Einige ukrainische Geflüchtete fürchten sich, in ländlichen Regionen untergebracht zu werden. Das hängt auch mit ihren Erfahrungen zur Versorgungslage in der Heimat zusammen.
Verwunderung verbreitete sich unter den Helferinnen und Helfern in Diepersdorf, einem Teil der Gemeinde Leinburg bei Nürnberg, als die Ankunft von ukrainischen Gefüchteten anders verlief als geplant. Einige Flüchtlinge verließen nur zögerlich den Bus.
Angst vor schlechter Versorgung
Statt in einer größeren Stadt fanden sich die 23 Geflüchteten in einer ländlicheren Region im Speckgürtel Nürnbergs wieder. Da das Leben auf dem Dorf in der Ukraine oft mit einer schlechten Anbindung und Versorgung einhergeht, ist die Verunsicherung unter den Geflüchteten groß.
"Die Flüchtlinge wussten nicht, dass sie aufs Land kommen" berichtet eine Dolmetscherin, die mit den Flüchtlingen vor Ort geredet hat. Es zeigt sich, dass bei der Kommunikation über die Unterbringungsorte noch Nachholbedarf besteht, denn ein ähnlicher Fall ereignete sich kurze Zeit später auch im Landkreis Miesbach bei München.
Ländliche Gebiete nicht miteinander vergleichbar
Orest Zub ist Ukrainer und kann das Zögern und die Sorgen der Geflüchteten verstehen. Er selbst lebt seit 20 Jahren in Deutschland und engagiert sich im ukrainischen Verein Franken. Er berichtet, dass das Leben in ländlicheren Regionen in Deutschland nicht vergleichbar mit dem Leben auf dem Land in der Ukraine ist.
Gefüchtete sind gut vernetzt
"Ein richtiges Dorf, das weiter auf dem Land liegt - das ist schon anders als in der Stadt. Da ist man vor Ort in den Möglichkeiten eingeschränkt, ob das jetzt das Einkaufen ist oder die Versorgung im Krankenhaus." In der Ukraine könne das schon sehr eingeschränkt sein", erklärt Zub. In Deutschland sei das ja kein Problem.
Außerdem seien die Geflüchteten untereinander gut vernetzt und tauschten sich über die Möglichkeiten an den unterschiedlichen Unterbringungsorten aus:
Information über den Ankunftsort
Laut dem bayerischen Innenministerium werden Geflüchtete vor jedem Transfer innerhalb Bayerns über ihren Ankunftsort informiert.
Im Gespräch mit dem Ankerzentrum Zirndorf, von wo aus die Geflüchteten auf das Nürnberger Land verteilt werden, wird aber deutlich: Informationen darüber, dass es sich bei dem Ankunftsort gegebenenfalls um eine ländliche Region handelt, erhalten die Geflüchteten erst auf Nachfrage oder sie sehen es vor Ort nach der Ankunft.
Nürnberger Land ist gut entwickelt
Mit der Befürchtung, aus der 7.000 Einwohner Gemeinde ohne Auto erstmal nicht mehr wegzukommen, entschieden sich die Geflüchteten in Diepersdorf schließlich, nicht vor Ort bleiben zu wollen. Stattdessen äußerten sie den Wunsch zurück nach Nürnberg zu reisen.
Mehr als 200.000 Menschen hat Deutschland bereits aus der Ukraine aufgenommen. Viele Geflüchtete sind dabei privat untergekommen, sind sie auch versichert?
Nach mehreren Telefonaten und weiteren Überzeugungsversuchen einigten sich die Verantwortlichen vor Ort mit den Geflüchteten darauf, dass der Bus sie an den nächstgelegenen Bahnhof bringen würde und sie von dort aus kostenlos nach Nürnberg reisen können. Um eine Unterkunft dort mussten sie sich jedoch selbst kümmern.
Der Bürgermeister der Gemeinde Leinburg, Thomas Kraußer, war an dem betreffenden Abend vor Ort. Wie das Landratsamt des Nürnberger Landes betont auch er, dass die Versorgung im Dorf mit Ärztinnen und Ärzten, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Kindergärten ausreichend sei. Dennoch sei es nicht gelungen, die Geflüchteten vor Ort zu überzeugen.
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Hilfsbereitschaft weiterhin groß
Obwohl am Ende nur zwei der 23 Geflüchteten in der Gemeinde blieben, habe die Hilfsbereitschaft der Helferinnen und Helfer in Diepersdorf unter dem Vorfall nicht gelitten, so der Bürgermeister.
Wann jedoch der nächste Bus nach Diepersdorf kommt, sei noch unklar. Aktuell arbeite man an einer Übersicht, die den Geflüchteten zeigt, wo sich Schulen, Bahnhof, Arztpraxen und Einkaufsmöglichkeiten in Diepersdorf befinden, um den Geflüchteten die Angst zu nehmen.
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