebracht.
Flüchtlinge sind in einer Turnhalle im polnischen Zgorzelec/Görlitz untergebracht.
Quelle: dpa

Millionen Menschen fliehen aus der Ukraine vor den skrupellosen russischen Angriffen - und stellen die Europäische Union erneut vor eine große Herausforderung: Wie können die Geflüchteten versorgt und untergebracht werden?

Auf eine Regelung mit festen Aufnahmequoten hatten sich die Mitgliedsländer schon 2015 trotz zäher Verhandlungen nicht einigen können. Heute beschäftigen sich die EU-Innenminister in einer Sondersitzung mit dem Thema. Die wichtigsten Fragen haben wir dazu hier im Überblick zusammengefasst.

Wie viele Menschen fliehen aus der Ukraine?

Es ist sehr schwer vorherzusehen, wie sich die Fluchtbewegung aus der Ukraine weiter entwickeln wird. Die meisten Hilfsorganisationen scheuen sich, eine Aussage über die Zahl der zu erwartenden Flüchtlinge zu nennen.

Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) rechnet aktuell mit etwa 3,8 Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind. Ein Großteil davon seien Frauen und Kinder. 6,5 Millionen Menschen seien innerhalb der Ukraine auf der Flucht.

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In den nächsten Wochen könnte die Fluchtbewegung etwas zurückgehen, meint UNHCR-Pressesprecher Chris Melzer. "Alle, die fliehen wollten und die auch die Möglichkeit dazu hatten, etwa mit einem eigenen Auto, sind mittlerweile geflohen." Es gebe aber viele Variablen in dieser Rechnung.

Die größte Variable ist: Wird sich der Krieg weiter intensivieren? Denn die Leute, die jetzt noch geblieben sind, werden dann um ihr Leben rennen.
Chris Melzer, UNHCR-Pressesprecher

Jemand, der trotz der vielen Variablen versucht, die künftige Entwicklung der Flüchtlingsstrome vorherzusehen, ist Franck Düvell vom Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. Bereits im November hat er Szenarien entwickelt, wie groß die Vertreibung in verschiedenen Kriegsentwicklungen werden könnte. Die Analysen wurden auf Grundlage der Vertreibung im Donbass gemacht, wo bereits seit 2014 russische Truppen gegen die Ukraine kämpfen.

Vor zwei Wochen seien er und sein Team noch von 9,9 Millionen Vertriebenen ausgegangen. Die wurden jedoch bereits erreicht.

Wenn Kiew angegriffen, Charkiv eingenommen und anschließend der ganze Osten sowie Odessa und Mykolajiw angegriffen werden, würden noch einmal bis zu 7,6 Millionen Menschen vertrieben.
Franck Düvell

Anders als 2014 wird laut Düvell aktuell nicht nur die Hälfte der Bevölkerung vertrieben, sondern eher zwei Drittel oder sogar drei Viertel der Menschen. Und etwa ein Drittel der Vertriebenen werde weiter in die EU flüchten. In Deutschland wurden laut Daten des Bundesinnenministeriums seit Beginn des russischen Angriffs vor rund einem Monat 259.980 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Polen hat bereits 2,3 Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen.

Unzählige Geflüchtete sind in Polen untergekommen, viele bei Privatleuten. Doch die finanzielle Unterstützung, versprochen von der polnischen Regierung, lässt auf sich warten.

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Wie werden die Menschen aktuell in der EU aufgenommen?

"Die Fluchtbewegung wird anders wahrgenommen als die Migration von 2015/16", meint Petra Bendel, Professorin und Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration. Die EU sei diesmal Anrainerstaat eines brutalen Angriffskrieges und damit Erstaufnahmeregion. Außerdem handle es sich zu großen Teilen um Frauen und Kinder - oder auch ältere Menschen und Behinderte. "Das macht in der Wahrnehmung viel aus."

Dieser Einschätzung stimmt auch Düvell zu: In der Vergangenheit habe Russland schon öfter probiert, mit Flüchtlingsströmen die EU zu destabilisieren. 2015 hatte Moskau Flüchtlinge nach Finnland und Norwegen durchgelassen, "im letzten Herbst wurde das in Belarus probiert und geschaut, wie die EU reagiert". Dieses Kalkül scheine aber mit dem Krieg in der Ukraine nicht aufzugehen. Bisher gebe es keine Anzeichen für Anti-Flüchtlings-Ressentiments, wie es sie 2015 gab.

Es ist jetzt eine ganz andere Situation. Europa bricht nicht zusammen.
Franck Düvell

Was muss passieren, damit es weiter funktioniert?

"Die Solidarität ist großartig", sagt Politikwissenschaftlerin Bendel. Wichtig sei aber, um sie dauerhaft aufrecht zu erhalten, dass die staatlichen Stellen jetzt nachzögen. Denn die Systeme und Bereiche, die jetzt noch stärker belastet werden, seien auch vor dem Krieg in der Ukraine stark unter Druck gewesen.

Die Solidarität mit den Schutzberechtigten muss sich auch dahingehend beweisen, dass die Erstaufnahmestaaten entlastet werden. Wir brauchen ein transparenteres, faireres und flexibleres Verteilungsmodell.
Petra Bendel

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dringt daher auf eine rasche Anerkennung von Berufsabschlüssen ukrainischer Flüchtlinge. "Es kommen vermutlich auch sehr viele sehr gut ausgebildete Menschen", sagte Heil den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Darunter seien auch Pflegekräfte, Ingenieure, Ärztinnen und Erzieherinnen, die in Deutschland dringend benötigt würden.

Montage: Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj vor einem Blick auf das zerstörte Mariupol

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Bendel betont dabei, dass es sehr wichtig sei, dass auch persönliche Netzwerke der Flüchtlinge mit einbezogen würden. "Flüchtlinge, die persönliche Kontakte oder Verwandte in einem bestimmten Land haben, sollen dort auch hingehen können. Idealerweise sollten zudem auch Matching-Verfahren zum Einsatz kommen. So können Qualifikationen, wie bestimmte Sprachkenntnisse, berücksichtigt werden. Das 'Free Choice'-Modell soll nicht unterminiert werden."

Kompetenz bei den Kommunen, Geld von der EU

Um die Geflüchteten gut zu versorgen, bedürfe es einer guten Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Die hake aber aktuell noch an einigen Stellen, so Bendel. Die Kommunen hätten das nötige Know-how, wie geflüchtete Menschen betreut werden können. Aber durch die Corona-Pandemie seien viele Programme zurückgefahren worden. "Die müssen jetzt wieder gestartet werden und dazu braucht es finanzielle Zusagen des Bundes." Geld müsse auch zusätzlich von der EU kommen:

Die EU-Kommission kann und muss dann Länder, die besonders viele Menschen aufnehmen, logistisch und finanziell unterstützen.
Prof. Dr. Petra Bendel

Das wurde letzte Woche bei den Treffen der deutschen Innenminister*innen mit Vertretern der EU besprochen:

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von Christian Mölling, András Rácz
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