Kälte, Hunger und Krankheiten setzen den Menschen in Flüchtlingslagern im Nordwesten Syriens zu. ZDFheute hat mit Geflüchteten über ihren täglichen Überlebenskampf gesprochen.
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Amal Khair Allah hat in zehn Jahren Krieg fast alles verloren: ihr Hab und Gut, ihre Heimat, ihren Mann. Geblieben sind der jungen Syrerin drei kleine Kinder; die letzten Funken Hoffnung in ihrem Leben, wie sie sagt.
Draußen Eiseskälte, im Zelt bleibt der Ofen aus
Sie leben in einem der vielen Flüchtlingslager im Nordwesten Syriens. Vor der Eiseskälte schützt sie nur eine dünne Zeltplane. Im Blechofen brennt kein Feuer. Heizmaterial ist Mangelware. Ebenso wie ausreichend warme Kleidung und Nahrung.
Kein sicherer Zufluchtsort, nirgends
Amal Khair Allah teilt ihr Schicksal mit Millionen syrischer Binnenflüchtlinge. Wegen immer wieder aufflammender Kämpfe mussten viele von ihnen bereits mehrfach vermeintlich sichere Zufluchtsorte wieder verlassen.
"Die humanitäre Lage in Syrien ist weiterhin katastrophal - 11,1 Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen. Über neun Millionen Menschen wissen nicht, wie sie sich ernähren sollen", heißt es in einem aktuellen Bericht der Welthungerhilfe.
Elendscamps überall auf freiem Feld
Die Deutschen leisten gemeinsam mit ihrer syrischen Partnerorganisation Ihsan Nothilfe im Nordwesten Syriens; sie unterstützen fast 40.000 Geflüchtete unter anderem mit Gutscheinen für Nahrung, Kleidung und Heizmaterial. "Allerdings reicht die Hilfe bei weitem nicht aus", sagt Konstantin Witschel, Programmkoordinator der Welthungerhilfe, im ZDFheute-Interview.
Denn allein seit Dezember 2019 sind eine Million Menschen aufgrund von Kämpfen ins Grenzgebiet zur Türkei geflüchtet. Mitarbeiter der Hilfsorganisationen beschreiben die Camps im Nordwesten Syriens als "hoffnungslos überfüllt". Überall befänden sich auch auf freiem Feld Elendscamps.
Hassan Akkad lebt in London, Rami Araban in Bonn. Beide sind aus Syrien geflohen und haben sich ein neues Leben aufgebaut. In der Corona-Krise setzen sie sich für ihre Mitmenschen ein, während Verwandte und Freunde in Syrien kaum Hoffnung auf Hilfe haben.
Lebensmittelpreise in Syrien sind explodiert
Für unzählige Geflüchtete seien die Lebensumstände "anhaltend katastrophal", so Witschel. Ein Ende des Konflikts in Syrien ist auch nach zehn Jahren nicht absehbar. Verschlimmert wird die Lage durch eine schwere Wirtschaftskrise.
[Das gesamte Interview mit Konstantin Witschel lesen Sie hier.]
Die syrische Lira hat extrem an Wert verloren. Die Lebensmittelpreise haben sich innerhalb von sechs Monaten in etwa verdoppelt. Ein Laib Brot ist für viele Geflüchtete beinahe unbezahlbar geworden. Gleiches gilt für Hygieneartikel und Brennstoff zum Kochen.
Familienvater: "Wir leben am Abgrund"
Der Familienvater Abdo Al-Shari sucht verzweifelt nach einem "Brotjob", wie er sagt: "Aber es gibt nichts. Wir leben am Abgrund." Für ihn sei es herzzerreißend, wenn ihn seine kleine Tochter manchmal um ein Stück Schokolade bitte und er nicht einmal wisse, wie er sie mit Brot versorgen könne.
Gleichzeitig fühlt Al-Shari ein wenig Glück im Unglück: Immerhin erhält seine Familie Nothilfe. "Andere Heimatvertriebene haben gar nichts und laufen völlig elend herum", sagt Al-Shari.
Sein größter Wunsch:
Die Jugend hofft, die Alten schweigen über ihren Schmerz
Taha Khaled ist mit seiner Familie seit sieben Jahren auf der Flucht. Gerade, so sagt er, habe er die neunte Klasse abgeschlossen. Der junge Mann träumt davon, Krankenpfleger zu werden. "Und später vielleicht sogar Medizin studieren und Arzt werden - an dieser Hoffnung halte ich mich aufrecht", sagt Khaled.
Einen Arzt könnte Nora Mahnoud heute schon sehr gut gebrauchen, erzählt die mehrfache Mutter und Großmutter. Der Rücken tut ihr höllisch weh. Von dem Schmerz in ihrer Brust spricht sie nicht. Ihr Mann ist im Krieg umgekommen.
Wenn Mahnoud einen Wunsch hätte, so sagt sie: