"Sehr zeitnah" soll es eine Lösung für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln geben. Das sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Wann genau? Offen. Die Kritik wächst.
Seit dem Morgen herrscht Waffenruhe in der von Rebellen kontrollierten syrischen Provinz Idlib. Für die etwa drei Millionen Menschen–viele davon Kinder–wohl nur eine kurze Atempause. ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf berichtet aus dem Bürgerkriegsgebiet.
Die Gespräche laufen, aber einen neuen Stand gibt es nicht, sagte heute ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Das Problem solle aber "nicht auf die lange Bank geschoben werden". Auf Antrag der SPD will sich am kommenden Sonntag auch der Koalitionsausschuss der Bundesregierung mit dem Thema befassen.
Seit Monaten ist die Lage in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln prekär. Vor allem Kinder leiden unter der schwierigen Lage, ohne gesundheitliche Versorgung, untergebracht in Zelten mit zu wenig sanitären Einrichtungen. Seitdem Menschen versuchen, über die griechisch-türkische Grenzen zu kommen, ist die Lage an manchen Orten noch schlimmer geworden.
Aufnahme von Flüchtlingskindern: SPD fordert kleine EU-Lösung
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte eine Aufnahme der Kinder diese Woche signalisiert, hatte aber auf eine europäische Lösung gedrängt. Bislang haben Luxemburg, Frankreich, Finnland und Portugal angekündigt, dass Kinder zu ihnen kommen könnten. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte im ZDF, dass diese "europäische Avantgarde" ausreichen müsse:
Der außenpol. Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, fordert die Aufnahme von Flüchtlingen von der griechischen Insel Lesbos und "europäische Solidarität": "Alleine kann Deutschland das nicht leisten. Wir brauchen andere Länder die mitmachen".
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), forderte ebenfalls ein Schutzprogramm für unbegleitete Flüchtlinge oder chronisch kranke Kinder. "Wir dürfen weder die Menschen noch die griechische Regierung allein einlassen", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
140 Kommunen bieten Aufnahme von Flüchtlingskindern an
Druck auf die Bundesregierung wächst auch durch die Zivilgesellschaft. Das Aktionsbündnis Seebrücke hat für Freitag und Samstag Demonstrationen in 26 deutschen Städten unter dem Motto #WirhabenPlatz und "Grenze auf, Leben retten" angekündigt. Dabei protestieren sie auch dagegen, dass Flüchtlinge aus der Türkei an der Grenze zu Griechenland mit Tränengas und Wasserwerfern zurückgedrängt werden und das Asylrecht von Griechenland ausgesetzt wurde.
Seit Monaten bieten 140 kleinere und große Kommunen des Bündnisses an, Kinder von den griechischen Inseln aufzunehmen. In einem Brief fordern der Innenminister Niedersachsens, Boris Pistorius, und die Oberbürgermeister von Düsseldorf, Köln, Hannover, Freiburg, Potsdam, Frankfurt/Oder und Rottenburg am Neckar, 500 Kinder unter 14 Jahren zu sich zu holen.
Insbesondere "für Kinder und Frauen sind die völlig überfüllten Lager, in denen es an der nötigsten Infrastruktur, medizinischer Versorgung und Schutzräumen fehlt, unhaltbar", heißt es in dem Brief. Unterbringung und pädagogische Betreuung sei in den Kommunen vorhanden. Die Initiative verbinde "moralisches und pragmatisches" Handeln:
CDU befürchtet "Sogwirkung"
Damit spielen die Kommunen auf die Initiative der Grünen an, die die Aufnahme von 5.000 Menschen aus Griechenland und eine "Allianz der Willigen" in der EU gefordert hatten. Ein Antrag im Bundestag scheiterte jedoch. Widerstand dagegen kommt von Union, FDP und AfD. Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei befürchtet "eine unglaubliche Sogwirkung", würde man Flüchtlinge in Europa verteilen. Dies wäre, so Frei, ein Signal, "dass die Wege nach Deutschland offen sind. Deswegen ist das kein adäquater Schritt."
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lehnt nach Angaben des Redaktionsnetzwerks Deutschland diesen Weg ab. Allerdings hatten 48 CDU-Abgeordnete in einer persönlichen Erklärung die Aufnahme der Kinder gefordert.
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Die Wut vieler Insel-Griechen wächst
Bürgerwehren, Angriffe auf Hilfskräfte und überschwänglicher Patriotismus. Die Flüchtlingskrise an der türkischen Grenze heizt in Griechenland die Stimmung gegen Migranten an.
Das Hilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, forderte die Bundesregierung dagegen zu einer Vorreiterrolle auf. "In dieser kritischen Situation kann Deutschland vorangehen", sagte der Leiter der Rechtsabteilung des UNHCR Deutschland, Roland Bank. "Das wäre nicht nur eine dringend gebotene humanitäre Geste an Menschen in Not, sondern auch ein wichtiges politisches Signal an andere Staaten", so Blank. Kinderschutzpräsident Heinz Hilgers sagte:
Bischof Bätzing: Wege zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik finden
Auch die Kirchen appellierten an die Bundesregierung, dem Leiden der Flüchtlinge in Griechenland nicht weiter zuzuschauen. Martin Dutzmann, Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland sagte der ARD, er sehe die christlichen Werte "Mitgefühl, Barmherzigkeit und Solidarität" in Gefahr.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, kritisierte, die EU-Mitgliedstaaten hätten die vergangenen Jahre nicht genutzt, um zu einer tiefgreifenden Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu gelangen. Nun seien sie mehr denn je gefordert, Wege zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik zu finden.